»Ideologische Materialentscheidungen« sollten der Vergangenheit angehören, meint Bernd Höfferl, Holzbauexperte bei proHolz Austria, und plädiert für engere Kooperation aller Fachbereiche.
Report: Welche Perspektiven sehen Sie für den mehrgeschoßigen Holzbau?
Bernd Höfferl: Der mehrgeschoßige Holzbau hat aus mehreren Gründen enormes Potenzial. Wir werden in allen Bereichen wirksame Maßnahmen für Dekarbonisierung und Kreislaufwirtschaft setzen müssen. Dass Holz nachwächst, ist nicht bloß ein Schlagwort: Der Bedarf an qualitativ hochwertigem Wohnraum steigt. Gleichzeitig bekommt die Effizienz bei der Errichtung von Gebäuden hohe Priorität, weil uns die Facharbeiter in Menge und Qualifikation ausgehen. Ergonomischere Abläufe und Unterstützung durch Automatisierung und Standardisierung von Details – nicht von ganzen Gebäuden – werden bei Werksfertigung einfacher möglich sein als unmittelbar auf der Baustelle.
Report: Ist eine Umgestaltung der Bauprozesse erforderlich?
Höfferl: Die Baustelle wird zur »Zusammenbaustelle« werden – exakte Planungs- und Produktionsmethoden ermöglichen andere Arbeitsweisen, weil Bauteile so ausgeführt werden, wie sie geplant wurden und nicht jedes Gewerk das »Naturmaß« vom Ausführenden davor nehmen muss. Es wird in Zukunft auch nicht um ideologische Materialentscheidungen gehen, sondern wir müssen einen Gesamtblick für die Anforderungen entwickeln. Wir brauchen ein sinnvolles Miteinander. Wenn die hoch beanspruchten Stützen in den unteren Geschoßen besser aus Betonfertigteilen ausgeführt werden, darf das keine kritischen Diskussionen auslösen. Das Zauberwort lautet Kooperation. Wir werden integrales Planen und Ausführen lernen müssen.
Report: Wo liegen die Hemmnisse?
Höfferl: »The second mouse gets the cheese« – daher will niemand so gern die erste Maus sein. Es ist klar, dass sich der erhöhte Aufwand für eine Baustelle wirtschaftlich nicht lohnt. Aber wenn man einen Schritt weiterkommen möchte, muss man das Gewohnheitstier, das vor jeder Bürotür und jedem Baucontainer Wache hält, ein wenig verscheuchen. Aktuell schreiben wir jedes Gewerk aus und aus der Kombination der Bestbieter – um nicht zu sagen Billigstbieter – entsteht dann vielleicht das günstigste Gebäude. Wenn es für Fahrzeuge jeden Monat andere, billigere Lichtmaschinen, Getriebe und Karrosserieteile gäbe, würden wir vermutlich nur noch mit dem Rad fahren. Das heißt nicht, dass es dort keinen Wettbewerb gibt, aber es gibt zusätzlich längerfristige Kooperationen und eine kontinuierliche Entwicklung.
Report: In welchen Bereichen sind Weiterentwicklungen möglich?
Höfferl: Das Gute ist, dass wir an mehreren Ecken anfangen können. Für Gebäude mit sechs Geschoßen ist im Holzbau alles angerichtet. Es gibt die kompetenten Planer, die erfahrenen Hersteller und ausführenden Firmen. Aktuell wird unser weltweit führendes Know-how in diesem Bereich exportiert – wir sollten es auch vor der eigenen Haustüre nützen. Holzbau ist nichts Exotisches mehr.