Mit der 3D-Druck-Technologie kann man nicht nur schneller und günstiger bauen, es kann auch viel Material eingespart werden. Damit kann auch der Betonbau nachhaltiger und CO2-ärmer werden. Die TU Graz und Baumit wollen diese junge Technologie in die Praxis tragen.
Gemeinsam mit der Baumit Beteiligungs GmbH hat sich ein Team aus Architekt*innen und Bauingenieur*innen der TU Graz der Entwicklung des noch relativ jungen 3D-Drucks mit Beton verschrieben. »Damit können wir erstmals in 150 Jahren Betonbaugeschichte ohne Schalung Betonbauteile herstellen. Wir können die Elemente in völlig neuen, auch tragfähigen Geometrien und filigranen Formen drucken«, erklärt Andreas Trummer vom Institut für Tragwerksentwurf der TU Graz.
In der Regel geht es beim 3D-Druck um Zeit- und Kostenreduktion. An der TU Graz steht ein anderes Thema im Vordergrund: die gezielte Materialeinsparung. So werden etwa filigrane Betonelemente mit Wandstärken von nur zwei Zentimetern in Dach- und Deckenkonstruktionen mit herkömmlich verarbeitetem Beton ergänzt. »Beton wird nur dort eingesetzt, wo es die Tragstruktur und die Lastverteilung verlangt. Mit gedruckten Aussparungskörpern kann so aus der Stahlbetondecke Material von bis zu 40 Prozent Volumen bzw. 50 Prozent CO2-Äquivalenten eingespart werden«, veranschaulicht Georg Hansemann, der sich in seiner Doktorarbeit ausführlich mit dem Thema beschäftigt.
Vom Labor in die Praxis
Der erste Einsatz der vorgefertigten Beton-Leichtbauelemente unter realen Baustellenbedingungen war die Decke einer Tiefgaragenabfahrt für eine Wohnsiedlung im bayerischen Nördlingen. Das Projekt wurde in Kooperation mit der Firma Eigner Bauunternehmung GmbH in nur wenigen Wochen fertiggestellt. Die Fertigung der gedruckten Betonteile lag hier erstmals direkt bei der ausführenden Firma. Das Team der TU Graz kümmerte sich um Planung, Entwurf und die Projektbegleitung. »Das war eine sehr wertvolle Kooperation für uns. Denn es gibt viele Feinheiten, die erst im Baustellenprozess erkannt werden können«, schildert Trummer.
Im universitären Labor sei Zeit und Raum, sich in Details zu vertiefen und hochpräzise zu arbeiten. Am Bau schaue die Sache aber anders aus: »Da tickt die Uhr, der Zeitplan ist straff, das Personal am Bau sehr gefordert. Da muss es praktikabel sein und funktionieren.« Wichtig sei deshalb, dass alle Schritte und Schnittstellen im Bauprozess genau definiert sind. Dazu zählen auch Abweichungen und Toleranzen. »Welche Toleranzen akzeptiert werden bzw. ab welchen Abweichungen 3D-Druck-Elemente neu gefertigt werden müssen, gilt es noch herauszuarbeiten und auszuhandeln. Das geht nur mit einem schrittweisen, von uns begleiteten Transfer in die Praxis.«
Bewehrung nach Maß
Inzwischen ist es gelungen, die Technologie Beton-3D-Druck an die Baupraxis heranzuführen. Trotzdem gibt es noch offene Themen, etwa die Frage der Bewehrung von Geschoßdecken mit integrierten gedruckten Betonelementen. Eine glatte, konventionelle Betondecke wird mit geometrisch einfachen Stahlstäben oder -gittern bewehrt. Bei gedruckten Leichtbaudecken mit sich kreuzenden Rippen ist das deutlich komplexer und dadurch kostspieliger. Mit der Grazer Firma AVI (Alpenländische Veredelungs-Industrie GmbH) arbeitet das Institut daher im Rahmen eines FFG-geförderten »Stadt der Zukunft«-Projektes an einem neuen Bewehrungsprinzip für Betondecken dieser Art. Ziel ist es, den Zusammenbau auf der Baustelle zu erleichtern. Im Idealfall kann künftig zu jeder individuell geplanten Leichtbaudecke aus dem 3D-Betondrucker die passgenaue Bewehrung direkt dazu bestellt werden.
Stahlbewehrung direkt mitgedruckt
Dem Team des Instituts für Tragwerksentwurf ist es zudem gelungen, dem Betonstrang aus dem Drucker gleich eine filigrane Stahlbewehrung beizufügen. »Wir können in die extrudierten Betonstränge direkt ein dünnes Stahlseil miteinziehen, so dass Bewehrung im Druckprozess direkt integriert ist.« Damit sind auch die Architekt*innen freier in der Gestaltung. Firma Baumit hat dieses an der TU Graz entwickelte Bewehrungstool schon prototypisch bei drei Maschinen im Einsatz.
Im selben »Stadt der Zukunft«-Projekt behandelt das Institut gemeinsam mit der BOKU Wien logistische Fragen rund um die vorgedruckten Betonelemente: Wie kommen die vorgefertigten Bauteile an die Baustelle? Wo und wie werden sie davor gelagert? Wie kommen sie auf der Baustelle zur richtigen Zeit an den richtigen Ort? »Auf Baustellen geht es erfahrungsgemäß sehr geschäftig zu. Und diese neuen filigranen Bauelemente sind vergleichsweise empfindlich und sollten vor Ort so schnell wie möglich verarbeitet werden«, unterstreicht Trummer, der aber auch darauf verweist, dass »bislang kein einziges dieser Bauteile beschädigt wurde, sie halten also schon auch etwas aus.«
(Titelbild: Lunghammer / TU Graz)