Gedanken zur Digitalisierung des Energiesystems – angefangen bei Smart Meter über intelligentes Energiemanagement bis hin zu Kraftwerk-Pooling und neuen Anwendungen auf Basis der Blockchain.
Gastkommentar von Michael Strebl, Geschäftsführer Wien Energie
Der Erfolg von Klimaschutz wird sich in den Städten entscheiden. Die Ballungsräume sind für knapp 80 % der CO2-Emissionen verantwortlich, hier werden in wenigen Jahren zwei Drittel aller Menschen leben. Um die Klimaneutralität 2040 zu erreichen, sind Maßnahmen gefragt, die nachhaltige Energieerzeugung und Versorgungssicherheit für Millionenmetropolen wie Wien in Einklang bringen. Mit dem Green Deal der europäischen Kommission wurde der Rahmen dafür auf politischer Ebene gesetzt. Die Umsetzung wird eine gemeinsame Kraftanstrengung für Energiedienstleister, Industrie, Wirtschaft und Politik bedeuten. Forschung und innovative Konzepte wie der Ausbau von Energiegemeinschaften werden wesentlicher Teil der Lösung sein.
Das »Clean Energy Package« etwa bildet die Grundlage, damit Bürgerinnen und Bürger aktiv an der Energiewende teilnehmen können. Eine niederländische Studie des Consulting-Unternehmens CE Delft prognostiziert, dass bis 2050 83 % der europäischen Haushalte eine aktive Rolle im Energiebereich spielen werden – durch flexibles Lastmanagement, Speicherung oder Produktion. Die Digitalisierung des Energiesystems von Smart Meter über intelligentes Energiemanagement bis zu Kraftwerk-Pooling und Blockchain-Anwendungen spielen dabei eine wichtige Rolle.
Wien Energie hat mit dem Viertel Zwei bereits im Vorjahr eine der ersten Energiegemeinschaften Europas aufgebaut. Ziel ist es, langfristig einen beträchtlichen Teil des Stroms für ganze Stadtteile autark zu generieren. Im Viertel Zwei wird der Strom über eine Photovoltaikanlage erzeugt. Dieser Sonnenstrom wird je nach Bedarf unter den Bewohnern aufgeteilt. Wenn keiner den Strom nutzt, kann die Energie in der Gemeinschaft gehandelt, im Quartierspeicher gespeichert oder auch für Stromtankstellen im Quartier verwendet werden. Mit Hilfe von neuen Technologien wie Blockchain funktioniert das vollautomatisch und nach ökonomischen Kriterien.
In diesem Zusammenhang wird im urbanen Raum der Ausbau der Photovoltaik weiter vorangetrieben. Das Interesse für saubere Erzeugung vom eigenen Dach ist im vergangenen Jahr von Konsumentenseite stark gestiegen. Mit der Ausweitung der Möglichkeiten etwa durch die Schaffung neuer lokaler Energiegemeinschaften wird das Thema Sonnenstrom noch mehr an Bedeutung gewinnen.
Die Notwendigkeit, CO2 in den nächsten Jahren drastisch zu reduzieren, bestimmt maßgeblich die nahe und ferne Zukunft. Der größte Hebel liegt in der Mobilität. Der motorisierte Verkehr zählt etwa in Wien mit über 40 % zu den Hauptverursachern von Treibhausgasen und Luftverschmutzung. Um hier Auswege zu finden, bietet Elektromobilität die derzeit vielversprechendste Perspektive. Die Ökologisierung der Stromerzeugung in Kombination mit dem Ausbau der Stromtankstellen sind daher ein Gebot der Stunde.
Die Energiebranche ist hier mit der Infrastruktur sichtbar in Vorleistung gegangen und wird auch dieses Jahr Akzente setzen. Damit E-Mobilität aus erneuerbaren Energien noch alltagstauglicher werden kann, muss jedoch auch die private Ladeinfrastruktur ausgebaut werden. Dabei müssen existierende rechtliche Hürden im Wohnrecht rasch beseitigt werden.
Die Vernetzung der unterschiedlichen Sektoren wie der Mobilität mit Energie oder auch die Möglichkeit neuer Energiegemeinschaften öffnen den Energiemarkt für gänzlich neue Teilnehmer. Der Wettbewerb wird sich weiter verschärfen.
In diesem Spannungsfeld müssen sich Energiedienstleister mit innovativen Lösungen präsentieren und gleichzeitig Versorgungssicherheit gewährleisten. Eine immer stärkere Vernetzung findet dabei nicht nur im Energiesystem an sich statt, sondern auch in den Unternehmen. Kooperationen mit großen Partnern und sektorübergreifende Angebote schaffen einen Mehrwert über die reine Energielieferung hinaus. Um Energie- und Mobilitätssysteme insbesondere in Städten zukunftsfit und klimaverträglich zu machen, sind alle gefordert. Wirtschaft, Industrie, Forschung und Politik – das geht nur gemeinsam.