Das 27. qualityaustria Forum stand unter dem Motto »Our quality, my contribution: Digital, zirkulär, sicher«. Die Themen Selbstverantwortung und Selbstbestimmung prägten die Fachtagung, die diesmal als Hybrid-Event – online und vor Ort im Salzburg Congress – stattfand.
(Die Geschäftsführer der Quality Austria, Christoph Mondl (Titelbild) und Werner Paar eröffneten die Veranstaltung – online und im Salzburg Congress. Bild: Anna Rauchenberger)
Besondere Zeiten erfordern besondere Aufmerksamkeit. Das zeigt auch das rege Interesse der Fachtagung, die längst zum jährlichen Fixtermin für Qualitätsmanger*innen aus dem In- und Ausland avancierte. Erstmals begrüßten die seit November 2021 neuen Geschäftsführer der Quality Austria, Christoph Mondl und Werner Paar, über 800 Führungskräfte aus dem Qualitätswesen, die im Salzburg Congress und vor den Computerbildschirmen an der Veranstaltung teilnahmen.
Im Eingangsstatement verwies Christoph Mondl auf die Bedeutung kontinuierlicher Verbesserung: »Managementsysteme sind wichtig für die Weiterentwicklung von Unternehmen, um das große Ganze zu reflektieren und alle Teilbereiche einzubinden. Alle Prozesse und Abläufe müssen betrachtet werden.« Individualisierung bestimme zunehmend unser Leben und sorge auch im beruflichen Alltag für eine Verschiebung der Werte – persönliche Freiheit, Selbstbestimmung, Wertschätzung und die Sinnfrage (Purpose) rücken in den Vordergrund.
Qualität sei in unsicheren Zeiten ein stabiler Faktor, erklärte Werner Paar: »Die Schlagzahl der Veränderungen ist imposant.« Der Erfolg von Organisationen hänge vom Beitrag jeder einzelnen Person ab. Es brauche eine neue »Wir-Verantwortung«, die von allen mitgetragen wird: »Qualität geht uns alle an.«
Wahrheit auf dem Prüfstand
Wie rasch die Wahrnehmung von Wahrheit und Lüge ins Wanken geraten kann, schilderte die bekannte Autorin und Journalistin Ingrid Brodnig in ihrer Keynote. Nicht nur wir selbst sitzen manchmal Gerüchten auf, auch Unternehmen sind mitunter von Falschmeldungen betroffen, die sich in Social-Media-Kanälen rasant verbreiten. Diese spielen bewusst mit Emotionen, um höhere Reichweiten zu erzielen, und verwenden häufig Halbwahrheiten und reale Fachbegriffe, die Expertise suggerieren.
Journalistin und Autorin Ingrid Brodnig gab Tipps für eine sachliche Social-Media-Strategie, darunter etwa das »Truth-Sandwich«. (Bild: Rauchenberger)
Brodnig rät dazu, sorgsam abzuwägen, ob diese falschen Behauptungen durch die Richtigstellung nicht noch größere Öffentlichkeit erlangen: »Wenn Menschen eine Aussage öfter hören, ist die Chance größer, dass sie diese für wahr halten.« Sie empfiehlt als Kommunikationsstrategie den »Truth-Sandwich«, um heiklen Postings zu entgegnen. Der Einstieg erfolgt dabei mit der Beschreibung des richtigen Sachverhalts, um dann kurz auf die falsche Behauptung einzugehen und zum Schluss noch einmal die wahre Information zu wiederholen.
Auch wenn wilde Vorwürfe die Runde machen und die Organisation in Misskredit bringen, sollten die Verantwortlichen kühlen Kopf bewahren, so die Expertin: »Wägen Sie Ihre Worte gut ab, werden Sie nicht beleidigend und setzen Sie auf ein Vieraugenprinzip, indem Sie in Social Media erfahrene Personen gegenlesen lassen.« Wo Worte an Grenzen stoßen, sind Visualisierungen oftmals wirksamer. Erfahrungsgemäß lassen sich über Bilder auch Menschen erreichen, die bei Texten abschalten.
Integration der Systeme
Die Digitalisierung verändert auch das Qualitätsmanagement. Prozesse werden zunehmend virtualisiert, integriert und automatisch gesteuert. Qualitätsmanager*innen müssen sich künftig mit diesen Fragen verstärkt befassen, wie Anni Koubek, Business Development für Qualität, Innovation bei Quality Austria, in ihrem Vortrag offen eingestand: »Wir hinken hier anderen Geschäftsbereichen noch hinterher.« Das Beherrschen von Datenanalysemethoden, die Sicherstellung der Datenqualität und ein breites Verständnis technischer Systeme zählen künftig zum Anforderungsprofil.
Anni Koubek, Business Developerin für Innovation bei Quality Austria, verwies – online zugeschaltet – auf neue Arbeitsformen: »Agile Methoden sind als zusätzlicher Standard angekommen.« (Bild: Rauchenberger)
Wie die Innovationsexpertin in zahlreichen Gesprächen mit Qualitätsexpert*innen erfuhr, haben auch neue Arbeitsformen Einzug in die Unternehmen gehalten: »Es hat sich gezeigt: Mit klassischen Projektansätzen kommen wir nicht mehr zum Ziel. Agile Methoden sind bereits als zusätzlicher Standard angekommen.« Auch im Qualitätsmanagement werden kürzere Lern- und Entscheidungszyklen erforderlich. Eine vorgezogene Revision der bis 2025 gültigen Norm ISO 9001 sei jedoch laut Koubek nicht in Sicht.
Eckehard Bauer, Business Developer bei Quality Austria, sprach über »Entscheidungen in Pluralisierungsprozessen«. (Bild: Rauchenberger)
»Jedes Managementsystem ist eine Investition in die Wettbewerbsfähigkeit einer Organisation«, stellte Eckehard Bauer, Business Development für Sicherheitsmanagement, Business Continuity, Risiko, Security, Compliance und Transport bei Quality Austria, in seiner Rede klar: »Um ein Managementsystem nicht bloß zu administrieren, sondern zu bewirtschaften, also Nutzen daraus zu ziehen, bedarf es Menschen, die plural denken.« Strukturierte Abläufe geben die Basis für rasche, effiziente und richtige Entscheidungen: »Das betrifft nicht nur das Top-Management. Entscheidungen gibt es auf jeder Ebene.«
Gerade in global tätigen Unternehmen mit unterschiedlichen Sprachen und Kulturen sei Pluralisierung ein wichtiger Faktor. »Wir müssen eine Brücke von der Theorie zum Individuum bauen, um ganzheitlichen Erfolg zu erzielen«, betont Bauer. Leere Floskeln in Hochglanzprospekten seien zu wenig: »Man muss die Mitarbeiter*innen in ihrer Vielfältigkeit abholen.«
Dekade der Transformation
Axel Dick, Business Development für Umwelt und Energie, CSR bei Quality Austria, kündigte anschließend eine »Dekade der Transformation« an. Angesichts alarmierender Zahlen zu Ressourcenverbrauch und Umweltbelastungen bei gleichzeitig wachsender Weltbevölkerung, führe an kreislauffähigem Wirtschaften kein Weg vorbei.
Axel Dick, Business Developer für Umwelt und Energie, CSR, kündigte eine »Dekade der Transformation an«. (Bild: Rauchenberger)
»Die Hälfte der gesamten Treibhausgasemissionen und mehr als 90 Prozent des Biodiversitätsverlusts und der Wasserknappheit sind auf Rohstoffgewinnung und Verarbeitung von Materialien und Lebensmitteln zurückzuführen«, zeichnete Dick ein drastisches Bild des Klimawandels und dessen Ursachen: »Der globale Material-Fußabdruck hat sich seit 1970 vervierfacht.«
Die EU hat mit dem »Green Deal«, der Taxonomie-Verordnung, den Sustainable Development Goals (SDG) und anderen Initiativen Eckpfeiler gesetzt. Nun liege der Ball bei den Unternehmen, mit kreislauffähigen Produkten und Dienstleistungen ihren Beitrag zu leisten, so Dick: »Wir werden die Ziele nur erreichen, wenn wir die Kreisläufe schließen – sonst wird es sich nicht ausgehen.« Umweltschutz dürfe nicht länger als Add-on verstanden werden, sondern sei untrennbar mit Gesundheit verbunden: »Das sind zwei Seiten derselben Medaille.«
Um Organisationen bei der Umsetzung zu unterstützen, hat Quality Austria ihr Ausbildungsangebot im Umweltbereich stark erweitert. Neben einer Cradle-to-Cradle-Zertifizierung für Produkte in Kooperation mit EPEA Switzerland gibt es das Assessment »Circular Globe« sowie einen Lehrgang zum »Circular Globe Transformation Coach«.
Das nordische Gold
Für einen optimistischen Ausblick sorgte zum Abschluss Maike van den Boom, die aus ihrer Wahlheimat Schweden zahlreiche Erfolgsrezepte für glückliche, kreative und produktive Mitarbeiter*innen mitbrachte. »Nur einzigartige Menschen liefern einzigartige Beiträge«, plädierte sie dafür, den ganzen Menschen zu sehen, mit seinem
Potenzial und seiner Persönlichkeit.
Glücksforscherin Maike van den Boom brachte aus Schweden Erfolgsrezepte für Teams mit. ( Bild: Rauchenberger)
Statt klar abgegrenzter Abteilungen und Kontrolle brauche es mehr Autonomie und Eigenverantwortung: »Wir brauchen mehr selbstbewusste, mutige Menschen, die wissen, dass ihre Meinung zählt.« In Skandinavien werde alles hinterfragt – auch die Autorität der Vorgesetzten und der Entscheidungen, was für deutsche oder österreichische Führungskräfte durchaus gewöhnungsbedürftig sei. Ihnen fehle, meint die Glücksforscherin, »Tillit« (schwedisch und norwegisch für »Vertrauen«) – »das nordische Gold«.
Die Aufgabe einer Führungskraft sei es nicht, Arbeiten zuzuteilen und Leistung zu kontrollieren, sondern dafür zu sorgen, dass jede*r das eigene Potenzial zum Wohle des Unternehmens einsetzen kann, so Maike van den Boom: »Wenn die Katze krank ist oder ein Mitarbeiter kurz vor der Scheidung steht, hat das natürlich Auswirkungen auf die Arbeitsleistung.« Belohnungen für gute Leistungen sollte es nicht nur für einzelne Personen geben, sondern auch für die Teams, um sie gegenseitig anzuspornen.
Der Zusammenhalt der Gemeinschaft ist in skandinavischen Organisationen besonders ausgeprägt. Das Sprichwort »Einsam sind wir stark, aber gemeinsam sind wir noch viel stärker« habe große Bedeutung für den Teamspirit, wie die Bestsellerautorin bei zahlreichen Besuchen in schwedischen Betrieben feststellen konnte. Sie wünscht sich auch hierzulande »mehr Arschbomben und Räuberleitern« – sinnbildlich für mehr Freiheit und Verantwortung für die Mitarbeiter*innen: »Lasst die Menschen frei, dann werden sie ihr Bestes geben!«
Info und Anmeldung für den kommenden Wettbewerb: www.qualityaustria.com/qualitaets-champion
Bester Qualitätsmanager Österreichs
Miguel Germano Neto arbeitet seit 2014 für Rheinmetall MAN Military Vehicles in Wien, einem weltweit führenden Produzenten für militärische Radfahrzeuge. Im Rahmen des 27. qualityaustria Forum in Salzburg wurde der 47-Jährige als »Qualitäts-Champion 2021« geehrt. Der Preis wird jährlich auf Initiative der Österreichischen Vereinigung für Qualitätssicherung (ÖVQ) in Zusammenarbeit mit Quality Austria an die beste Qualitätsmanagerin oder den besten Qualitätsmanager des Landes vergeben.
Strahlende Gewinner – Qualitätschampion und Qualitätstalent 2021. (v.l.n.r.): Werner Paar (Quality Austria), Ferdinand Revellio (Qualitätstalent 2021), Alexander Woidich (Vorsitzender der Jury), Miguel Germano Neto (Qualitätschampion 2021) und Christoph Mondl (Quality Austria) (Bild: Rauchenberger)
Der gebürtige Brasilianer hat eine beeindruckende internationale Karriere im Qualitätsmanagement hingelegt. Berufliche Stationen waren unter anderem Robert Bosch Latin America und Bombardier in Deutschland. Die Jury zeigte sich von der Umsetzung des unternehmenskritischen Projekts beeindruckt, das in einem neuen Geschäftsmodell mit noch unzureichend definierten Prozessen situiert war: »Miguel Germano Neto erreichte dies mit konsequent systematischem Vorgehen, dem fundierten Einsatz von Werkzeugen des Prozess- und Qualitätsmanagements sowie nachhaltiger Motivationsarbeit.«
Der Nachwuchspreis »Qualitäts-Talent« ging heuer an Ferdinand Revellio, der sich einem Kreislaufwirtschaftssystem für Smartphones widmete. Sein Dissertationsprojekt an der Johannes-Kepler-Universität (JKU) in Linz zum Thema »Qualitätsdienstleistungen in Produktkreisläufen managen. Das Beispiel von Smartphones« wurde als Siegerprojekt ausgewählt.
»Herr Revellio konnte mit seinem Projekt einen wesentlichen Beitrag leisten, um Stoffströme im Sinne der Kreislaufwirtschaft bei Smartphones zu schließen. Mit einem Projektpartner wurde das weltweit erste Pfandsystem für Smartphones in Deutschland eingeführt«, lautete die Begründung der Jury.