Ulrike Baumgartner-Gabitzer, bis Ende 2018 Vorstandsvorsitzende der Austrian Power Grid, über die Herausforderungen für die Übertragungsnetzbetreiber und ihre Erfahrungen in der E-Wirtschaft.
Report: Wie ist 2018 für die APG gelaufen?
Baumgartner-Gabitzer: Es war ein herausforderndes Jahr. Wegen der schlechten Wasserführung mussten wir ähnlich häufig in die Netzsteuerung eingreifen wie 2017. Unter anderem in diesem Zusammenhang standen die letztlich erfolgreichen, aber nicht einfachen Verhandlungen mit den Kraftwerksbetreibern über mehrjähre Verträge zum Vorhalten ihrer Anlagen. Außerdem galt es, die Kapazitätsbewirtschaftung auf den österreichisch-deutschen Stromtransversalen zu bewältigen. Viel Energie haben wir wieder in das Projekt Salzburgleitung investiert und in Hinblick auf das überlange Genehmigungsverfahren per 11. Dezember 2018 einen Fristsetzungsantrag an das Bundesverwaltungsgericht eingereicht.
Es gab aber auch sehr positive Ereignisse: Die Weinviertelleitung wurde genehmigt. Die Bundesregierung setzte einige wichtige Initiativen zur Beschleunigung der Genehmigungsverfahren, etwa die UVP-Novelle und das Standortentwicklungsgesetz. Auch die Klima- und Energiestrategie »Mission 2030« war wichtig. Jetzt wissen wir, wohin der politische Wille geht. Wir unterstützen das, fordern aber gleichzeitig den damit verbundenen verstärkten Netzausbau.
Report: Sie sind seit Anfang 2014 Vorstandsvorsitzende der APG. Was hat sich in den vergangenen vier Jahren für die Übertragungsnetzbetreiber (TSOs) verändert? Beispielsweise erfolgte der starke Ausbau der erneuerbaren Energien, die Volumina im kurzfristigen Handel nahmen zu, die Framework Guidelines und Network Codes für das Netzmanagement wurden vorangetrieben ...
Baumgartner-Gabitzer: Die Entwicklung geht eindeutig in Richtung kurzfristiger Handel. Unsere Aufgabe ist weiterhin das Managen des vorhandenen Kraftwerksparks, damit die Stromversorgung funktioniert. Die Energiewende stellt die TSOs europaweit vor große Herausforderungen. In Belgien gibt es derzeit große Probleme mit den Atomkraftwerken, in Frankreich ebenfalls. Deutschland kämpft mit seinen Leitungsvorhaben und hat jetzt den Kohleausstieg verschoben. Die Kapazitätsbewirtschaftung auf den österreichisch-deutschen Leitungen hat hierzulande gewisse Verteuerungen mit sich gebracht. Auf der anderen Seite ist etwas mehr Kostenwahrheit da.
Report: Zur Salzburgleitung: Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ist immer noch im Gang. Es gibt von Gegnern den Antrag, die Genehmigung 1. Instanz zu kassieren, weil die UVP angeblich unter unrichtiger Auslegung des Gesetzes – Stichwort Trassenaufhieb versus Rodung – durchgeführt wurde. Ihr Kommentar?
Baumgartner-Gabitzer: Wir sehen das anders. In einem vollständigen UVP-Verfahren wurde alles geprüft, umfangreiche Ausgleichsmaßnahmen wurden verordnet. Daher erwarten wir uns ein positives Erkenntnis.
Report: Die bisherigen Initiativen zur Beschleunigung der Genehmigungsverfahren waren eher vergeblich. Beispielsweise wurde die Salzburgleitung in die Liste der Projects of Common Interest der EU aufgenommen, jedoch ohne sichtbares Resultat.
Baumgartner-Gabitzer: Leider. Künftig würden wir mit unseren Leitungen unter das Standortentwicklungsgesetz fallen und wären in kürzester Zeit beim Bundesverwaltungsgericht. Dieses muss seine Entscheidungen etwas beschleunigen. Über die Salzburgleitung hat es nach 36 Monaten noch immer keine Erkenntnis getroffen. Aber gerade diese Leitung ist sehr wichtig für die Versorgungssicherheit und für den Erfolg der Energiewende. Wenn man sich dieser verpflichtet fühlt, muss man schauen, dass solche notwendigen Infrastrukturen gebaut werden können. Diese Perspektive sollte auch die Verwaltung berücksichtigen. Natürlich können wir einem Richtersenat nicht vorschreiben, wie er zu entscheiden hat. Aber eine Entscheidung ist zu treffen. Das ist ein wesentlicher Teil des Rechtsstaates. Ich bin daher sehr froh über die gesetzlichen Initiativen, die Verfahren zu beschleunigen.
Und es gibt ja auch positive Beispiele für den Ablauf von Verfahren: Über die Weinviertelleitung wurde binnen kürzester Zeit entschieden. Das war in beiden Instanzen vorbildlich. Auch mit der Leitung von St. Peter zur deutschen Grenze haben wir sehr positive Erfahrungen gemacht.
Report: Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Gründe für überlange Verfahren?
Baumgartner-Gabitzer: Eines der Themen ist die Komplexität der Verfahren. Es ist auch nicht leicht, kompetente Sachverständige zu bekommen. Dazu kommt der Druck der öffentlichen Meinung und es braucht auch die klare Unterstützung der Politik. Wir weisen immer wieder darauf hin, wie wichtig insbesondere die Salzburgleitung für die Versorgungssicherheit und Integration der Erneuerbaren ist.
Report: Was sind die wesentlichsten Herausforderungen für die Übertragungsnetzbereiber in den kommenden Jahren?
Baumgartner-Gabitzer: Die Übertragungsnetzbetreiber werden auch künftig eine ganz wesentliche Rolle im Bereich der Versorgungssicherheit spielen. Eine der Herausforderungen wird daher sein, die Netze verstärkt auszubauen. Außerdem werden wir die Digitalisierung unserer Anlagen fortsetzen. Da ist schon viel geschehen, aber wir müssen auf dem neuesten Stand bleiben. Noch wichtiger als bisher wird auch die Abstimmung mit den Verteilnetzbetreibern. Das wirkt sich auch auf unser Netz aus: Daher unser Wunsch, dass die Politik den Blick aufs Ganze im Auge behält, die Schnittstellen müssen gut funktionieren und die Rollenzuordnung und die Verantwortung des Markt- bzw. Monopolbereichs muss die Politik klarer definieren.
Report: Sie waren die erste Vorstandsvorsitzende der APG und in den Jahren 2007 bis 2013 die erste Frau im Verbund-Vorstand. Nach wie vor sind sehr wenige Damen in den höchsten Führungsebenen in der Energiewirtschaft vertreten. Wie lässt sich das ändern?
Baumgartner-Gabitzer: Man muss versuchen, bereits die Mädchen für die Technik zu begeistern, am besten auch über Role Models, man muss als Führungskraft Frauen fördern. Und man wird wohl nicht um eine Quote herumkommen. Ich war zwar immer eine Gegnerin der Quote, trete mittlerweile aber für diese ein.
Ich selbst habe mich in meiner über 26 Jahre langen Tätigkeit in der Branche immer sehr wohlgefühlt. Aber es ist nicht einfach, es ist eine sehr männliche Branche. Man wird sehr genau beobachtet und getestet.
Zur Person: Ulrike Baumgartner-Gabitzer war von 1992 bis 2006 Generalsekretärin des Verbandes der Elektrizitätsunternehmen Österreichs (VEÖ, heute Oesterreichs Energie). Als Abgeordnete zum Nationalrat (1999 bis 2006) war sie maßgeblich an den Weichenstellungen für die erfolgreiche Liberalisierung des österreichischen Energiemarktes beteiligt. Von 2007 bis 2013 verantwortete sie im Vorstand des Verbunds unter anderem die Bereiche Netz, neue erneuerbare Energien und Wasserkraft. Mit Anfang 2014 wurde Baumgartner-Gabitzer zur Vorstandsvorsitzenden der Austrian Power Grid (APG) berufen.