Das generelle Rauchverbot in der Gastronomie war bereits Geschichte, noch ehe es in Kraft trat. Ab 1. Mai 2018 sollten RaucherInnen aus Lokalen verbannt werden – ÖVP und FPÖ beschlossen aber die Aufhebung der geplanten Regelung. In abgetrennten Räumen darf weiterhin geraucht werden, das Alterslimit wird auf 18 Jahre angehoben. In der Bevölkerung stieß der Beschluss auf beträchtlichen Unmut: Exakt 591.146 Personen unterzeichneten Unterstützungserklärungen für das »Don’t Smoke«-Volksbegehren. In der offiziellen Eintragungswoche wollen die Initiatoren diese Marke noch deutlich übertreffen. Gerät die Regierung in eine Sackgasse, zumal eine aktuelle IHS-Studie keine negativen Auswirkungen für die Gastronomie aufzeigt, die gesundheitsschädigende Wirkung von Rauch jedoch unumstritten ist?
Report(+)PLUS hat bei ExpertInnen nachgefragt.
1.Wie beurteilen Sie die Chancen einer verbindlichen Volksbefragung?
Thomas Szekeres, Präsident der Ärztekammer Wien:
Das Volksbegehren ist ein Instrument der direkten Demokratie und nicht ohne Grund Teil der österreichischen Verfassung. Wir gehen davon aus, dass vor allem die neue Regierung, die sich die Forcierung der direkten Demokratie in Österreich als erklärtes Ziel gesetzt hat, deshalb dieses Instrument – im Gegensatz zur Vergangenheit – zu würdigen und respektieren weiß. In diesem Sinne hat Vizekanzler Strache bereits zugesichert, bei 900.000 Unterstützern des Volksbegehrens eine rechtlich bindende Volksabstimmung durchführen zu lassen. Wir nehmen ihn beim Wort.
Mario Pulker, Obmann des Fachverbands Gastronomie, Wirtschaftskammer Österreich:
Laut Ankündigung der Regierung sind dafür die Stimmen von mehr als 900.000 Stimmberechtigten notwendig. Die Eintragungen waren zu Beginn des Volksbegehrens sehr zahlreich, sind zuletzt aber doch stark zurückgegangen, insofern ist es fraglich, ob dieser Wert auch tatsächlich erreicht wird. Zudem darf man nicht vergessen, dass die Regierung eine Umsetzung dieses Instruments erst gegen Ende der Legislaturperiode angekündigt hat.
Julia Andras, Managing Partner bei Lansky, Ganzger + Partner Rechtsanwälte:
FPÖ-Chef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache hat sich für eine verbindliche Volksbefragung ausgesprochen, wenn zumindest 900.000 Menschen das Volksbegehren »Don’t Smoke« unterschreiben. Derzeit haben fast 600.000 Menschen ihre Unterstützung abgegeben, Tendenz steigend. Es bleibt abzuwarten, ob die Regierung zu ihrem Wort stehen wird. Der Nichtraucherschutz ist der österreichischen Bevölkerung ein großes Anliegen, sodass es für den Schutz der Demokratie wichtig wäre, die Volksbefragung durchzuführen. Andernfalls werden diese politischen Instrumente ad absurdum geführt.
2.Ist der von der Regierung geplante Schutz von Kindern und Jugendlichen in der Praxis umsetzbar?
Thomas Szekeres: Es ist fraglich, ob der Jugendschutz wirklich greifen kann. Es ist zwar so, dass Tabakwaren zukünftig erst ab 18 Jahren verkauft werden dürfen, der Zugang zur Gastronomie ist aber auch unter 18 Jahren – selbstverständlich – gestattet. Es ist für uns als Ärztekammer daher nicht verständlich, wie der Nichtraucherschutz besonders bei Jugendlichen greifen soll, wenn diese in der Gastronomie zwar nicht rauchen dürfen, aber sehr wohl durch den Passivrauch in engen Kontakt mit Rauchern kommen und daher Gefahren für die Gesundheit direkt ausgesetzt sind. Gleichzeitig wird es für die Gastronomen schwierig, den Jugendschutz einzuhalten. Denn der Ausschank von Alkohol an Minderjährige kann sehr wohl durch den Lokalinhaber kontrolliert werden, schwieriger wird es jedoch, wenn es um die Konsumation von selbst ins Lokal mitgebrachten Tabakwaren durch Minderjährige geht. Die Maßnahmen zum Jugendschutz können daher nur als halbherzig beschrieben werden.
Mario Pulker: Der Schutz von im Auto mitfahrenden Kindern und Jugendlichen ist sicher wichtig, da dort die Einwirkung von Tabakrauch absolut am höchsten ist. Eine Regelung wird nun auch in Deutschland diskutiert. Wenn man glaubt, dass das nicht kontrollierbar ist, hätte man auch das Handyverbot nicht einführen dürfen. Was den Schutz der beschäftigten Jugendlichen in der Gastronomie anbelangt, gilt die derzeitige Regelung weiter. Demnach sind Jugendliche überwiegend in solchen Räumen zu beschäftigen, wo nicht geraucht werden darf. Ob, bzw. inwiefern die Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz hier allenfalls noch weitreichendere Maßnahmen plant, ist uns derzeit nicht bekannt.
Julia Andras: Grundsätzlich ist der von der Regierung geplante Nichtraucherschutz von Kindern und Jugendlichen zu begrüßen, allerdings wird es in der Praxis schwer umsetzbar sein, ausschließlich Kinder und Jugendliche vor Nikotineinwirkung zu bewahren. So ist beispielsweise der Vorschlag für ein absolutes Rauchverbot in Autos, wenn in diesen Minderjährige mitfahren, schwer durchsetzbar, insbesondere weil es hier einer Mitwirkung des jeweiligen Autofahrers bedarf und die Umsetzung von Gesetzen, sofern sie von der Mitwirkung der Bevölkerung abhängig sind, nur schwer zu bewerkstelligen ist.
3.Stellt sich Österreich mit dem Kippen des Rauchverbots in der Gastronomie international ins Abseits?
Thomas Szekeres: Eindeutig ja. 17 von 28 EU-Staaten haben derzeit eine gesetzliche Regelung für einen umfassenden Nichtraucherschutz. Österreich gehört leider nicht dazu. Dies korreliert auch mit den entsprechenden Zahlen: Laut den aktuellsten OECD-Daten rauchen 24,3 % der österreichischen Bevölkerung täglich. Bei den Männern sind das 26,5 %, bei Frauen 22,1 %. Damit sind vor allem Frauen in Österreich europaweit die traurige Nummer eins. Bei den Jugendlichen liegen wir mit 14,5 % (14 % weiblich, 15 % männlich) weit über dem OECD-Durchschnitt (11,7 %).
Mario Pulker: In vielen europäischen Ländern gibt es zum Teil weiterreichende Ausnahmen vom generellen Rauchverbot. So dürfen etwa in unserem westlichen Nachbarland Schweiz in den meisten Kantonen Raucherräume mit Bedienung eingerichtet werden, in vielen Kantonen auch reine Raucherbetriebe. Auch in Deutschland gibt es in den meisten Bundesländern Ausnahmeregelungen. Inwiefern sich Österreich dadurch ins Abseits stellen soll, indem eine bereits geltende Regelung verlängert wird, kann ich beim besten Willen nicht erkennen.
Julia Andras: Grundsätzlich dominiert in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, zuletzt auch rückführbar auf eine im Jahr 2009 in Brüssel verabschiedete Resolution, ein Rauchverbot. Die Rauchverbote sind aber in der Gastronomie nicht als einheitlich zu bezeichnen. Vorherrschend sind Regelungen, die keine Ausnahmen, wie etwa Raucherräume, vorsehen. In 17 von 28 EU-Staaten gilt ein generelles Rauchverbot, sodass sich Österreich zwar in der Minderzahl befindet, allerdings (noch) nicht im Abseits steht.