Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report spricht die neue Wiener Wohnbaustadträtin Kathrin Gaal über die Eckpunkte der Bauordnungsnovelle, die WBIB, die zukünftige Bautätigkeit der Stadt und konkrete Maßnahmen, an denen man ihre Handschrift erkennen wird.
Report: Sie haben im Mai das Wohnbauressort von Michael Ludwig übernommen. Wie haben sich die ersten Monate im neuen Amt gestaltet?
Kathrin Gaal: Wichtig ist mir, dass ich nicht nur das Wohnbauressort, sondern auch das Frauenressort übernommen habe. Das sollte nicht untergehen. Die ersten 100 Tage habe ich hinter mir und ich kann sagen, die Zeit ist sehr schnell vergangen. Es ist eine unglaublich aufregende Zeit. Ich lerne jede Menge kluge, interessante Menschen kennen. Und ich war natürlich auch schon viel im Gemeindebau unterwegs und habe tolle Initiativen kennengelernt. In der Versuchsanstalt der MA39 in Simmering bin ich aus dem Staunen nicht herausgekommen. Da wird zum Thema Brandschutz geforscht, es gibt Licht- und Chemielabors, die top ausgestattet sind und in denen auch viele Frauen arbeiten. Das hat mich nachhaltig fasziniert. Ich war aber auch bei einem Nachbarschaftsfest im 21. Bezirk, das extrem gut angenommen wird und wo Jung und Alt zusammenkommen und eine gute Zeit haben.
Report: Welche Ziele haben Sie sich gesetzt? Anhand welcher Maßnahmen soll und wird man Ihre Handschrift erkennen?
Gaal: Sowohl das Wohnbauressort als auch das Frauenressort sind für die Sozialdemokratie von essentieller Bedeutung. Das zentrale Thema für die Bevölkerung ist das leistbare Wohnen. Darauf liegt mein Hauptaugenmerk. Dadurch soll auch die soziale Durchmischung, die den sozialen Frieden sichert, weiter gewährleistet sein. Da kann man mit gutem Gewissen die Arbeit meiner Vorgänger mit Kontinuität fortführen. Aber natürlich setzen wir auch Initiativen, die zeigen, dass das Wohnbau- und das Frauenressort zusammenwachsen.
Report: Welche Initiativen sind das konkret?
Gaal: Wir haben im Juli zwei Bauträgerwettbewerbe im 12. und 14. Bezirk ausgelobt. Da geht es konkret um AlleinerzieherInnen. Die Grundrisse sollen so flexibel gestaltet sein, dass es auch in kleineren Wohnungen ausreichend Zimmer gibt und nicht, wie das jetzt aufgrund finanzieller Zwänge oft ist, der Elternteil auf der Couch im Wohnzimmer schlagen muss. Dazu gibt es einen Gemeinschaftsraum für die Vernetzung und einen Verein, der sich im Krankheitsfall um die Kinder kümmert, damit Alleinerziehende arbeiten gehen können und wissen, ihr Kind ist gut versorgt.
Report: Kommen wir zurück zum leistbaren Wohnen: Die Entscheidung der Stadt Wien, wieder selbst Gemeindewohnungen zu bauen, hat zu heftigen Kontroversen geführt. Mit dem eingesetzten Geld könnte über die klassische Schiene der Wohnbauförderung deutlich mehr Wohnraum geschaffen werden. Wo stehen Sie in dieser Diskussion? Wird es weitere neue Gemeindewohnungen geben?
Gaal: Ich steh voll und ganz hinter diesem Beschluss. Wir müssen uns auch nicht vorwerfen, dass der geförderte Wohnbau nicht stark genug wäre. Da sind wir europaweit führend. Wir haben aber den Plan, bis 2020 rund 4.000 Gemeindewohnungen auf Schiene zu bringen. Danach folgt die Evaluierung des Programms und dann werden wir entscheiden, wie wir weitermachen.
Report: Wien wächst. Wie begegnen Sie der steigenden Nachfrage nach weiteren leistbaren Wohnraum?
Gaal: Wir begegnen dem mit einer weiteren Wohnbauoffensive. Von 2018 bis 2020 werden wir jährlich 9.000 geförderte Wohnungen in die Umsetzung bringen. Dazu rund 4.000 neue Gemeindewohnungen. In Wien werden im Schnitt 7.000 geförderte Wohnungen jährlich errichtet. Das ist international einzigartig. Auch der frei finanzierte Wohnbau trägt mit 3.000 bis 4.000 Wohnungen jährlich bei.
Report: Aktuell heftig diskutiert wird die Novelle der Wiener Bauordnung: Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Punkte daraus und welche konkreten Auswirkungen erhoffen Sie sich?
Gaal: Die Beschlussfassung der Novelle ist noch heuer geplant, aktuell werden alle Stellungnahmen eingearbeitet. Ein Meilenstein ist sicher die neue Widmungskategorie geförderter Wohnbau. Das ist eine unmittelbare Reaktion auf die massiv gestiegenen Grundstückskosten. Wesentlich sind auch Verfahrensvereinfachungen und der Schutz von Gebäuden, die vor 1945 errichtet wurden.
Report: An der »Widmungskategorie für geförderten Wohnbau« entzündet sich auch Kritik. Es werden eigentumsrechtlich bedenkliche Eingriffe befürchtet. Was entgegnen Sie?
Gaal: Die neue Widmungskategorie ist essentiell für den geförderten Wohnbau, um den gestiegenen Grundstückskosten und Spekulationen Einhalt zu gebieten. Es wird ja im Wesentlichen in keine bestehenden Widmungen eingegriffen.
Aber natürlich besteht zwischen dem Interesse der Allgemeinheit und dem Interesse von Einzelnen immer ein gewisses Spannungsfeld.
Report: Für Verunsicherung sorgt auch der Passus, dass Abbrüche erschwert werden und die MA19 entscheidet, ob ein öffentliches Interesse an dem betreffenden Gebäude besteht oder nicht. Welche Kriterien sind hierfür entscheidend?
Gaal: Die MA19 ist Teil des Planungsressorts und eine sehr kompetente Stelle im Magistrat, die vor allem prüft, wie ein Haus in das umgebende Ensemble passt und welche architektonische Bedeutung das Haus hat. Das sind Kriterien, die die MA19 sehr gut beurteilen kann. Auch die Baupolizei wird involviert sein.
Report: Wie ist die weitere Vorgehensweise bei den vor dem Sommer teils überfallsartig begonnenen Hausabbrüchen?
Gaal: Das sind laufende Verhandlungen, deren Ergebnis man abwarten muss.Insgesamt sind rund 80 Häuser betroffen, davon wurden 22 als erhaltenswürdig eingestuft. Bei gestoppten, also nur unvollständig erfolgten Abbrüchen kann es sein, dass Gebäudeteile wiederaufgebaut werden müssen. Die betroffenen Eigentümer haben sich an den Verwaltungsgerichtshof gewendet. Die Urteile werden bis Ende des Jahres erwartet.
Report: War es ein Kommunikationsfehler, die Maßnahme frühzeitig anzukündigen und damit erst die Möglichkeit geschaffen zu haben, noch rechtzeitig vor Inkrafttreten mit dem Abriss zu beginnen?
Gaal: Ich will hier keine Vergangenheitsbewältigung betreiben. Es werden oft politische Ankündigungen gemacht, manchmal mit Folgen, mit denen man nicht gerechnet hat. Wir haben entsprechend reagiert, dahinter stehe ich auch.
Report: Die Bundesregierung hat durch die Weigerung, Haftungen zu übernehmen, das Aus der Wohnbauinvestitionsbank in der geplanten Form besiegelt. Wie bewerten Sie diese Entscheidung und wäre Wien an einem Neuaufbau über Landesbanken interessiert? Könnten Sie sich vorstellen, Haftungen zu übernehmen?
Gaal: Das Thema wird derzeit im Finanzressort der Stadt geprüft. Diese Expertise warte ich ab und dann werde ich mich mit dem Finanzstadtrat beraten, wie wir hier vorgehen wollen. Vorstellbar wäre es auf jeden Fall. Obwohl man schon auch sagen muss, dass Wien hinsichtlich Förderungen sehr gut aufgestellt ist. Die Wohnbauförderung ist zweckgebunden, zudem stellt die Stadt Wien weitere Mittel im dreistelligen Millionenbereich zur Verfügung.
Report: Stichwort Wohnbauförderung: Seit Anfang des Jahres ist die Wohnbauförderung reine Ländersache. Mit welchen Auswirkungen?
Gaal: Aus meiner Sicht ist es zu keinen Veränderungen gekommen. Wir haben aber schon auf sich ändernde Rahmenbedingungen wie steigende Bau- und Grundstückskosten reagiert, indem wir etwa die Obergrenze haben fallen lassen. Früher gab es nur dann eine Förderungen für ein Wohnprojekt, wenn die Errichtungskosten unter 1.800 Euro pro Quadratmeter geblieben sind. Das war nicht mehr sinnvoll.
Report: Die Ausgaben für die geförderte Sanierung waren zuletzt rückläufig. Ist eine Trendumkehr absehbar oder bleibt die Sanierung ein Stiefkind?
Gaal: Die Mittel sind zwar etwas geringer geworden, aber die Sanierung ist sicher kein Stiefkind.
Wir haben über 7.000 Häuser in Wien saniert, da geht es um Wohnungen für mehr als 320.000 Mieterinnen und Mieter. Auch aktuell sind 214 Wohnhäuser in Sanierung und 116 in Vorbereitung. Aber es stimmt schon, in den Neubau fließen mehr Mittel.n
Streitpunkt Lagezuschlag
Gemeinsam mit ExpertInnen der Stadt Wien hat Kathrin Gaal eine neue Lagezuschlagskarte präsentiert. Das kostenlose Service stellt jene Gebiete dar, in denen VermieterInnen aufgrund einer »überdurchschnittlichen Lage« einen Zuschlag bei der Richtwertmiete erheben können. Damit setzt das Wohnbauressort der Stadt Wien den Entscheid des Obersten Gerichtshofs (OGH) um, wonach Lagezuschläge nicht mehr ausschließlich auf Grundlage der Grundstückskosten (»Grundkostenanteile«) ermittelt werden dürfen. Die neue Lagezuschlagskarte berücksichtigt zur Beurteilung einer Lage nun Faktoren des täglichen Lebens wie Schulen, Gesundheitseinrichtungen, Grünraum, Nahversorgung und öffentlichen Verkehr. Außerdem dürfen nur noch ähnliche Wohngebiete miteinander verglichen werden. »Von der Adaptierung der Lagezuschlagskarte sind mehr als 100.000 Hauptmieterinnen und Hauptmieter im Altbau betroffen. Die neue Karte kann zu einer Entspannung der Mietpreise am privaten Wohnungsmarkt führen und ist somit auch ein effektives Instrument für leistbares Wohnen im privaten Wohnungssektor«, ist Gaal überzeugt.
Info: Die neue Lagezuschlagskarte und der Lagezuschlagsrechner können kostenlos abgerufen werden unter: www.mieterhilfe.at