Freitag, November 22, 2024

Dass die Energiewende kommen muss, wissen alle. Die Zugänge sind unterschiedlich.

Die niederösterreichische Wirtschaftskammer will die Betriebe mithilfe erneuerbarer Energieträger autark machen, Leo Windtner, Direktor der Energie AG Oberösterreich, plädiert für gezielten Ausbau der Wasserkraft und einen Mix von fossilen und erneuerbaren Energieformen.


Der Wandel in der Energieversorgung wird kommen – so oder so. Die Gesellschaft habe es in der Hand, ob sie den Übergang zu einer ressourcenschonenden Ökonomie gerecht und friedlich bewerkstelligt oder ob zu lange so wie bisher weitergemacht wird. Dennis Meadows, Co-Autor des in den 1970er-Jahren erschienenen Berichts über die »Grenzen des Wachstums«, weilte Anfang September in Wien, um über seine Ansichten über die Energieversorgung der Zukunft zu sprechen. Der Wandel werde auch dann kommen, wenn die Energiepolitik weitermache wie bisher, aber er werde dann nicht freiwillig erfolgen, sondern durch externe Faktoren erzwungen, so Mea­dows. Dann bestehe die große Gefahr, dass die Änderungen mit Konflikten zwischen Arm und Reich einhergehen und irreversible Umweltschäden entstehen, so die Warnung des Experten.

>> Energieautarkie <<
Auch im öffentlichen Bewusstsein setzt sich die Erkenntnis, dass sich etwas tun muss, weil die Energieträger wie Öl und Gas begrenzt sind, langsam durch. Die jüngste Erdgaskrise zwischen Russland und der Ukraine, deren Leidtragender Europa war, hat diesen Prozess beschleunigt. Wie das Meinungsforschungsinstitut Gallup erhoben hat, sehen inzwischen drei Viertel der Österreicher eine zu große Abhängigkeit der heimischen Energieversorgung von ausländischen Lieferanten. Und 90 Prozent wären über eine totale Energieunabhängigkeit Österreichs froh. »Eine Energiewende wird immer dringlicher«, meint daher auch Sonja Zwazl, Präsidentin der Wirtschaftskammer Niederösterreich. Ihr Zugang dazu klingt allerdings pragmatischer als der von Meadows: Die Wende könne nur von der Wirtschaft, sprich den Betrieben ausgehen.
Geht es nach Zwazl, soll Niederösterreich zu einem Musterbundesland in Sachen Ener­gieautarkie werden. Unabhängigkeit von Energieimporten soll durch eine Erhöhung der Energieeffizienz und eine Hinwendung zu erneuerbaren Ener­gieträgern erreicht werden. Um den Betrieben dabei zur Hand zu gehen, den richtigen Energiemix auf dem Weg zur Autarkie zu finden, hat die in der WK beheimatete Fachgruppe Ingenieurbüros den »Energie-Coaching-Cluster« ins Leben gerufen. Dieser wiederum hat den »Ener­giekompass« erfunden, ein Programm, das maßgeschneiderte Energielösungen für Betriebe, Gemeinden und auch Private bieten soll. »Energiesparen allein genügt nicht«, begründet Friedrich Krumböck von der Fachgruppe die Sinnhaftigkeit dieses Tools, das zur »vernetzten Autarkie« beitragen soll. Eines Tages soll über den Cluster ein Energieaustausch zwischen Produzenten von erneuerbarer Energie stattfinden. Wer mehr Strom erzeugt, als er selbst benötigt, speist diesen in das Netz ein.


>> Kapazitäten zuschalten <<
»Auf die Energiewirtschaft kommen in den nächsten Jahren gewaltige Herausforderungen zu«, ist auch Leo Windtner, Generaldirektor der Energie AG Oberösterreich, überzeugt. Einerseits mache das EU-Klimaziel »20-20-20«, das 20 % Anteil erneuerbarer Energieträger bis 2020 festlegt, einen massiven Ausbau der »Neuen Erneuerbaren« Wind, Biomasse, Photovoltaik und Geothermie notwendig – und das besonders in Österreich, wo das Ziel unter Berücksichtigung der Wasserkraft bei 34 % liegt, der Anteil derzeit aber bei knapp über 23 % liegt. Auf fossile Ener­gieträger könne man in einem Mix aus verschiedenen Ener­giequellen nicht verzichten, so Windtner. Das größte Potenzial bei den Erneuerbaren misst Windtner neben dem Wasser der Geothermie entlang der österreichischen Thermenlinie und der Biomasse zu, weniger Zuwachs sieht er beim Wind, die Photovoltaik werde hauptsächlich für den privaten Eigenverbrauch interessant sein. Daher bleibt laut Windtner die Wasserkraft die Stütze der heimischen Energieversorgung, für deren Ausbau er plädiert. Das Ausbaupotenzial schätzt er, unter Berücksichtigung ökologischer Kriterien, auf zusätzlich 13 Terawattstunden (TWh) elektrischer Energie. Derzeit erzeugt Österreich mit Wasserkraft rund 42 TWh.  

>> Knackpunkt Speicherung <<
Hauptproblem bei der Erzeugung von Strom ist und bleibt dessen Speicherung. Während im Bereich der Elektromobilität intensiv an Lösungen geforscht wird – auch die Ener­gie AG stellt demnächst den Prototyp eines Elektroautos vor –, hat die Wasserkraft mit den Pumpspeicherkraftwerken auf diesem Gebiet bereits einen entscheidenden Vorteil. Fehlende Kapazitäten aufgrund niedriger Wasserstandsmengen können damit ausgeglichen werden. »Wir brauchen die­se Kapazitäten zum Zuschalten«, plädiert Windtner für diese Technologie.
Die Energie AG hat aber auch Projekte im Bereich alternativer Energieformen gestartet. In Ried wird das größte Geothermieprojekt Österreichs in der ersten Stufe rund 55 GWh Wärmeenergie liefern, im Vollausbau sind 90 GWh geplant, womit auch die Erzeugung von Strom möglich wäre. Bei Seewalchen soll 2010 die größte Photovoltaikanlage Österreichs um 6,5 Millionen Euro auf einer Fläche von 6,5 Hektar 1.000 MWh Strom liefern. Erprobt werden sollen unterschiedliche Paneeltechniken, wie Dünnschicht- und Kristallinmodelle zur Umwandlung von Sonnenenergie in Strom.
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Tiipp
Neuer Beruf: Energie-Autarkie-Coach. Die vom niederösterreichischen Autarkie-Coaching-Cluster (ACC) angebotene Ausbildung zum »Autarkie Coach« startet am 18. September, wird an 15 Tagen abgehalten und dauert bis 16. Jänner 2010. Zielgruppe als zukünftige Energiecoaches sind Mitglieder der NÖ Fachgruppe Ingenieurbüros in der Wirtschaftskammer Niederösterreich. Die Lehrveranstaltungen finden u.a. an der Donauuni Krems, dem WIFI Nieder­österreich in St. Pölten und dem Josephinum Wieselburg statt. Der Lehrgang kostet 3.800 Euro, Mitglieder der Fachgruppe Ingenieurbüros erhalten einen 50%-Zuschuss. Anmeldung in der WK NÖ, Fachgruppe Ingenieurbüros, Manuela Bauer.
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