Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report erklärt Habau-Group-CEO Hubert Wetschnig, welche Rolle die Kunden bei der Produktivitätssteigerung spielen, wie er sich eine Baustelle in zehn Jahren vorstellt und warum er die Kritik öffentlicher Auftraggeber an zu hohen Baupreisen nicht nachvollziehen kann. Und als ehemaliger Strabag- und Porr-Manager spricht er auch über die unterschiedlichen Kulturen der drei Unternehmen.
Report: Sie leiten seit etwas mehr als eineinhalb Jahren die Geschicke der Habau, eine Zeit, die geprägt ist von Hochkonjunktur und Bauboom. Es gibt vermutlich schlimmere Zeiten, um ein Bauunternehmen zu führen. Wie fällt Ihr erstes Fazit über Ihre Tätigkeit aus?
Hubert Wetschnig: Sehr positiv. Wenn man ein Unternehmen übernimmt, stellt sich immer die Frage, wie schnell man Fuß fasst, wie schnell man zu den Führungskräften durchdringt und die einzelnen Bereiche des Unternehmens kennenlernt. Und das ist mir mit wirklich großer Unterstützung meines Vorgängers sehr gut und rasch gelungen.
Die Zeit war auch sehr spannend. Ich bin von außen gekommen und konnte viele Strukturen und Abläufe unvoreingenommen hinterfragen und daraus resultierend auch bereits einige Veränderung umsetzen.
Das Unternehmen ist in kurzer Zeit stark gewachsen, in knapp 20 Jahren von unter 100 Millionen Euro Umsatz auf 1,4 Milliarden Euro. In diesem Zeitraum sind auch viele Töchter hinzukommen. Diese Integration ist sehr spannend, vom einer Vereinheitlichung des externen Auftritts bis zum internen Informationsfluss. Hier konnte ich meine Erfahrung und mein Wissen über Standardisierungen und Strukturen, die ich in anderen Unternehmen gesammelt habe, einbringen.
Report: Was sind in diesem freundlichen Umfeld die zentralen Herausforderungen?
Wetschnig: Die Themen, die die Branche beschäftigen, sind auch unsere zentralen Themen. Ganz oben steht der Facharbeitermangel. Da unternehmen wir große Anstrengungen, um die besten Mitarbeiter für uns zu gewinnen. Aber natürlich stehen wir da in einem harten Wettstreit mit Mitbewerbern und anderen Industrieunternehmen. Allerdings haben wir ein Alleinstellungsmerkmal, das uns in Österreich einzigartig macht. Von der Firmengröße gehören wir zu den Konzernen, sind aber ein Familienunternehmen.
Report: Wie spürt das der umworbene Facharbeiter?
Wetschnig: Die Eigentümer sind präsent und bei vielen Veranstaltungen mit dabei. Das wird von den Mitarbeitern geschätzt. Ich hatte erst kürzlich einige Ehrungen zu 45 Jahren Betriebszugehörigkeit. Das ist in der heutigen Zeit schon sehr ungewöhnlich. Wir haben auch viele Mitarbeiter, die schon in zweiter, dritter Generation bei uns arbeiten. Unsere Kommunikation ist aufgrund dieser Strukturen eine sehr offene, direkte.
Report: Was beschäftigt Sie neben dem Facharbeitermangel?
Wetschnig: Ein wichtiges Thema ist natürlich die Digitalisierung. Digitale Lösungen helfen uns, die Transparenz in allen Bereichen zu steigern. Das ist sehr wichtig. Mein Büro hat ganz bewusst gläserne Wände. Damit will ich auch ein Zeichen setzen.
Aber natürlich geht es auch um eine Vereinfachung der Prozesse und eine Effizienzsteigerung. Der Einsatz von Tablets auf der Baustelle ist vielleicht noch nicht Standard, setzt sich aber immer mehr durch. Dazu kommt das Wissensmanagement. Die Frage, wie man das Wissen jedes einzelnen Mitarbeiters der Habau Group für das Unternehmen zugänglich und nutzbar machen kann, ist essentiell. Auch die Produktivitätssteigerung, Claim Management und BIM zählen zu den zentralen Herausforderungen.
Report: Beim Thema Digitalisierung kommt man an BIM nicht vorbei. Ist Habau BIM-fit?
Wetschnig: Als ich bei Habau begonnen habe, waren wir in der BIM-Kompetenz praktisch bei Null. Heute sind wir entsprechend der Firmengröße top aufgestellt. Wir haben mittlerweile einige Projekte, wo wir von der Planungs- über die Umsetzungsphase bis zur Kalkulation und Abrechnung die BIM-Modelle wirklich leben, etwa bei einem großen PPP-Projekt in Berlin. Dazu kommen in Österreich das Projekt Rinterzelt für die Wiener Kommunal-Umweltschutzprojektgesellschaft und der Bruckner Tower in Linz, wo wir alle Möglichkeiten des BIM-Modells für die Abrechnungen und Kalkulation nutzen. Unsere BIM-Fähigkeit war auch schon für die eine oder andere Auftragserteilung ausschlaggebend. Und auch bei einem Auftrag, den wir leider nicht gewonnen haben, wurde unserem BIM-Modell die höchste Qualität attestiert. Da ist es leider am Preis gescheitert.
Report: Die positive Konjunktur hat auch Schattenseiten. Kritiker warnen etwa vor einer Marktüberhitzung. Wichtige Auftraggeber wie die ÖBB oder auch die Wiener Linien haben Ausschreibungen schon gestoppt, weil sie zu wenig Angebote bekommen und die Preise zu hoch seien. Wie schätzen Sie die Situation ein? Lassen sich die Margen aktuell verbessern?
Wetschnig: Da muss man stark zwischen Hoch- und Tiefbau unterschieden. Ein Hochbauprojekt in Wien ist aktuell für den Endkunden sicher um bis zu zehn Prozent teurer als vor zwei Jahren. Bei uns als Generalunternehmer kommt davon aber nur ein Bruchteil an. Ja, wir können unsere Margen verbessern, aber im Zehntel-Prozent-Bereich. Wir kämpfen mit der gesamten Lieferkette, sämtliche Professionisten sind derart ausgelastet, dass wir sogar Großprojekte, wo wir dachten, dass uns die Türen eingerannt werden von den Professionisten, teilen müssen, damit wir überhaupt noch Angebote bekommen. Preisverhandlungen gibt es teilweise gar nicht mehr. Die Professionisten befinden sich aktuell in einer starken Position und das wissen sie auch. Das führt zu Kostensteigerungen für uns von 20, 25 Prozent. Deshalb beschäftigen wir auch sehr intensiv damit, die eigene Wertschöpfungskette zu vertiefen, etwa mit Fassaden- oder Haustechnikfirmen. Aber da muss alles passen, regional und preislich.
Report: Und im Tiefbau?
Wetschnig: Da ist die Situation eine andere. Die Einschätzung der Wiener Linien für die neuen U-Bahnlose kann ich nicht nachvollziehen. Wir haben uns sehr um das Projekt bemüht, um für unsere Mitarbeiter auch einmal ein Tunnelprojekt in Österreich umzusetzen. Vielleicht gab es einen leichten Gewinnaufschlag, aber nicht in dem von den Wiener Linien kolportierten Ausmaß von 15 bis 20 Prozent über den Erwartungen.
Report: Ein wichtiges Thema der Branche ist die Produktivität oder besser die mangelnde Produktivität. Wie wollen Sie die Produktivität bei Habau steigern?
Wetschnig: Für Habau gilt, was für die gesamte Branche gilt. Die Produktivität können wir nur über die Prozesse steigern. Das geht nur, wenn man auch den Kunden in die Planung miteinbezieht. Dieser Mehrwert, dass man möglichst ungestört ein bestmöglich geplantes Projekt umsetzt, kommt ja nicht nur dem Bauunternehmen, sondern auch dem Auftraggeber zugute. Daran arbeiten wir derzeit sehr intensiv.
Wir arbeiten bei einzelnen Projekten auch nach dem LEAN-Management-Ansatz, mit dem Ziel von absolut strukturierten Prozessen. Nur so können Produktivitätssteigerungen erreicht werden.
Wir analysieren auch gerade unsere internen Prozesse im Sinne des Qualitätsmanagements. Mit diesem integrierten Managementsystemen hinterfragen wir alle Prozesse im Unternehmen.
Report: Welche Rolle spielt die Vorfertigung zur Produktivitätssteigerung?
Wetschnig: Das wird weiter zunehmen. Wir investieren hier auch ganz bewusst, etwa im Betonfertigteilbereich, wo wir heute noch nicht alle Segmente abdecken. Die Vorfertigung ist nicht aufzuhalten. In zehn bis 15 Jahren werden wir mit deutlich weniger Leuten dieselbe Bauleistung erzielen. Die Generation Y legt deutlich mehr Wert auf die Work-Life-Balance, als das in der Vergangenheit der Fall war. Dafür muss man Projekte möglichst störungsfrei und effizient umsetzen.
Report: Wie wird denn die Baustelle in zehn Jahren aussehen?
Wetschnig: Deutlich strukturierter als heute. Die Logistik wird deutlich effektiver sein. Mithilfe der Blockchain-Technologie werden wir automatisiert ganz exakt nachvollziehen können, wo welche Produkte eingebaut sind. Wir werden mit deutlich weniger Papier arbeiten, wenn auch nicht papierlos. Auch die Mitarbeiter werden weniger sein, aber es wird keine menschenlose Baustelle sein, wo nur noch Roboter arbeiten.
Report: Die Habau hat mittlerweile zahlreiche Töchterunternehmen wie Held & Francke, MCE oder Östu-Stettin, die aber weitgehend eigenständig auftreten. Gibt es Bestrebungen, die Unternehmen enger zusammenzuführen?
Wetschnig: Es gibt Überlegungen, dass die Unternehmen noch stärker unter dem Dach der Habau Group auftreten. Die Logos der einzelnen Unternehmen werden auf jeden Fall erhalten bleiben, aber immer in Kombination mit dem übergeordneten Logo der Habau Group. Das reicht vom Baustellencontainer bis zu Weihnachtskarten. Aber eine Eingliederung ist nicht geplant. Dafür sind die Unternehmen mit ihren Marken zu bekannt und zu erfolgreich. Aber natürlich wollen und werden wir Synergien nutzen.
Es treten auch immer wieder Firmen an uns heran, die Interesse haben, von der Habau übernommen zu werden, etwa wenn die Nachfolgeregelung ungeklärt ist. Das liegt auch daran, dass diese Unternehmen wissen, dass sie dann zwar Teil der Habau Group sind, aber weiterhin eigenständig am Markt agieren können.
Report: Seit März 2016 gilt in Österreich das verpflichtende Bestbieterprinzip bei öffentlichen Bauaufträgen. Eine aktuelle Erhebung des Bau & Immobilien Report hat gezeigt, dass dennoch fast immer der billigste Anbieter den Zuschlag bekommt und es nur selten zu einer Umreihung kommt. Welche Erfahrungen haben Sie mit dem Bestbieterprinzip gemacht?
Wetschnig: Dieses Ergebnis deckt sich mit meinen Erfahrungen. Umreihungen sind sehr selten. Das Wichtigste wären aus meiner Sicht Präqualifikationsverfahren, wo Firmen geprüft werden und sie die Eignung für einen Auftrag nachweisen müssen. Es ist nicht nachvollziehbar, dass Firmen Aufträge bekommen, die ihren Jahresumsatz übersteigen. Das kann nicht gut gehen. Ein Einzelauftrag sollte niemals mehr als 20 Prozent eines Jahresumsatzes ausmachen.
Report: War die Habau Group schon von Umreihungen durch das Bestbieterprinzip betroffen?
Wetschnig: Nein, weder in die eine noch in die andere Richtung. Dafür sind die Qualitätskriterien zu gering gewichtet oder so gewählt, dass sie von jedem größeren Unternehmen erfüllt werden. Damit sind die Auftraggeber zwar auf der rechtlich sicheren Seite, im Sinne des Erfinders ist es aber nicht.
Report: Sie waren bei Strabag, bei der Porr, jetzt bei Habau. Sie kennen drei der vier großen Bauunternehmen sehr gut. Wo liegen in Sachen Unternehmenskultur die größten Unterschiede?
Wetschnig: Das ist leicht zu beantworten. Der große Unterschied ist, dass wir ein Familienunternehmen sind und keine Aktiengesellschaft. Das spürt man in der Kultur. Bei uns herrscht eine Wertschätzung im Haus, die Leute arbeiten gerne bei Habau. Zur Strabag bin ich durch eine Übernahme gekommen. Das war ein anonymes Großes. Die Porr hat einen großen Veränderungsprozess durchgemacht. Die Porr, die ich 2004 kennengelernt habe, ist nicht die Porr, die ich 2016 verlassen habe. Die Porr ist ein großes Unternehmen mit laufenden Veränderungen. Das sage ich absolut wertfrei. Und natürlich sind die beiden Unternehmen deutlich internationaler aufgestellt als Habau. Unser Schwerpunkt liegt im DACH-Bereich, speziell Österreich und Deutschland. Das wird sich in absehbarer Zeit auch nicht ändern.