Donnerstag, Juli 18, 2024

Ob gesundes Wohnen, sommerliche Überhitzung oder ein Blackout. Im Viva-Forschungspark in Wopfing werden in zwölf Forschungshäusern verschiedene Baumaterialien getestet und unterschiedliche Szenarien simuliert.

Der Viva-Forschungspark wurde 2015 in Betrieb genommen und ist Europas größte Forschungseinrichtung für vergleichende Baumaterialuntersuchungen. Das Hauptziel besteht darin, die Auswirkungen verschiedener Baumaterialien auf die Lebensqualität zu messen, zu bewerten und in die Entwicklung neuer Produkte einfließen zu lassen.

Alle Häuser haben innen eine Grundfläche von 3 × 4 Meter und sind 2,8 Meter hoch. Sie bestehen aus jeweils einem Raum, mit einem Fenster und einer Tür. Sowohl die Wände wie auch die Wandbeschichtungen der Häuser wurden aus verschiedenen Baumaterialien wie Beton, Ziegelsteinen, Porenbeton oder Massivholz mit verschiedenen Innen- und Außenbeschichtungen erstellt. Um sicherzustellen, dass für alle Häuser dieselben Außenbedingungen gelten, wurden sie in einem speziellen Raster angeordnet, damit etwa alle im selben Ausmaß Sonnenschein abbekommen. Haus Nr. 8 wurde speziell für die Messung der Außenbedingungen wie Temperatur, Wind oder Luftfeuchte vorgesehen. Es erhält ein Rechenzentrum, das Rohdaten von allen anderen Häusern fortlaufend erfasst. In jedem Haus sind 33 Sensoren verbaut.

Im Rahmen einer mehrjährigen Versuchsanordnung wurden Millionen Daten erfasst und in Zusammenarbeit mit dem Department für Umwelthygiene und Umweltmedizin der Medizinischen Universität Wien, dem österreichischen Institut für Baubiologie und -ökologie IBO und der FH Burgenland ausgewertet. Das Ergebnis zeigt, dass massive Baustoffe in Verbindung mit Dämmung und Innenputze am besten abschneiden. Darüber hinaus wurden im Viva-Forschungspark auch verschiedene Einzelszenarien wie ein Blackout oder sommerliche Überhitzung getestet.



Szenario Überhitzung

Hitzewellen sind laut Meteorologen ein natürliches Phänomen. Der Klimawandel macht sich aber in unseren Breiten immer stärker bemerkbar: seit dem Jahr 2000 kommt es nachweislich zu einem Anstieg der Durchschnittstemperatur und zu immer mehr Hitzewellen – die gesundheitlichen Belastungen nehmen massiv zu. Deshalb ist man im Viva-Forschungspark der Frage nachgegangen, wie man Häuser ohne Klimaanlagen umweltfreundlich und kostengünstig kühl halten kann. Dabei hat sich gezeigt, dass sowohl die Wärmedämmung als auch die Speichermasse der Wandkonstruktion  entscheidenden Einfluss auf die Innenraumtemperatur haben. 

Die Wärmedämmung sorgt dafür, dass ein Großteil der Sommerhitze tagsüber draußen bleibt. Die eindringende Restwärme wird von massiven, schweren Wänden besser gepuffert und sie brauchen länger um sich zu erwärmen. Beim Lüften in den kühleren Nachtstunden geben sie die tagsüber aufgenommene Wärmeenergie auch wieder ab. Dieser Effekt sorgt für konstantere Innenraumtemperaturen und ein generell angenehmeres Innenraumklima.

Szenario Blackout

In den letzten Jahren hat die Angst vor einem massiven Blackout, einem europaweiten Stromausfall über mehrere Tage, deutlich zugenommen. Aber auch ohne großes Blackout kann ein technisches Gebrechen dazu führen, dass etwa die Heizung ein paar Tage streikt. Was genau sich im Winter ohne Heizung innerhalb von 48 Stunden abspielt, wurde im Viva-Forschungspark simuliert. Dazu wurde mitten im Winter in allen Häusern des Forschungsparks die Heizung ausgeschaltet.

Die Ergebnisse des Viva-Forschungsparks zeigen, dass der Puffereffekt von massiven, schweren Wänden auch im Winter für konstantere Temperaturen und bessere Wohnbehaglichkeit sorgt. (Bild: Viva)

Die anfängliche Innentemperatur betrug 21 Grad Celsius, die Außentemperatur lag bei minus zwölf Grad. Auch hier zeigte sich, dass die Kombination aus Wärmedämmung und Speichermasse eine rasche Abkühlung im Gebäudeinneren am besten vermeidet und zumindest für 48 Stunden erträgliche Temperaturen sicherstellt. In den gedämmten Häusern aus 25er-Ziegeln und Beton lagen die Innentemperaturen nach zwei Tagen zwischen 15 und 17 Grad. Auch die Wandoberflächentemperaturen lagen in diesem Bereich.

Beim gedämmten Holz-Blockhaus sanken die Innen- und Wandtemperatur auf 13 Grad, bei der gedämmten Holzständerwand sogar auf elf Grad Raum- und sieben Grad Wandtemperatur. Am schlechtesten schneidet das ungedämmte Ziegelhaus ab, das aber nicht mehr dem heutigen Baustandard entspricht, sondern den klassischen unsanierten Altbestand der 60er-Jahre simuliert. 



Blick in die Zukunft

Im Viva Forschungspark stehen die Uhren auch in Zukunft nicht still. Eine neue Testreihe befasst sich mit der Verbesserung von Nachhallzeiten in Innenräumen. Hoch im Kurs ist der Akustikputz. Die Überhitzung ist weiteres Thema. Man geht der Frage nach, welche  Gebäudematerialien auch bei Bauverdichtung zu abkühlenden Effekten beitragen und wie man den Albedoeffekt, das Rückstrahlvermögen einer nichtspiegelnden Oberfläche nutzen kann, um die städtische Überhitzung zu reduzieren.

(Titelbild: Viva)

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