Montag, Dezember 30, 2024

Christina Krug ist ausgebildete Pianistin und Kulturmanagerin. Mit 34 Jahren sattelte sie noch einmal um, machte ihr Hobby zum Beruf und eröffnete im Süden Wiens die kleine, feine Tortenmanufaktur »Schnabulerie«. Mit ihren süßen Kunstwerken eroberte sie sich binnen kurzem einen Spitzenplatz in der Hochzeitsbranche. Im Report(+)PLUS-Interview erzählt sie von der österreichischen Backtradition, wie man sich als 30-jähriger Lehrling fühlt und warum die Sachertorte nicht überall so gut ankommt.

(+) plus: Ihr beruflicher Weg ging zunächst ja in eine ganz andere Richtung. War Konditorin schon immer Ihr heimlicher Traumberuf?

Christina Krug: Backen und Dekorieren hat mir immer riesigen Spaß gemacht. Mit zwölf, 13 habe ich zum Beispiel Weihnachtstorten mit der Stadt Bethlehem drumherum gestaltet. Die Begeisterung war immer da. Weil ich aber sehr gut Klavier gespielt habe, ging es zunächst in Richtung Musikstudium. Niemand wäre damals auf die Idee gekommen, mir eine Konditorlehre vorzuschlagen. Wenn man ins Gymnasium geht, ist ein Lehrberuf eher unüblich. Dabei finde ich das total schade, weil eine Lehre eine tolle Ausbildung sein kann.

(+) plus: Was müsste geändert werden, um das Image der Lehre zu verbessern?

Krug: Lehre mit Matura sollte in allen Berufen möglich sein. Ein gewisses Maß an Allgemeinbildung gehört einfach dazu. Die Berufsschulen brauchen ein wesentlich höheres Niveau. Wenn die Lehre mit Bildung verknüpft wird, kann man sie den Jugendlichen auch eher schmackhaft machen. Man sollte auch vermehrt Gymnasiasten ansprechen.

(+) plus: Wie viel ist Handwerk, wie viel muss man an eigener Kreativität mitbringen?

Krug: In der Lehre ist relativ wenig Kreativität dabei. Da wird das Handwerk gelernt, wie man es in Österreich seit den 1970er-Jahren halt macht. Es gibt recht fixe Vorstellungen, zum Beispiel dürfen Torten nicht blau sein. Erst im eigenen Unternehmen kann man diese Ideen ausleben, egal was die anderen sagen. Das ist ja oft das Geheimnis erfolgreicher Unternehmen: etwas nicht so zu machen, wie es seit 40 Jahren üblich ist.

(+) plus: War es schwierig, als Erwachsene noch einmal ganz von vorne zu beginnen?

Krug: Man ist wieder mit 16-, 17-Jährigen zusammen und merkt, dass man definitiv in einer anderen Altersklasse ist. Ich fand aber, jetzt ist der richtige Zeitpunkt. Noch einmal fünf Jahre Ausbildung kamen nicht infrage. Deshalb habe ich mir sehr konkret überlegt, was ich genau machen will und
welcher der kürzeste Weg dorthin ist. Ich hätte auch einfach ein Café aufmachen können. Aber ich wollte den Beruf richtig lernen, mich in der Welt umschauen und bei den besten Meistern Unterricht nehmen. Diesen Weitblick hat man mit 16 vielleicht noch nicht.

(+) plus: Warum war das Reisen so wichtig? Hat jedes Land eine eigene »süße« Kulturgeschichte?

Krug: Jedes Land hat andere Ge-schmackstraditionen. Die Österreicher sind immer so stolz auf die Sachertorte und halten sie für die beste Schokoladentorte der Welt. Die Neuseeländer sind da ganz anderer Meinung. Dort mag man ganz festen Kuchen, ähnlich wie Brownies. In der Türkei gibt es wiederum diese ganz süßen Sachen. Und Indien hat eine so tolle Küche, aber die Nachspeisen sind meiner Meinung nach nicht sehr aufregend. Es ist schon auch kulturgeschichtlich behaftet, was einem schmeckt und was nicht.

(+) plus: Inwieweit lassen Sie sich davon inspirieren?

Krug: Mein persönliches Barometer ist, was mir schmeckt.­ Die österreichische und die französische Mehlspeistradition sind wirklich am besten. Die Herrscherhäuser haben die gleichen Wurzeln, dadurch gibt es natürlich auch in der Küche viele Gemeinsamkeiten.

(+) plus: Vertrauen Sie auch auf überlieferte »Geheimrezepte« aus der Familie?

Krug: Es gibt ein paar Rezepte aus der Zeit, in der ich noch hobbymäßig gebacken habe. Manche Rezepte aus meiner Ausbildung fand ich einfach nicht so gut und jetzt greife ich wieder auf diese alten Bücher zurück.

(+) plus: Gibt es in Ihrer Familie eine Backtradition?

Krug: Meine Mutter hat schon viel gebacken, allerdings mehr auf der gesunden Schiene, was mich weniger interessiert hat. Eine meiner Großmütter hat, wie es früher üblich war, eine Haushaltsschule besucht. Ihre Rezepte von damals haben sich sehr gut bewährt.

Früher wurden oft viele Eier verwendet, weil es kein Backpulver gab. Wir machen das jetzt auch manchmal, der Teig wird so besonders saftig. Das ist durchaus ein Qualitätskriterium wie das Verwenden von echter Butter. Kuchen ist kein Diätessen. Da sind
Eier, Fett und Zucker drin – und es ist einfach richtig gut. Wenn man etwas Gesundes essen will, ist man hier falsch. Dann besser gar kein Kuchen.

(+) plus: Im Vorjahr ist die Anzahl der Hochzeiten wieder leicht gestiegen. Bemerken Sie auch eine Tendenz zu opulenteren Feiern?

Krug: Es wird mehr Wert darauf gelegt, dass alles schön und durchgestylt ist. Man überlegt sich ein richtiges Konzept. Da zieht sich zum Beispiel ein Farbthema durch – jeder sieht, dass die Hochzeit aus einem Guss ist. Es muss deshalb nicht zwangsläufig teurer sein. Auch mit geringem Budget ist Liebe zum Detail möglich. Ich arbeite viel mit Wedding Plannern zusammen, das werden meist sehr schön organisierte Feste. Man darf nicht vergessen: Eine Hochzeit ist ein riesiges Event. Wer nicht selbst in dieser Branche tätig ist, kann rasch überfordert sein. Das finde ich immer schade. Man gibt so viel Geld aus und hat dann solchen Stress,dass man den Tag gar nicht genießen kann, weil man sich um so vieles kümmern muss. Dann fährt die Kutsche vor und keiner sieht es, weil die Brautmutter inzwischen alle Leute in die Kirche gebeten hat. Wenn ich noch einmal heirate, würde ich auch eine Hochzeitsplanerin engagieren.

(+) plus: Haben die Menschen genug von der Massenware?

Krug: Definitiv. 98 % der Brautpaare, die zu uns kommen, nehmen die Torte auch. Wir bieten Verkostungen und eine umfassende Beratung, wo wir uns eine Stunde Zeit nehmen und alle Details besprechen: In welchem Rahmen findet die Hochzeit statt? Welche Torte könnte dazu passen, welche Geschmackskomponenten? Wir haben eine Kollektion, aus der die Kunden aussuchen. Die Bänder und Blumen werden jeweils auf das Farbkonzept abgestimmt. Es soll ein bisschen zelebriert werden. Das Brautkleid kauft man ja auch nicht so nebenbei – da gehen die Trauzeugin und die Mutter mit, es bekommt einen besonderen Stellenwert.

(+) plus: Welche Rolle spielen Fair Trade und Nachhaltigkeit?

Krug: Wir kommen nicht umhin, es unseren Kunden unter die Nase zu reiben. Unsere Torten sind schon um ein Eck teurer, weil sie aus sehr hochwertigen Zutaten hergestellt sind. Wir verwenden zum Beispiel belgische Pralinenschokolade und Freiland-Bioeier, das macht schon einen Unterschied. Der Mohn kommt bei uns nicht aus dem Packerl, sondern frisch gerieben aus dem Waldviertel. Auch die Nüsse werden von uns geröstet und frisch gerieben. Das ist sehr aufwendig, schmeckt aber einfach viel besser.

(+) plus: Im eigenen Betrieb fallen auch viele administrative Arbeiten an, die mit Kreativität nicht mehr so viel zu tun haben. Wie viel backen Sie noch selbst?

Krug: Während der Hochzeitssaison bin ich schon sehr viel in der Backstube. Diese feinen Dekorationen und das Finish mache ich immer selbst. Zum Experimentieren komme ich erst im Herbst, wenn die Saison abklingt. Dann erst ist Zeit, Törtchen zu entwerfen und neue Füllungen auszuprobieren.
Gerade bei den Pralinenfüllungen kann man sich austoben, das ist eine unendliche Spielwiese. Im letzten Jahr haben wir eine Kuchenfüllung mit Heidelbeer und Lavendel und eine mit Marc-de-Champagne und Holunderblüte entwickelt. Das sind Kombinationen, die es sonst nirgends gibt.

(+) plus: Erforderte es viel Mut, den alten Job zu kündigen?

Krug: Sehr viel. Mir hat die Arbeit ja Spaß gemacht. Von meinem Job gab es nur eine Handvoll in Öster­reich. Ich wusste, wenn ich den hinschmeiße, ist sofort eine Horde von Bewerbern da. Es gab also kein Zurück.

(+) plus: Waren Sie sicher, dass Ihr Konzept aufgehen würde?

Krug: Sicher kann man nie sein. Aber ich hatte das ganz tiefe Gefühl: Das braucht es. In England gibt es wunderschöne Torten, die aber nicht gut schmecken. In Österreich schmecken die Torten hervorragend, das Design ist aber sehr traditionell.

(+) plus: Wer hat Sie bestärkt?

Krug: Meine Familie und Freunde haben mich sehr unterstützt. Außerdem begleitet mich eine Unternehmensberaterin, das ist schon viel wert. Die schönen Torten sind nur etwa 20 % des Business. Es gibt aber so vieles, was man falsch machen kann.

(+) plus: Was würden Sie aus heutiger Sicht anders machen?

Krug: Wir haben uns öfters mit Mengen verkalkuliert. Daraus lernt man aber. Es ist unglaublich schwierig, zum Beispiel für Weihnachtsmärkte abzuschätzen, was und wie viel gebraucht wird. Jetzt habe ich diese Erfahrungswerte.
Am Anfang habe ich auch viele Marketingaktionen gemacht, die sehr anstrengend waren, aber kein Geld brachten. Da würde ich nicht mehr so viel Energie hineinbuttern. Andererseits habe ich dadurch jetzt ein großes Netzwerk – und das kriegt man halt nur, wenn man überall dabei ist.

Zur Person:

Christina Krug, geboren 1981, studierte Klavier sowie später Kulturmanagement und war für die Niederösterreichischen Tonkünstler und das Musikfestival Grafenegg tätig, bis sie die Branche wechselte. Ihre Ausbildung absolvierte sie bei Pâtissiers aus Großbritannien, Australien und der Schweiz und legte 2013 am WIFI Wien die Meisterprüfung für Konditoren ab. In der »Schnabulerie« in Mödling beschäftigt die Tortendesignerin inzwischen fünf MitarbeiterInnen. Ihr Spezialgebiet sind Hochzeitstorten. Mit süßen Accessoires aus der Pâtisserie wie Tartelettes, Cupcakes und Macarons stattet sie auch Firmenevents aus. In Kursen gibt Krug Tipps und Tricks zum Backen und Dekorieren weiter.

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