Freitag, Mai 03, 2024
Auf digitaler Reise mit SAP

Christina Wilfinger ist seit 2021 Geschäftsführerin von SAP Österreich. Sie spricht über ihre Mission, den Transformationsprozess von Kunden und SAP-Partnern in Richtung Cloud zu unterstützen.


(+) plus: Vor welchen Herausforderungen stehen Unternehmen mit ihren SAP-Systemen? Welche Themen adressieren Sie mit dem Servicepaket »RISE with SAP«?

Christina Wilfinger: SAP feiert heuer 50-jähriges Jubiläum – mit RISE with SAP leiten wir die nächsten 50 Jahre unserer globalen Erfolgsgeschichte ein. Viele Bestandteile des Angebots gab es schon in den vergangenen Jahren. Neu ist die Bündelung von unterschiedlichen Services für Software und Technologie, Beratung und Analyse. Denn wir leben in einer vernetzten Welt, in der Prozesse nicht mehr auseinanderdividiert werden können. Weder Serviceleistungen noch Technologien können unabhängig voneinander betrachtet werden.

Mit RISE with SAP bieten wir eine ganzheitliche Business-Transformation, bei der die bestehenden Kernprozesse in die S/4HANA Cloud-Plattform verlagert werden. Das Charmante an diesem Angebot ist der integrierte Service von Software, Beratungsleistung und auch IT-Infrastruktur – quer über den gesamten Wertschöpfungsprozess eines ERP-Systems. Für unsere Kunden bedeutet das, sie haben einen zentralen Ansprechpartner, der sie beim Geschäftsprozess über die technologischen Möglichkeiten bis hin zum Betriebsmodell begleiten kann.

Wir sprechen damit Unternehmen in allen Branchen an. Durch die starke Marktdurchdringung in Österreich sind wir in 25 unterschiedlichen Industriebereichen vertreten. So haben wir etwa im Gesundheitsbereich eine hundertprozentige Abdeckung und sehen auch dort, dass die Vernetzung zwischen Industrien, mit Lieferanten und Kunden komplexer geworden ist. Das erfordert eine Standardisierung der IT.

(+) plus: Was bedeutet dieser Wandel für die IT- und Fachabteilungen in den Unternehmen?

Wilfinger: Man ist vom Silodenken abgekommen und betrachtet nun Finanz, Einkauf oder Vertrieb über die eigentlichen Prozesse hinaus. Bei den aktuellen Schwierigkeiten vieler Unternehmen in Logistik und Lieferketten dient die ganzheitliche Betrachtung auch der Planungssicherheit. Wenn ich meine Abläufe und meine Organisation nicht übergreifend designe, werde ich weder kurz- noch langfristig wettbewerbstauglich sein.

Gerade in Österreich mit seinem starken Mittelstand in der Zulieferindustrie – 53 Prozent unseres BIP ist exportorientiert – braucht es integrierte und flexible Geschäftsprozesse. Das schlägt sich auch auf die Beratungsunternehmen nieder. Vor zehn Jahren hatten wir im SAP-Markt auf Module ausgerichtete Consultants: FI-Berater, Fachleute nur für den HR-Bereich oder nur für Logistiksoftware. Diese Profile verschwimmen zunehmend. Bei Themen wie »Order to cash« oder »Procure to pay« kann ich heute nicht mehr SAP-Finanzberater sein, ohne die Logistikprozesse eines Unternehmens zu verstehen.

(+) plus: Wie reagiert der Mittelstand auf Cloud-Services? Ist man den Angeboten der Hersteller und Dienstleister gegenüber offener geworden?

Wilfinger: Die Öffnung zur Cloud hat sich mit der Pandemie weiter verstärkt – Entscheidungen, die davor Monate gedauert hatten, mussten quasi von heute auf morgen getroffen werden. Der Markt hat sich aber schon in den Jahren davor verändert. Der Mittelstand hat nicht mehr die Zeit und auch nicht die Ressourcen, sich zu Infrastrukturthemen sechs bis neun Monate den Kopf zu zerbrechen.

Unternehmen arbeiten heute gerne mit »Best Practices« aus anderen Industrien. Ich diskutiere mit unseren Kunden und Entscheidungsträgern oft die 80:20-Regel, bei der ein Großteil der Abläufe in einem Unternehmen, wie etwa klassische Einkaufsprozesse oder HR, Finanz und Controlling nicht jedes Mal neu erfunden werden muss. Natürlich ist jedes Unternehmen einzigartig und hat seine speziellen Produkte und Services, aber genauso gut können wir auch von der Erfahrung anderer profitieren.

Das ist der eigentliche Mehrwert einer Cloud-Lösung: von gut funktionierenden Systemen und Prozessen in einer Industrie, in der das gleiche vielleicht schon zehnmal umgesetzt wurde, zu lernen und Teile wiederzuverwenden. Hier ist unser Partner-Ökosystem viel wert.

(+) plus: Cloud und Innovation wird oft in einem Atemzug genannt – warum?

Wilfinger: Nun, unsere Kunden können sich mit der Standardisierung von Teilen ihrer IT besser auf ihr eigentliches Kerngeschäft konzentrieren. Sie müssen sich so nicht mit Dingen auseinandersetzen, die keinen Mehrwert bringen. Einen Finanzprozess nur von einem Tool auf ein anderes zu übertragen, würde wenig verändern. Das Unternehmen würde damit nicht ein Stück mehr produzieren oder verkaufen.

Wenn man allerdings durch eine Standardisierung und Reduktion der Komplexität vielleicht weg von seriellen Tätigkeiten kommt und Freiräume für Neues schafft, dann kann Innovation passieren. Die Leute sind dann nicht mehr damit beschäftigt, Daten von A nach B oder Informationen aus ihren Systemen herauszuholen, sondern können an neuen Produkten oder Servicemodellen arbeiten. 

(+) plus: Wie groß ist die Partnerlandschaft von SAP in Österreich?

Wilfinger: Aufgrund unserer 35-jährigen Geschichte in Österreich haben wir natürlich ein hervorragendes Netzwerk mit über 100 Partnerfirmen am Markt. Die bestimmte Zahl zertifizierter SAP-Partner ist durch das teilweise internationale Geschäft unserer Partner und auch der österreichischen Berater gar nicht so einfach festzustellen und würde das Bild verzerren.

Wir sind als SAP Österreich aber stolz, mit unseren Partnern stets viele neue Themen und auch Early Adopters in die Region bringen zu können. Hierzulande wird viel Neues umgesetzt, und Referenzprojekte aus der Wirtschaft und der öffentlichen Verwaltung werden durchwegs auch global wahrgenommen. Die Erfolgsfaktoren sind dabei Ausbildung, Wissen und Know-how. Viele Dinge, die in Österreich entstehen, werden skalierend in andere Märkte weitergetragen.

(+) plus: Viele SAP-Berater haben sich in den letzten Jahren vom reinen Umsetzer oder Lieferant von IT-Systemen zu Innovationspartnern entwickelt. Wie können sie sich bei der künftigen Entwicklung von SAP selbst einbringen?

Wilfinger: Ich würde diese Frage gar nicht nur auf die Partner beziehen, sondern für alle Kunden beantworten. Eine eigene Organisationseinheit bei SAP, die »Industry Business Unit« führt in den verschiedensten Wirtschaftsbereichen sogenannte Co-Innovationsprojekte durch – etwa für Energieversorger, die Chemiebranche, die produzierende Industrie oder den Gesundheitsbereich. Wir holen uns dort Fachleute aus dem Markt, um Prozesswissen und Technologieverständnis zu verknüpfen.

Wir spiegeln damit auch den Bedarf am Markt wider – wo der »Business Process Owner« die klassisch getrennten Rollen von Anwender und Technologieberater ablöst und vereint. Dieses Dreiergespann an Technologieverständnis, Branchen-Know-how und Prozesskompetenz ist auf allen Ebenen notwendig: bei uns als Hersteller, bei Beraterfirmen und Dienstleistern ebenso wie bei unseren Kunden.

(+) plus: Die IT-Branche wird seit Jahren von eklatantem Fachkräftemangel geplagt. Welche Perspektiven sehen Sie hier?

Wilfinger: Über den SAP-Bereich hinaus fehlen in Österreich derzeit zwischen 20.000 und 30.000 IT-nahe Fachkräfte. Davon ist nicht nur der IT-Markt betroffen, sondern jedes Unternehmen mit einer Finanz- oder Logistikabteilung. Sie alle benötigen Leute mit Wissen und Verständnis für Prozesse. Ich versuche gemeinsam mit meinem Team die vielen Berufsbilder der IT attraktiv zu machen. Es sind sehr spannende Tätigkeiten, und sie bieten außerordentliche Jobsicherheit. Man muss sich dabei aber bewusst sein, dass eine Ausbildung in der IT nicht mit einigen Kursen erledigt ist, sondern lebensbegleitendes Lernen erfordert.

Und die beste Grundausbildung ist nur ein erster Schritt, um dann in der Praxis direkt in den Unternehmen Industrie- und Prozesswissen zu sammeln. Wir fokussieren in der SAP Academy auf Berufseinsteiger*innen und haben auch gute Erfahrungen mit Quereinsteiger*innen gemacht. Wenn Leidenschaft und Interesse da sind, kann man auch den Fachkräfte-Horizont erweitern. So bietet SAP gemeinsam mit Socialbee geflüchteten Menschen eine Basis­ausbildung und organisiert für sie Arbeitsplätze in unseren Partnernetzwerk.

(+) plus: Welche SAP-Beraterfirmen werden wir in zehn Jahren noch sehen? Wie wird sich dieser Markt weiterentwickeln?

Wilfinger: Ich denke, jeder muss auf die digitale Reise gehen – das gilt für alle Bereiche der Wirtschaft. Unternehmen, ob nun SAP-Berater oder ihre Kunden, werden nur dann erfolgreich sein, wenn sie die Transformation ihres Geschäfts aktiv gestalten und in ihre Mitarbeiter investieren. Wer da oder dort in Vorleistung geht und die Herausforderung annimmt, hat die besten Chancen.

Es gibt genügend Beispiele aus der Geschichte von Unternehmen, die Technologietrends übersehen haben. Da haben sich Geschäftsmodelle in Luft aufgelöst. Hier sehe ich die Berater in Österreich mit ihrem breiten Skill-Set aber gut aufgestellt.


Zur Person



Christina Wilfinger ist seit Februar 2021 Geschäftsführerin von SAP Österreich. Davor war sie bei Microsoft Österreich für den Vertrieb im Enterprise-Bereich verantwortlich und bis 2016 bereits Mitglied der SAP Österreich-Geschäftsleitung sowie in leitenden Positionen bei Partnerunternehmen tätig. Die gebürtige Steirerin studierte Wirtschaftsingenieurwesen an der TU Wien und unterrichtet an der Donau-Universität Krems.

 

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