Thorsten Klöpper ist Österreich-Geschäftsführer beim weltweit größten Smart-Meter-Hersteller Landis+Gyr. Er spricht über das hiesige Geschäft, neue Geschäftsmöglichkeiten für die E-Wirtschaft und »faire« Messgeräte.
Report: In welchen Geschäftsbereichen ist Landis+Gyr in Österreich tätig?
Thorsten Klöpper: Für uns ist Österreich ein strategisch wichtiger Markt, in dem wir schon seit vielen Jahren engagiert sind. Während es früher elektromechanische Zähler waren, sind es heute sogenannte Smart Meter für den Einsatz in Industrie, Gewerbe und Haushalten. Das beinhaltet auch Wärmezähler für Heizungsenergie bis hin zu hochpräzisen Messeinrichtungen für große industrielle Strom- und Gasverbraucher. Zu unserem Portfolio gehören außerdem Kommunikationstechnologien sowie Software- und Serviceangebote, zum Beispiel in den Bereichen Datenanalyse und Meter-Data-Management. Mit unserer Produktpalette decken wir alle Energieformen ab und können die Bedürfnisse unserer Kunden passgenau bedienen.
Report: In welchen Bundesländern sind bei Smart-Meter-Rollouts Zähler von Landis+Gyr involviert? Ist Wien der größte Rollout für Sie in Österreich?
Klöpper: Die Wiener Netze sind aktuell unser größter Kunde in Österreich. Begonnen hatte der erste flächendeckende Rollout aber mit unserem Kunden Netz Burgenland. Aktuell sind wir auch in einem großen Rollout-Projekt
bei der Energie Steiermark engagiert, die sich dazu mit weiteren Netzbetreibern in der Steiermark zusammengetan hat. Darüber hinaus sind wir an einem Projekt in Klagenfurt beteiligt. Dort liefern wir intelligente Zähler, Gateways, Head-End-Systeme und Datenkonzentratoren. Wir befinden uns auf einem starken Wachstumskurs in Österreich und haben unser Team auf inzwischen über 20 Mitarbeiter ausgebaut – allein zwölf davon sind im letzten Jahr hinzugekommen.
Report: Wo werden Ihre Smart Meter herstellt?
Klöpper: Wir verfolgen ein globales Sourcing-Konzept für die Beschaffung der Bauteile und die Montage unserer Zähler. Hergestellt werden die Geräte für Österreich in unserem Werk in Korinth in Griechenland. Damit kommen die Geräte aus der EU.
Report: Welche Business-Cases erwarten Sie mit dem Einsatz von Smart Metern?
Klöpper: Früher gab es in der Regel einmal im Jahr Kontakt zwischen dem Netzbetreiber und seinen Kunden – nämlich für die Übermittlung des Zählerstands zur Rechnungsstellung. Fernauslesbare Zähler machen die jährliche Ablesung vor Ort überflüssig. Sie ermöglichen eine verbrauchsgerechte Abrechnung und versetzen die Anbieter in die Lage, ihre Kunden besser zu verstehen: Wie sehen die Verbrauchskurven aus? Kommt es zu Auffälligkeiten, die möglicherweise auf Defekte oder Manipulationen zurückzuführen sind? Wann muss eine Maximalleistung vorbereitet sein? Mit diesen Daten können Energieversorger gezielt auf die Bedürfnisse ihrer Kunden eingehen und variable Tarife anbieten. Um Verbrauchsspitzen besser zu managen, könnten Incentives greifen – man hat ja den direkten Draht zueinander. Das wird auch das Versorgermodell verändern. Smart Meter helfen Netzbetreibern, mögliche Netzausfälle vorherzusehen, Fehlerursachen schneller zu erkennen und Präventivmaßnahmen zu ergreifen. Unterm Strich bekommen die Energieversorger viele Daten, um das Netz zu managen und ihre Kunden besser zu verstehen. Diese Daten bilden wiederum die Basis für intelligente Anwendungen und Services für Netzbetreiber.
Report: Was kann man sich darunter vorstellen? Geben Sie uns ein Beispiel.
Klöpper: Eines unserer Produkte zum Thema Analytics wird derzeit in einem Pilotprojekt bei den Liechtensteinischen Kraftwerken eingesetzt. Mit dieser ersten Referenz in Europa zeigen wir, wie mit einer Analysesoftware Mehrwerte aus Felddaten gezogen werden können. Mit dieser Netzanalyse wird die Auslastung einzelner Komponenten und Netzteile sehr gut sicht- und steuerbar. Damit wird es möglich, die Belastung der Netzinfrastruktur zu überwachen, mögliche Engpässe zu erkennen und die richtigen Investitionsentscheidungen frühzeitig zu treffen. Für die Energieversorger bedeutet dies höhere Versorgungssicherheit, bessere Netzstabilität und die Gewissheit, dass Überinvestitionen vermieden werden können, was sich wiederum in günstigeren Tarifen niederschlägt. Mit dem Analytics-Thema müssen sich über kurz oder lang alle unsere Kunden befassen. Unsere Dienstleistung wird dazu vielfältig und flexibel sein, die Analysen können vor Ort, gehostet oder in der Cloud betrieben werden.
Report: Was ist die Lebenserwartung eines Smart Meters von Landis+Gyr? Die Lebensdauer der alten Ferraris-Zähler werden die neuen Generationen elektronischer Messgeräte wohl nicht erreichen.
Klöpper: Mechanische Ferraris-Zähler und Smart Meter sind nicht vergleichbar. Smart Meter bieten – neben den genannten Vorteilen – auch eine bessere Nachrüstbarkeit, beispielsweise durch Software-Updates. Denn zurzeit ist noch gar nicht genau absehbar, welche zusätzlichen Anforderungen und Funktionen in den kommenden Jahren von unseren Kunden oder dem Regulator noch erfüllt werden müssen. Smart Meter bieten hier die nötige Flexibilität und sie werden sowohl von uns als auch von unseren Kunden umfänglich getestet, um die vertraglich festgelegten Einsatzzeiten zu erfüllen.
Report: Wann wird es denn Rollout-Vorgaben in Europa für Smart Meter in den Gasnetzen geben?
Klöpper: Das ist eine spannende Frage. Große Rollouts laufen ja bereits in den Niederlanden und in Großbritannien. Wir partizipieren hier und sind Marktführer in Großbritannien. Auch in Belgien sehe ich Tendenzen für einen größeren Gaszähler-Rollout. In der europäischen Regulierung ist dies derzeit aber noch kein so großes Thema wie beim Strom. Es wird aber kommen.
Report: Was verspricht man sich in den Niederlanden und Großbritannien von smarten Gaszählern?
Klöpper: Auch hier gilt vereinfacht gesagt das Prinzip: Was sich messen lässt, kann man besser managen. Sprich, die Transparenz durch Smart-Meter-Daten führt richtig genutzt zu einer zuverlässigeren und kostengünstigeren Versorgung. Beispielsweise ist die Lokalisierung von Leckagen immer eine Herausforderung in Gasnetzen. Kunden wie British Gas haben dieses Thema auch aus Effizienzgründen stark vorangetrieben.
Report: In den Niederlanden bietet Landis+Gyr einen »Fair Meter«. Was ist die Idee dahinter und wäre so etwas auch für den österreichischen Markt möglich?
Klöpper: Wir setzen schon seit langem auf ein nachhaltigeres Zählerdesign und haben mit unseren niederländischen Kunden weitere Aspekte pilotiert: Unsere »Fair Meter« unterliegen Kriterien, die die Arbeitsbedingungen genauso einschließen wie die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft. So sparen wir beispielsweise Plastik und Metalle ein und verwenden weniger Materialarten und Einzelteile, um auch das Recycling zu erleichtern. Diese Entwicklung ist unsere Antwort auf die Fair-Meter-Initiative, die 2013 von einem Konsortium der niederländischen Energieversorger Alliander, Stedin, Juva und Enduris gegründet wurde. Wir vermarkten diesen Zähler des Typs »E360« auch in anderen Märkten und stellen fest, dass Nachhaltigkeit ein immer wichtigeres Kriterium ist. Aktuell geht es in Österreich aber zunächst einmal primär um das Erreichen der festgelegten Ausbauziele für die flächendeckende Installation von Smart Metern.
Die Firma
Landis+Gyr wurde vor über 120 Jahren gegründet und hat weltweit rund 300 Millionen Zähler bei Netzbetreibern und Energieversorgern im Einsatz. Das Unternehmen mit Hauptsitz in der Schweiz operiert mit eigenen Geschäftsstellen in mehr als 30 Ländern und beschäftigt bei einem Umsatz von rund 1,74 Mrd. Dollar (2017/18) rund 6.000 Mitarbeiter.