Samstag, November 23, 2024
Kluges Zusammenspiel für die Sicherheit
Roman Tobler ist seit zehn Jahren bei den Wiener Netzen tätig. Begonnen hat er als Demand-IT-Manager mit dem Erheben von Anforderungen im Fachbereich und Übersetzung dieser in die IT-Sprache. Seit vier Jahren hat der die Gesamtleitung der Bereiche IT und Operational Technology (OT) inne. (Fotos: Richard Pohl)

Roman Tobler, Abteilungsleiter Digitale Information und ICT Governance, Wiener Netze, im Gespräch über die Herausforderungen der Energiewende für Netzbetreiber und das neue »Smart Lab«  (Video).

Das Video zum Gespräch: https://www.youtube.com/watch?v=RGg7ue10Nmw

Report: Was ist das »Smart Lab« der Wiener Netze und warum haben Sie dieses Labor ins Leben gerufen?


Roman Tobler: Das Smart Lab bündelt Forschungsergebnisse aus unterschiedlichen Projekten und hilft unseren Mitarbeiter*innen dabei, Forschung in der Praxis umzusetzen. Wir erarbeiten im Labor gemeinsam Lösungen, um neue Technologien für das Niederspannungsnetz zum Einsatz zu bringen. Und wir wollen nicht bei dem, was wir bisher erforscht haben, stehen bleiben. Wir müssen überlegen, was in Zukunft auf uns zu kommt. Wir wollen innovativ sein und Neues entwickeln, um auch weiterhin die gewohnt hohe Versorgungssicherheit unserer Energienetze sicherstellen zu können.

Report: Warum brauchen Netzbetreiber neue Lösungen auf den untersten Netz­ebenen? Woran arbeiten Sie konkret?

Tobler: Photovoltaik-Anlagen und andere erneuerbare Erzeugungsformen speisen ins Niederspannungsnetz ein. E-Mobilität belastet ebenso das lokale Stromnetz. Hier ist es also wichtig, das Stromnetz und seine Stabilität zu stärken.

Ein Beispiel dafür ist die Applikation »grid bottle neck detection«, die Schwachstellen im Niederspannungsnetz findet und analysiert. Erkennt man eine Schwachstelle, kann man rasch und aktiv eingreifen und entsprechende Maßnahmen setzen – zum Beispiel eine Ladesäule abriegeln oder kurzfristig vom Netz nehmen.

Ein anderes Beispiel für ein Werkzeug, das uns hilft, ist die Trafostationsprognose: Hier wird der Stromverbrauch von Kund*innen aufgrund von Verbrauchsmessungen und zusätzlichen Werten wie Wetterdaten prognostiziert. Daraus kann der Bedarf notwendiger Kapazitäten im Netz abgeleitet werden.
 
Report: Die Energie- und Verkehrswende im Blickpunkt: Was ändert sich für das Stromnetz in den nächsten Jahren?

Tobler: Die Energiewende bedeutet, dass nicht wie früher von oben – dem Kraftwerk – beginnend die Energie nach unten zu den Verbraucher*innen verteilt wird, sondern Strom von unterschiedlichen Erzeugern auf verschiedenen Spannungsebenen eingespeist wird. Das kann eine große Photovoltaikanlage sein, ein Windpark oder auch eine kleine Anlage von einem Privathaushalt, der überschüssigen Strom einspeisen will. Außerdem entstehen durch die wachsenden Ladeinfrastrukturen für E-Mobilität Spitzenlasten in den Trafostationen, da vor allem bei schnellem Laden von E-Autos große Energiemengen in kurzer Zeit abgerufen werden. Wir bereiten uns jetzt darauf vor, mit diesen großen Herausforderungen umzugehen.

Report: Was heißt das für Infrastrukturbetreiber wie die Wiener Netze?

Tobler: Es bedeutet, wir müssen Leistung in sehr kurzer Zeit bereitstellen können: Entweder über mehr Kapazitäten oder durch aktives Koordinieren der Netzteilnehmer*innen über Informations- und Kommunikationstechnologie.

Report: Bedeutet das für Wien und Umgebung den Ausbau der Kupferplatte oder eher der Weg smarter Ladelösungen?

Tobler: Es geht in jedem Fall in Richtung smartes Laden. Die Netzbetreiber müssen Ladevorgänge koordinieren und zeitlich regeln dürfen. Wichtig dabei ist, hier die Kund*innen und Verbraucher*innen zu involvieren und ihre Wünsche und Bedürfnisse zu berücksichtigen. Ein Fahrzeug innerhalb von zwei Minuten vollzutanken, wie wir das beim Verbrennungsmotor gewohnt sind, ist bei Elektromotoren nicht möglich – und hinsichtlich der Speichertechnologien auch gar nicht sinnvoll.

Report: Kann man sich als Netzbetreiber auf den »Worst Case« eines Ausfalls von technischen Systemen vorbereiten? In welcher Weise geschieht das?

Tobler: Ja, das kann man. Das Smart Lab ist ein gutes Beispiel dafür, dass sich die Wiener Netze auf alles Mögliche vorbereiten. Wir können hier Versorgungsunterbrechungen und unterschiedliche Situationen trainieren. Wir spielen Ernstfälle im geschützten Raum durch. Welche Maßnahmen müssen wir treffen, wenn ein überregionaler Stromausfall droht? Wir haben in unserem Smart Lab einen kompletten Leitstand mit einer Großanzeige aufgebaut – im Hintergrund simuliert ein Teil unserer Mannschaft Störungen mit negativen Auswirkungen auf das Stromnetz oder andere Energienetze. Und das Team, das gerade dran ist, übt den Ernstfall.

Neben der Erfahrung und dem Know-how unserer Mitarbeiter*innen brauchen wir für die Ausfallsicherheit auch verstärkt IKT-Systeme. Wir müssen etwa gegen Cyberattacken gewappnet sein. Durch regelmäßige Trainings und Weiterbildungen üben wir, Angriffe frühzeitig zu erkennen und zu minimieren. Wir gewährleisten Versorgungssicherheit durch das kluge Zusammenspiel von Elektrotechnik und Informationstechnik. Und natürlich durch unser erfahrenes Team: Wir sind wachsam und vorbereitet!



Über das Unternehmen


Die Wiener Netze sind Österreichs größter Kombinetzbetreiber mit mehr als zwei Millionen Kund*innen in Wien, Teilen Niederösterreichs und des Burgenlands für Strom, Gas, Fernwärme und Telekommunikation. Investitionen von mehr als 300 Millionen Euro jährlich fließen in die Instandhaltung und den Ausbau der Netze. Vor fünf Jahren wurden die Unternehmenseinheiten der Wiener Netze (vormals Wien Energie Gasnetz, Wien Energie Stromnetz und Teile der Fernwärme Wien) am heutigen Standort in Wien-Simmering zusammengelegt. 2.400 Mitarbeiter*innen sind hier tätig – darunter auch im Forschungsbereich »Smart Lab«, wo neue Lösungen erprobt und Maßnahmen für die Netzsicherheit trainiert werden. Das Ziel ist, die höchstmögliche Versorgungssicherheit für das größte Ballungszentrum Österreichs stets zu gewährleisten.



Bild: Roman Tobler im Gespräch mit Martin Szelgrad, Chefredakteur Energie Report.


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