Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report spricht Dirk Geigis, Pressesprecher des Sonnenschutz- und Rollladenspezialisten Somfy, über die Treiber von Smart-Home-Lösungen, das Ende von proprietären Systemen und die Parallelen zur Automobilindustrie. Außerdem erklärt er, was Amazon und Google für Somfy getan haben.
Report: Das Thema Smart Home geistert seit vielen Jahren durch die Medien und Messen. Gezeigt wird, was alles möglich ist bzw. in Zukunft möglich sein wird. Welche Rolle spielen Smart-Home-Lösungen bei Somfy schon heute?
Dirk Geigis: Somfy bietet mit Tahoma eine Smart-Home-Zentrale, die verschiedene Lösungen miteinander verknüpft. Dazu zählen natürlich der klassische Rollladen, aber auch Beleuchtung und immer stärker auch Sicherheitsthemen. Das ist alles relativ einfach umsetzbar, dafür braucht der Kunde auch keine speziellen Fähigkeiten. Wenn es um die Integration von Klimatisierung und Heizung geht, wird es komplexer. Dann stellt sich die Frage der Schnittstellen und der Einbindung von Partnern.
Report: Wie stark ist die Nachfrage nach diesen smarten Lösungen?
Geigis: Wir haben heute im Neubau eine Motorisierungs- und Automatisierungsrate von über 50 %. Das ist durchaus erfreulich und zeigt, dass die technologischen Möglichkeiten auch angenommen werden. Wir sind noch nicht dort, wo uns die Prognosen vor einigen Jahren gesehen haben, aber die Richtung stimmt und die Wachstumskurve steigt.
Report: Eine zentrale Rolle bei Smart-Home-Lösungen spielen Sicherheit und Vernetzung. Für die Kompatibilität von Komponenten verschiedener Hersteller braucht es offene Schnittstellen. Wie positioniert sich Somfy? Proprietär oder offen?
Geigis: Wir setzen klar auf offene Schnittstellen, um es den Endkunden so einfach wie möglich zu machen. Wir haben Mitte des Jahres unsere eigenen Schnittstellen offengelegt, damit auch Drittanbieter darauf zugreifen können. Einer allein wird diesen umfangreichen Geschäftsbereich nie erschließen können, das geht nur gemeinschaftlich. Und wenn man dann bedenkt, dass auch Giganten wie Google und Amazon das Potenzial erkannt haben, dann ist klar, dass man mit Insellösungen nicht weit kommen wird.
Report: Erwächst durch das Interesse von Google und Amazon nicht eine übermächtige Konkurrenz?
Geigis: Ich denke nicht, dass diese Unternehmen jetzt unmittelbar in unseren Geschäftsbereich einsteigen werden. Da fehlt Ihnen auch die Expertise. Da machen wir uns keine Sorgen. Im Gegenteil, wir profitieren sogar von diesen Big Playern und ihren technologischen Entwicklungen. Die Sprachsteuerung etwa hat uns einen richtigen Push gegeben. Da hat es in kurzer Zeit enorme Fortschritte gegeben. Vor eineinhalb Jahren auf der IFA war Sprachsteuerung das große Thema, heute redet da keiner mehr darüber, weil es absoluter Standard ist. Das wird auch vom Endkonsumenten stark nachgefragt, weil es eine deutliche Erleichterung bringt. Das lässt sich auch viel einfacher vermitteln als das Thema Vernetzung. Unter Sprachsteuerung kann sich jeder etwas vorstellen und es ist sexy.
Report: Woher kommt aktuell die Nachfrage nach Smart-Home-Lösungen? Sind es Architekten, Planer oder Baumeister oder ist es doch eher der technikverliebte Bauherr?
Geigis: Das ist nicht pauschal zu beantworten. Natürlich sind Smart-Home-Lösungen ein B2C-Geschäft. Allerdings geht es heute weit über die Technik-Nerds hinaus. Themen wie die Motorisierung des Sonnenschutzes sind in der Fläche angekommen. Im Fachhandwerk gibt es eine klassische Zweiteilung. Zum einen die Traditionalisten, die den Mehrwert für sich noch nicht sehen, weil die Auftragsbücher ohnehin voll sind. Zum anderen gibt es aber auch sehr viele, die das Zukunftspotenzial erkannt haben und auch von sich aus versuchen, das Thema voranzutreiben.
Bei Architekten und Planern ist es eher schwierig und ganz klar auf den Einzelfall, das konkrete Projekt bezogen. Da greifen oft auch verkabelte Lösungen und BUS-Lösungen. Gerade im Geschoßwohnungsbau gibt es oft Kombilösungen aus Funk und Kabel.
Report: Gerade im Geschoßwohnbau ist leistbares Wohnen ein Hauptthema. Kann eine leistbare Wohnung auch smart sein?
Geigis: Auf jeden Fall. Bei smarten Lösungen geht es ja nicht nur um Bequemlichkeit, sondern auch um Wirtschaftlichkeit. Die Kosten etwa für eine automatische Beschattung amortisieren sich sehr schnell. Auch für ein altersgerechtes und barrierefreies Wohnen spielen smarte Lösungen eine zentrale Rolle.
Aber natürlich ist unsere Hauptzielgruppe nicht unbedingt der soziale Wohnbau, sondern der klassische frei finanzierte Wohnbau, wo architektonisch mit großen Glasflächen gearbeitet wird. Da ist die Automatisierung zwar auch noch nicht Standard, aber wir stehen kurz davor.
Report: Mit der Technologisierung und der zunehmenden Komplexität steigt auch die Fehleranfälligkeit. Spüren Sie diese Unsicherheit und Ängste bei den Kunden?
Geigis: Natürlich gibt es diese Ängste, ich verstehe sie auch. Aber das ist in gewisser Weise auch der Lauf der Dinge. Ich hatte früher auch Autos, an denen ich noch selbst die eine oder andere Reparatur vornehmen konnte. Das ist mit der ganzen Elektronik heute nicht mehr möglich. Aber von dieser Elektronik profitiere ich auch enorm. Das Fahren wird komfortabler und sicherer. Ähnlich ist es auch beim Smart Home. Was die tatsächliche Fehleranfälligkeit anbelangt, muss man sagen, dass die meisten Fehler auf ein falsches Nutzerverhalten zurückzuführen sind. Man kann unendlich viele Szenarien programmieren, die Folge ist oft ein echtes Tohuwabohu. Deshalb sollte man eher den Leitsatz beherzigen: Konzentriere dich auf das Wesentliche. Denn natürlich besteht die Gefahr, den Konsumenten zu überfordern. Deshalb sage ich auch, wir müssen auch in der Kommunikation weg von der Technik, hin zu Anwendergeschichten.
Report: Durch Sensorik und das Internet der Dinge gibt es in vielen Bereichen des Facility Managements derzeit große Veränderungen. Wenn sich etwa ein Aufzug selbst überwacht und eine drohende Störung an den Hersteller meldet, kann dieser einschreiten und die klassischen Wartungsintervalle durch die FM-Dienstleister gehören der Vergangenheit an ...
Geigis: Da ist ein ganz wichtiges Thema. Da tut sich einiges. Auch unsere Antriebe sind auslesbar und liefern Daten. Damit können wir im Sinne einer Predictive Maintenance auch frühzeitig auf mögliche Störungen reagieren. Wir haben zwar unseren Servicebereich deutlich ausgebaut, werden aber nicht selbst ins Facility Management einsteigen. Wir verarbeiten diese Daten nicht nur selbst, sondern können Sie auch dem FM-Dienstleister zur Verfügung stellen. Das ist aber noch sehr neu und noch nicht in der Breite des Marktes angekommen.
Report: Woran wird bei Somfy aktuell gearbeitet? Mit welchen smarten Lösungen darf man in naher und ferner Zukunft rechnen?
Geigis: 2019 geht die Reise unter anderem stark in Richtung Innensonnenschutz. Das ist ein Bereich, der bislang noch gar nicht mit Smart-Home-Lösungen in Verbindung gebracht wird. Da werden wir 2019 eine neue Antriebsreihe mit integriertem Lithium-Ionen-Akku auf den Markt bringen. Dieser Akku muss nur einmal im Jahr aufgeladen werden. Außerdem haben wir großen Wert auf das Design gelegt, um noch stärker in die Bereiche Lifestyle und Schöner Wohnen zu kommen.
Report: Und wenn Sie weiter in die Zukunft blicken? Was wird etwa 2025 bringen?
Geigis: Das trau ich mir nicht zu sagen. In unserer Branche ist die technologische Entwicklung extrem dynamisch. Ich kann aber Vermutungen anstellen: Ich gehe davon aus, dass bis 2025 proprietäre Systeme ausgestorben sind. Deshalb ist es jetzt so wichtig, auf Konnektivität und Offenheit zu setzen. Auch die Vernetzung wird immer weiter zunehmen. Und ich hoffe, dass es uns bis dahin gelingt, der Breite der Bevölkerung zu vermitteln, dass Smart-Home-Lösungen nicht teuer sein müssen. Ich bin seit sechs Jahren in diesem Geschäft. Das hat mich damals selbst auch überrascht. Denn Smart Home klingt teuer und nach Luxus. Aber das ist es nicht.