Der Deloitte Radar 2022 zeigt ein gedämpftes Stimmungsbild des Wirtschaftsstandortes Österreich. Die Sicherheit der Energieversorgung bereitet den Unternehmen die größten Sorgen. (Grafik: Deloitte)
Vier Lockdowns und die Folgen der Pandemie noch nicht bewältigt, nun der Angriffskrieg in der Ukraine – an Herausforderungen für Wirtschaft und Gesellschaft mangelt es seit zwei Jahren wahrlich nicht. Das schlägt sich auch in der Einschätzung der 230 Führungskräfte, die für den diesjährigen Deloitte Radar befragt wurden, nieder. 90 Prozent befürchten schwerwiegende Folgen für die Wirtschaft, vor allem bedingt durch die hohen Energiepreise und die mangelnde Versorgungssicherheit.
Ergänzt durch Indizes globaler Rankings zeigt sich, dass es insgesamt um den Wirtschaftsstandort nicht gut bestellt ist. Zwar befindet sich Österreich schon seit Jahren im Mittelmaß, gegenüber den vergleichbaren und immer top-platzierten Ländern Schweiz, Schweden und Dänemark rutschte die Alpenrepublik jedoch weiter ab. Sie punkten mit umfassender Digitalisierung und geringerer Steuerbelastung. „Der Standort bleibt klar unter seinen Möglichkeiten“, sagt Harald Breit, CEO von Deloitte Österreich. „Damit Österreich wettbewerbsfähig und für Investoren attraktiv bleibt, muss es unser Ziel sein, es in den nächsten fünf Jahren unter die Top-5-Länder in Europa zu schaffen. Wir müssen uns an den Besten messen.“
Fünf Maßnahmen sollen diese Aufholjagd einleiten: Senkung der Steuern, Förderung von Forschung und Innovationen, rascher Umbau des Energiesystems, Flexibilisierung des Arbeitsmarktes sowie die stringente Bekämpfung der Pandemie. „Jetzt ist Leadership gefragt“, erklärt Breit. Die Senkung der Lohnnebenkosten und Einkommenssteuer stehen seit jeher an der Spitze der Agenda, die aktuellen Sorgen um die Energieversorgung räumen jedoch dem Thema Energiewende erstmals mehr Priorität ein: 92 Prozent der befragten Führungskräfte befürworten einen beschleunigten Umbau des Energiesystems in Richtung Erneuerbare.
Ein Dauerthema ist der Arbeitskräftemangel. Fast 70 Prozent der Unternehmen beurteilen die Verfügbarkeit von Fachkräften am Arbeitsmarkt mit „nicht genügend“ oder „genügend“. Deloitte-Partnerin Elisa Aichinger sieht in der raschen Eingliederung von Geflüchteten „eine historische Chance, den Fachkräftemangel zu decken“: „Müssten die Kriegsbetroffenen nicht bei den Behörden vor Ort anstehen, sondern könnten sich digital, barrierefrei und rund um die Uhr registrieren, wären diese bürokratischen Schritte auch deutlich beschleunigter.“
Sogar bei der gerne gepriesenen Lebensqualität musste Österreich diesmal Abstriche verzeichnen. Durch die Pandemie sank die Zufriedenheit mit dem Gesundheitssystem um 20 Prozentpunkte – „ein Alarmsignal“, so Aichinger. Die Unternehmen vermissten Planungssicherheit und transparente Kommunikation. Überraschendes Detail: Mehr als 60 Prozent der Befragten würden eine Umsetzung der Impfpflicht im Herbst begrüßen.