Seit Mai ist Bernd Rießland, Generaldirektor-Stellvertreter der Sozialbau AG, neuer Obmann des Verbands der gemeinnützigen Bauvereinigungen Österreichs. Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report erklärt er, mit welchen Maßnahmen er das Bauen billiger machen will, wie er zur Novelle des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes steht und was er vom Ende der Wohnbauinvestitionsbank hält. Außerdem lässt er mit einem Vorschlag aufhorchen, wie die Bundesländer in der Wohnbaufinanzierung von der guten Bonität der gemeinnützigen Bauvereinigungen profitieren können.
Report: Sie haben im Mai die Nachfolge von Karl Wurm angetreten, der 27 Jahre an der Spitze des Verbands gemeinnütziger Bauvereinigungen stand. Als wie groß empfinden Sie die Fußstapfen?
Bernd Rießland: Das war ein sehr gemeinschaftlich organisierter Übergang. Ich habe mit Karl Wurm über viele Jahre hinweg in verschiedenen Positionen hervorragend zusammengearbeitet. Wir denken da nicht in Schuhgrößen. Denn gerade in strategischen Fragen haben wir uns immer gut abgestimmt und an einem Strang gezogen. Das ist ein sanfter Generationenwechsel. Sanft auch deswegen, weil ich ja auch nicht mehr der Jüngste bin (lacht).
Report: Karl Wurm hat seinen Schwerpunkt naturgemäß auf dem Thema Leistbares Wohnen gehabt und dabei vor allem die Normenflut und den vermeintlichen Qualitätshype ins Visier genommen. Wo werden Sie Ihre inhaltlichen Schwerpunkte setzen?
Rießland: Der Kernauftrag unserer Unternehmungen ist es, den Menschen leistbare Wohnungen zur Verfügung zu stellen. Ich bin auch jederzeit dafür zu haben, im Normenbereich die eine oder andere Skurrilität zu beseitigen.
Unser Ziel war immer ein ordentlicher, hochqualitativer Wohnbau. Das soll und wird auch so bleiben. Wir werden die Preisfrage nicht lösen, indem wir nur noch Container bauen, in denen die Leute dann wohnen sollen. Viel wichtiger erscheint mir hier der Dialog mit der Bauwirtschaft, um neue Technologien sinnvoll zu nutzen. Neu bedeutet nicht teurer. Im Gegenteil, Innovation ist der Grund dafür, dass Produkte billiger werden. Denken Sie an Computer oder Handys. Da hat sich die Leistungsfähigkeit vervielfacht und der Preis ist dramatisch gesunken.
Report: An welche Technologien denken Sie dabei?
Rießland: Wir arbeiten gerade an einer Kombination von BIM und industrialisiertem Bauen. Wir haben in Österreich eine lange Tradition des Dialogs. Deshalb glaube ich auch, dass wir gemeinsam mit der bauausführenden und produzierenden Industrie hier große Schritte machen können. Es gibt ja auch schon erste Erfolge: In der Berresgasse in Wien arbeiten drei Gemeinnützige an einem gemeinsamen großen Projekt. Da wird BIM zur Projektverfolgung und Projektdokumentation eingesetzt und auch als Instrument zur Lebenszykluskostenoptimierung.
Die Zusammenführung unseres Wissens mit dem Know-how von Planern und Ausführenden ist dabei ein wesentlicher ErfolgsfaktorReport: Sie haben jetzt mehrmals den Dialog angesprochen. Wie würden Sie aktuell das Verhältnis zu den Baufirmen beschreiben? Man hört ja auch viele Klagen über steigende Preise und fehlende Angebote aufgrund der hohen Auslastung.
Rießland: Die hohe Auslastung freut uns für die Baufirmen. Aber natürlich hat eine hohe Auslastung Auswirkungen auf die Preise. Aber das Verhältnis zu den Unternehmen erlebe ich als sehr korrekt, sowohl auf Verbands- als auch auf Unternehmensebene. Natürlich kämpfen wir um Preise. Der eine will mehr verdienen, der andere weniger zahlen. So ist das im Leben. Aber auch dieses Thema wird im Dialog ausgetragen. Davon werden wir auch nicht abgehen.
Aber natürlich sind die Angebote deutlich weniger geworden. Früher gab es neun oder zehn Angebote, heute werden die Ausschreibungen nicht abgeholt. Das ist ein Faktum. Und wenn wir versuchen, Firmen aus Regionen mit geringerer Auslastung einzubinden, löst das auch nicht immer Freude aus.
Report: Unmittelbar vor der Nationalratswahl heften sich wieder alle Parteien das Thema Wohnen auf die Fahnen. Wenn Sie auf die letzten Jahre blicke: Wie bewerten Sie den Umgang der Parteien mit dem Thema abseits von Wahlkampfauseinandersetzungen?
Rießland: Die Wohnungspolitik spielt sich immer zuerst auf Gemeindeebene ab, die Bürgermeister spüren Entwicklungen zuerst, egal ob im städtischen oder ländlichen Bereich. Diese im direkten Kontakt mit der Bevölkerung stehenden Politiker bringen die Themen in die Parteien ein. Deshalb ist Wohnen heute zum Glück nicht mehr nur vor Wahlen aktuell, lediglich die Sprache, mit welchen Konzepten man den Herausforderungen begegnet, wird etwas pointierter.
Report: Die Wohnbauförderung ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Wenn Sie sich das Beste aus einzelnen Ländern rauspicken könnten, wie würde »Ihre« Wohnbauförderung aussehen?
Rießland: Ich bin kein Freund von Heilslehren und perfekten Systemen, weil das meist sehr wirklichkeitsfremd ist. Die regionalen Bedürfnisse sind sehr unterschiedlich. Natürlich kann die Verländerung zu einer Unübersichtlichkeit führen, aber auch zu regional adäquaten Antworten.
Report: Wozu hat es aus Ihrer Sicht geführt?
Rießland: Es ist überraschend wie unterschiedlich die Ansätze sind. Das hat jetzt aber wenig Auswirkungen auf uns, das betrifft eher den Bereich der Finanzierung. Alle Instrumente werden zur Mietstabilisierung eingesetzt, auf unterschiedliche Weise mit unterschiedlichen Budgeteffekten. Wir werden den Ländern auch keine diesbezüglichen Ratschläge erteilen. Was wir aber schon tun können, ist den Ländern die Finanzierungskraft, die der gemeinnützige Sektor aufgebaut hat, zur Nutzung anzubieten.
Report: Inwiefern?
Rießland: In den ersten Jahren der Gemeinnützigkeit verfügten die Bauvereinigungen über praktisch kein Kapital. Da war die Wohnbauförderung eine der wenigen Möglichkeiten überhaupt, um Wohnbau zu finanzieren. In diesen ursprünglichen Fördersystemen wurden bis zu 100 %
von der öffentlichen Hand finanziert. Mittlerweile sind wir aber stärker und ein sicherer Partner für die Ländern. Gleichzeitig wurden den Ländern Regelungen wie die Maastricht-Kriterien übergestülpt.
Da ist in den letzten Jahrzehnten eine ganz andere Budgetkultur entstanden. Deshalb will ich in Zukunft den Ländern aktiv anbieten, unsere Bonität zu nutzen, um ihre Maastricht-Sorgen zu lindern. Wir könnten Schulden aufnehmen und die Länder übernehmen die Garantie, die wird aufgrund unserer Bonität nie schlagend. Diese Form der Finanzierung gab es auch früher, da waren die Garantien materiell relevant, heute ist das nur ein formeller Akt.
Report: Dieses Modell erinnert sehr stark an die lange geplante Wohnbauinvestitionsbank WBIB, die letztes Jahr völlig überraschend von der damals neuen Regierung zu Grabe getragen wurde. Jetzt hat Niederösterreich im Alleingang ein ähnliches Modell gestartet. Wie bewerten Sie das niederösterreichische Modell und sollte es aus Ihrer Sicht Schule machen?
Rießland: Ich war sehr aktiv in die Vorbereitung der WBIB involviert. Dieses Instrument hätte genau dort angesetzt, was ich eben ausgeführt habe. Deshalb war es für mich auch unverständlich, dass man diese Möglichkeit ausschlägt und die bereits zugesagten 500 Millionen Euro der europäischen Investitionsbank einfach an Österreich vorbeiziehen lässt. Aber wenn es auf Bundesebene nicht funktioniert, ist es absolut begrüßenswert, dass jetzt einzelne Länder diesen Weg gehen.
Report: Wie bewerten Sie die Novelle des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz, die noch vor dem Sommer beschlossen werden soll?
Rießland: Wir haben uns klar für diese Novelle ausgesprochen.Ganz wichtig ist die Sicherung des Kapitals. Dafür sind in der Novelle sehr effiziente Regelungen enthalten, die auch von allen Seiten sehr positiv eingeschätzt werden. Dazu wurden weitere kleinere Anpassungen vorgenommen, die auch konsensual mit uns erarbeitet wurden. Da wurde der Dialog auch seitens der Politik gesucht, wofür ich mich explizit bedanken möchte.
Natürlich gibt es auch politisch-ideologisch motivierte Maßnahmen. Das ist auch eine Frage des Marketings. Wir sehen das aber nüchtern. Wir sind keine Ideologen. Wir wollen unter rationalen Rahmenbedingungen Wohnungen bauen. Dass wir die Probleme am Mietsektor nicht mit Eigentumswohnungen lösen, ist aber klar. Und in der Frage der Vergabe ist es uns ganz wichtig, dass wir kein »housing for the poor« produzieren.
Es ist wohnungspolitisch, gesellschaftspolitisch und auch budgetpolitisch falsch, auf der einen Seite einen Billigstwohnbau zu haben und daneben einen Wohnbau für den oberen Mittelstand. Da hat Österreich eine andere Tradition. Das ist auch niemandem entgangen, wie die zahlreichen internationalen Delegationen zeigen, die sich für diesen österreichischen Weg interessieren. Länder wie Deutschland, Schweden oder die Niederlande waren die eigentlichen Erfinder des Systems, das heute in Österreich erfolgreich ist. In einer Verblendung der Wettbewerbspolitik haben diese Länder dann aber andere Wege beschritten. Und jetzt müssen sie halt schauen, wie das bei uns funktioniert (lacht).