Was letztes Jahr beschäftigt hat, wird uns auch im neuen Jahr begegnen - gleichzeitig eröffnen sich aber auch neue Chancen. Zwölf Themen, mit denen wir 2022 rechnen müssen.
Investitionsboom
Geschlossene Hotels, ausbleibende Gäste, Mitarbeiter*innen in Kurzarbeit – gute Gründe zur Resignation. Nicht für alle: Viele nutzten die erzwungenen Schließungen, um ihre Häuser auf Hochglanz zu bringen. Schon 2020 ging die Investitionstätigkeit im heimischen Tourismus stark nach oben, heuer erreichten die Ausgaben Rekordwerte. Die Tourismusbank ÖHT griff 2022 den Betrieben mit 887 Millionen Euro unter die Arme. Die ÖHT stellt die Hälfte der benötigten Fremdfinanzierung als nachrangig besichertes Darlehen zur Verfügung, verzinst werden die Fördermittel des Tourismusministeriums über zehn Jahre zum garantierten Fixzins von null Prozent.
Vier-Tage-Woche
Einzelne Unternehmen und Länder haben es schon ausprobiert: Die verkürzte Arbeitswoche soll Stress reduzieren, die Work-Life-Balance verbessern und sogar die Produktivität erhöhen. Pilotprojekte in Island und Neuseeland brachten vielversprechende Ergebnisse. Auch der Arbeitskräftemangel könnte auf diese Weise entschärft werden: Heimische Betriebe, die auf die verkürzte Arbeitswoche umstellten, freuen sich seither über regen Zulauf von Bewerber*innen.
Lieferstau
Normalerweise werden die Crews der Frachtunternehmen – pro Monat rund 150.000 Leute – in den großen Häfen in China, Singapur, den USA, den Niederlanden oder Belgien ausgetauscht. Die Omikron-Variante bringt in diese Rotation abermals erhebliche Turbulenzen. Viele Länder haben ihre Einreisebestimmungen erneut verschärft und verlangen mehrtägige Quarantäne, bevor die Besatzung der Schiffe von Bord darf. Zudem sind Frachtcontainer häufig nicht dort verfügbar, wo sie benötigt werden. Die Boston Consulting Group sieht eine Welle von Preissteigerungen auf die Kund*innen zurollen.
Cyberattacken
Hybrides Arbeiten wird uns über 2022 hinaus begleiten, damit steigt auch die Bedrohungslage. Laut einer Accenture-Studie sind 55 Prozent der großen Unternehmen nicht imstande, Cyberangriffe zu identifizieren und wirksam zu bekämpfen. Vor allem Sektoren, die erst jetzt eine digitale Transformation erleben, werden zur Zielscheibe. Neben Investitionen in die IT-Infrastruktur sind auch die Mitarbeiter*innen in den Unternehmen gefordert: Bewusstseinsbildung ist ein entscheidender Faktor zur Prävention von Ransomware-Attacken.
Rekordjahr für Start-ups
2021 erhielten österreichische Start-ups mehr frisches Kapital als je zuvor. Insgesamt flossen 1,23 Milliarden Euro an Jungunternehmen – das ist fast fünf Mal so viel wie 2020. Getragen wird diese positive Entwicklung vor allem durch die beiden »Unicorns« GoStudent und Bitpanda, die gemeinsam mehr als die Hälfte des gesamten Investitionskapitals lukrieren konnten. Darüber hinaus gab es im vergangenen Jahr einige erfolgreiche Übernahmen. Die globale Großwetterlage bleibt günstig: Im Markt ist viel Liquidität, die Zinsen sind niedrig und neue disruptive Geschäftsmodelle, vor allem in den Bereichen Nachhaltigkeit und Digitalisierung, warten auf Investor*innen.
CO2-Preis
Klimaexpert*innen halten den angekündigten Einstiegspreis von 30 Euro pro Tonne für zu niedrig, in der Regierung zeigt man sich mit dem erzielten Kompromiss als Kernstück der ökosozialen Steuerreform zufrieden. Im Juli tritt die Abgabe in Kraft, die Einnahmen sollen als regionaler Klimabonus zurück an die Bevölkerung fließen – aber auch diese Staffelung wird als ungerecht kritisiert. WIFO-Steuerexpertin Margit Schratzenstaller hält den Lenkungseffekt für »relativ begrenzt«: »Man hätte sich gewünscht, dass das etwas mutiger gewesen wäre.«
Digitaler Euro
2026 könnte es so weit sein, die Entscheidung soll Anfang 2023 fallen. Bis dahin bastelt die Europäische Zentralbank (EZB) an einem Konzept für die neue Digitalwährung. Aber brauchen wir sie auch? Konsument*innen werden davon wenig spüren. Der EU-Kommission geht es um mehr Sicherheit, zudem nimmt die Marktmacht von Kreditkartenfirmen und Kryptowährungen stetig zu.
Ausgebremst
Der Chipmangel hat den Automobilmarkt fest im Griff. Auf das schwache Jahr 2020 folgte 2021 ein noch schlechteres Ergebnis unter dem Vorkrisenniveau. Eine baldige Trendwende ist nicht zu erwarten. Die Branche ist durch das Fehlen wichtiger Vorprodukte, vor allem Halbleiter, blockiert. Das bremst auch die Absatzdynamik auf dem eigentlich boomenden Markt für Elektroautos: In den fünf größten Märkten Westeuropas (Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und Spanien) stieg der Absatz zu Jahresende nur noch um 36 Prozent (Jahresverlauf: plus 93 %). In Österreich liegt das Wachstum noch deutlich höher, bei 50 Prozent.
Welt ohne Cookies
Das Rückgrat des Onlinemarketings hat ein Ablaufdatum. Die browsergenerierten Dateien, die User*innen im Internet auf Schritt und Tritt verfolgen, soll es bald nicht mehr geben. Bereits Anfang 2020 hatte Google angekündigt, sogenannte »Third Party Cookies« von Drittanbietern künftig nicht mehr zu unterstützen. Das Ende der Werbe-Cookies für Chrome wurde inzwischen auf das Jahr 2023 verschoben. Viele Unternehmen arbeiten bereits intensiv an Alternativen, etwa semantisches Targeting, Identity-Lösungen oder Benefits für Nutzer*innen, die ihre Daten für personalisierte Werbung zur Verfügung stellen.
Hyperautomation
Eine Entwicklung, die sich 2022 durch alle Branchen zieht, ist Hyperautomation, die intelligente Technologien wie künstliche Intelligenz, Machine Learning, Chatbots und Robotic Process Automation (RPA) miteinander verknüpft. Diese Rundum-sorglos-Automatisierung identifiziert, überprüft und automatisiert Prozesse und Aufgaben selbstständig. Theoretisch gilt das auch für Geschäftsentscheidungen – aber wer will das schon?
Weiterbildung weiterdenken
Im Arbeitskontext ist Lernen in der Regel an die aktuelle berufliche Aufgabe geknüpft. Dieses Verständnis wird in Zukunft nicht mehr ausreichen. Große Teile der Belegschaft verfügen schon jetzt nicht mehr über die Kompetenzen und Qualifikationen, die künftig gebraucht werden. Statt anlassbezogener Lernangebote braucht es neue Strukturen, um mit den rasanten Veränderungen in Markt und Technologie Schritt halten zu können. Einige Unternehmen schließen sich bereits zu überbetrieblichen Qualifizierungsnetzwerken zusammen und entwickeln mit Weiterbildungsanbietern individuelle Konzepte.
Blackout
Ein überregionaler Netzzusammenbruch könnte einen Dominoeffekt auslösen. Rasch wären kritische Infrastruktur und die Versorgungssicherheit gefährdet. Aber auch durch die zeitgleiche Erkrankung vieler Menschen kann es zu massiven Problemen in der Logistik kommen. Die Wien Energie isoliert freiwillige Mitarbeiter an drei Standorten, um die Stromversorgung und die Müllverbrennung der Stadt im Ernstfall aufrechterhalten zu können. Rasche Reaktionen der Netzbetreiber haben bei bisherigen Störfällen das Schlimmste verhindert. Ein weiteres Problem: Die Energiewende schreitet rascher voran als der Ausbau der Netzinfrastruktur.