Mittwoch, November 20, 2024
Das Monte-Rosa-Massiv ist Schauplatz eines der aufsehenerregendsten Bauprojekte Europas: Inmitten von Eis, Schnee und Stein wird hier eine der größten und vor allem technisch herausragendsten Berghütten der Alpen errichtet.

Eine spektakuläre Architektur, ein wegweisendes Energiemanagement und ein durchdachtes ökologisches Grundkonzept. Am Fuße der Dufourspitze im Schweizer Kanton Wallis soll nicht nur eine attraktive Unterkunft für Alpinisten entstehen, sondern auch ein Publikumsmagnet für Architektur- und Technikinteressierte.

Fast autark
Eine der größten Herausforderungen beim Bau der Hütte stellt die Energieversorgung dar. In der sensiblen Naturlandschaft aus Fels und Eis, abgeschnitten von jeder Infrastruktur, muss sich ein Gebäude weitgehend selbst mit Energie versorgen können. »Was heißt Energie in der Sprache der Architektur?«, lautet daher eine der zentralen Fragen von Architekt Daniel Ladner, der gemeinsam mit Andrea Deplazes von der ETH Zürich die Projektumsetzung leitet und es im Februar 2009 auf Einladung von VELUX und ig Architektur erstmals in Wien vorgestellt hat. Im konkreten Fall wird das Gebäude selbst zum Kraftwerk. Zur Abtragung der extremen Windlasten wird die Berghütte mithilfe einer kreisförmigen Stahlkonstruktion mit zentrisch liegenden Verstrebungen im Gestein verankert. Auf diesem Stahlkern wird eine Holzkon­struktion montiert, die sich nach oben hin ein wenig verjüngt. Um den Druck der Schneelast zu reduzieren, ist die Dachfläche deutlich geneigt. Die Außenhaut wird aus einer Haut mit rohem Aluminium errichtet, dahinter liegt eine 30 cm dicke Dämmschicht. An der Südseite wird eine 120 m² große Photovoltaikanlage montiert, die über eine Speicherbatterie das Gebäude mit Strom versorgt. Ein 60 m² großer thermischer Kollektor stellt das Warmwasser bereit. Der Wasserbedarf wird mit Schmelzwasser aus der Umgebung der Hütte gedeckt. Dieses wird im Sommer gesammelt und in einer Kaverne gespeichert. »Alles in allem ist die Neue Monte Rosa Hütte zu 90 % energieau­tark«, betont Ladner. Die restlichen 10 % werden über ein Blockheizkraftwerk auf Basis von Rapsöl bereitgestellt. Die Klimatisierung der gesamten Hütte erfolgt über eine automatisierte Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung. Das gesamte Energiemanagement des Gebäudes wird durch eine »model predictive control« überwacht und gesteuert, die dynamische Randbedingungen wie Wetterprognose und Anzahl der Gäste berücksichtigt. Insgesamt wurden die CO2-Emissionen pro Übernachtung im Vergleich zur alten Hütte aus 1895 um mehr als zwei Drittel gesenkt.

Vom Maulesel zum Hubschrauber
Baubeginn war im Sommer 2008. Die Fertigstellung ist für September 2009 geplant. Die Kosten für die neue Hütte belaufen sich auf rund 4,3 Millionen Euro. Möglich ist diese kurze Bauzeit durch weitgehende Vorfertigung der einzelnen Bauelemente. Während beim Bau der alten Monte Rosa Hütte die Einzelteile noch von Mauleseln über die Gletscher transportiert wurden, werden heute die einzelnen Elemente mit dem Hubschrauber zur Baustelle befördert. Für die­se Lösung spricht neben dem Zeit- und Kostenfaktor auch das Qualitätsargument. »Unter den gleichbleibenden klimatischen Bedingungen einer Vorfertigungshalle lässt sich natürlich viel besser arbeiten und viel bessere Einbauqualität herstellen als unter den extremen Bedingungen auf 2.900 Metern Seehöhe«, erklärt VELUX Experte Gerhard Maurer.

Hintergrund
Das Konzept der Neuen Monte Rosa Hütte wurde vom Schweizer Alpen-Club SAC gemeinsam mit der ETH Zürich entwickelt. Für die detaillierte Ausarbeitung des Bauvorhabens wurde eng mit Fachleuten aus Industrie und Baupraxis kooperiert. Ein Drittel der Kosten trägt der SAC, der Rest der Summe wird von Gönnern und Sponsoren gedeckt, darunter namhafte Unternehmen wie Holcim, Geberit, Sika, Rigips, Saint Gobain Isover, Endress & Hauser, Siemens und VELUX.

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