Montag, Juli 22, 2024

Markus Kaiser, Geschäftsführer des Bundesrechenzentrums (BRZ), über den Wandel des IT-Dienstleisters und gestiegene Anforderungen in der öffentlichen Verwaltung.

(+) plus: Welche Ziele haben Sie sich als Geschäftsführer des BRZ gesetzt? In welche Richtung soll sich das Unternehmen weiterentwickeln?

Markus Kaiser: Wir wollen das BRZ zu einem Motor der digitalen Transformation in der öffentlichen Verwaltung machen – weg vom Auftragsempfänger, hin zum aktiven Gestalter. In den nächsten Monaten soll der Wandel zu einem professionellen Dienstleis­ter passieren, der seinen Kunden Services 7x24 liefern kann – also rund um die Uhr in gleicher Geschwindigkeit und Qualität. Denn mit der fortschreitenden Digitalisierung ist es essenziell, den vollen IT-Support auch außerhalb der Büroarbeitszeiten zu liefern. Die Übermittlung von Daten aus dem elektronischen Gesundheitsakt oder die Verfügbarkeit von Medikationsdaten muss um drei Uhr in der Nacht, wenn Menschen ins Krankhaus gehen, genauso gut funktionieren. Das betrifft viele weitere Services der Verwaltung – mit der Digitalisierung steigen auch die Anforderungen an einen IT-Dienstleister wie das BRZ.

(+) plus: Was bedeutet digitale Transformation im Verwaltungssektor?

Kaiser: Bürgerinnen und Bürger werden damit stärker in die Lage versetzt, die Dinge selbst in die Hand nehmen zu können. Auch Kunden einer Automarke besuchen heute nicht mehr den Schauraum des Händlers, um sich eines aus fünf Modellen auszuwählen. Sie konfigurieren sich ihr Wunschauto online von zu Hause aus selbst. Ebenso will man in bestimmten Situationen nicht darauf warten, von einem Amt oder einer Behörde kontaktiert zu werden. Und der Wunsch nach Transparenz ist da: Wie sieht meine Steuergutschrift oder Nachzahlung aus? Welche persönlichen Daten liegen in der Gesundheitsverwaltung gespeichert? Ist eine Bezahlung von Strafmandaten offen? Die Hoheit über die eigenen Daten zu bekommen, um damit arbeiten zu können – das ist für mich die digitale Transformation in der Verwaltung.

(+) plus: Jüngste Projekte der Republik wie die antragslose Familienbeihilfe zeigen die Entwicklung zu No-Stop-Shops bei Bürgerservices.

Kaiser: Kommt ein Kind in Österreich auf die Welt und lebt zumindest einer der Erziehungsberechtigten in Österreich – beides ist nachweisbar und automatisiert prüfbar –, so ist der Anspruch auf Familienbeihilfe erfüllt. Wenn alle Informationen für einen Geschäftsprozess vorliegen, gibt es auch keinen Grund mehr, dass irgendjemand noch einen Knopf drücken muss.

(+) plus: Welche Bereiche würden sich ebenfalls für automatisierte Services eignen?

Kaiser: Ein weiterer Anwendungsfall für No-Stop-Shop ist der Bereich rund um Steuererstattung, der künftig ebenfalls automatisiert abgewickelt werden wird. Viel Potenzial steckt in Prozessen, die über verschiedene Gebietskörperschaften gehen. Der Austausch von Daten ist hier oft extrem komplex und dauert lange. Schlankere, transparente Prozesse wären auch in Richtung E-Partizipation denkbar, also bei der Beteiligung an politischen Entscheidungsprozessen – ich denke dabei auch an Bauverhandlungen oder Umweltverträglichkeitsprüfungen. Noch weiter gedacht könnten auch Volksabstimmungen und Wahlen vollständig elektronisch abgewickelt werden. Theoretisch wäre ein Chaos, wie es bei der Bundespräsidentenwahl passiert ist, technologisch einfach verhinderbar. Da würde um 17 Uhr auch keine Hochrechnung vorliegen, sondern bereits das Endergebnis. Missbrauch und Manipulation wären durch eine geeignete technische Sicherheitsumgebung weitgehend ausgeschlossen.

(+) plus: Welche Fachkräfte sucht das BRZ derzeit?

Kaiser: Wir wollen uns in der Wertschöpfungskette weiter entwickeln, die digitale Transformation mitgestalten und unsere Kunden beraten – dazu braucht es entsprechende Skills: Prozessberater, wesentlich mehr Digital Natives in unserer Organisation, kurz gesagt: mehr Designer und weniger Operator. Hier zeigt sich das BRZ als attraktiver Arbeitgeber: Bei indirekt acht Millionen Bürgerinnen und Bürgern als Kunden bieten wir unseren Mitarbeitern Aufgaben und Gestaltungsmöglichkeiten mit großer Verantwortung. Trotzdem denken wir auch über die Nutzung von Lohnkostenvorteilen über Nearshoring im näheren EU-Umfeld nach. Wir schulden dem Steuerzahler kostenoptimale Lösungen, überdies ist es nicht möglich, sämtliche notwendigen IT-Kenntnisse unter einem Dach zu haben.

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