Österreich als EU-Ratspräsidentschaftsland könnte mitentscheiden und steuern. Das nutzt man derzeit aber nicht im notwendigen Ausmaß . So fällt die Zwischenbilanz von Florian Maringer, Geschäftsführer Dachverband Erneuerbare Energie Österreich (EEÖ), aus.
Report: Wir erleben jeden Tag die Folgen des Energiewandels. Energie muss zentrales Thema sein, ist aber in den drei Schwerpunkten der Regierung nicht explizit angeführt.
Florian Maringer, EEÖ: Im Migrationsbereich hat Österreich klare Forderungen. Im Bereich Energie und Klima fehlt dagegen die Bereitschaft zum Manager. Allianzen müssten zusammengeführt und sichtbar gemacht werden. Immerhin stehen Entscheidungen für den Energiemarkt der nächsten Dekaden an, das heißt, bis mindestens 2050. Das komplette europäische Energiesystem wird erneuert. Ein Punkt ist auch das EU-Budget der Jahre 2021 bis 2027. Präsident Macron hat zuletzt gefordert, dass 40 % des Budgets, das sind 1.300 Mrd. Euro, für klimarelevante Maßnahmen unter anderem in den Bereichen Energie, Landwirtschaft und Verkehr investiert werden. Bisher waren es knapp 20 %. Österreich verhandelt mit und sollte sich bewusst sein, was 1.300 Mrd. Euro auch für den Wirtschaftsstandort Österreich bedeuten.
Report: Welche Punkte gilt es zu managen?
Maringer: Verhandelt wird unter anderem die Marktdesign-Initiative für eine Umgestaltung des europäischen Strommarktes. Die alte Energiewelt wird in ihren Grundmauern erschüttert, starre zentralisierte Großanlagen werden durch dezentrale, erneuerbare Kraftwerke ersetzt. Es geht um Ausgleichszahlungen für fossile und nukleare Kraftwerke und um die Rolle der Netzbetreiber und Bürgerenergie. Aber es gibt viel Widerstand, etwa im Zusammenhang mit Überkapazitäten. In Europa ist die Kraftwerksleistung doppelt so hoch wie der Verbrauch.
Mehr als die Hälfte wird fossil und nuklear erzeugt, obwohl Erneuerbare billiger sind als neue Kohle- und Gaskraftwerke und mit Berücksichtigung der CO2-Emissionen auch der bestehenden Kohlekraftwerke, die CO2-Zertifikate einbezogen auch billiger als Kohle. Staaten wie Polen, Deutschland und Frankreich beharren aber auf ihren Subventionen für fossile Kraftwerke. Polen steckt zwischen 2021 und 2030 sogar 14,4 Mrd. Euro in die Förderung von Kohlekraftwerken. Die Kommission hat zwar vorgeschlagen, dass Mitgliedstaaten die Kapazitäten für Versorgungssicherheit nachweisen müssen. Nationale Unternehmensinteressen stehen aber dem bisher entgegen.
Report: Ein wesentlicher Punkt ist das Engagement der BürgerInnen?
Maringer: Und das nicht nur aus finanzieller Sicht. BürgerInnen müssen auch ideologisch eingebunden werden. Es braucht die Energiewende von unten. Ich kann noch so oft etwas vorschreiben, die Änderung kommt von innen heraus. Auch das Thema Gemeinschaftsanlagen muss EU-weit umgesetzt werden. Aber es gibt auch hier administrative Widerstände und offene Rechtsfragen.
Report: Im Vorfeld der informellen Tagung der EnergieministerInnen wurden in Linz das Potenzial von Wasserstofftechnologien für die Energiewende und erfolgreiche Wasserstoffprojekte präsentiert.
Maringer: Wasserstoff ist ein wichtiges Element der Energiewende, aber ich muss zuerst sicherstellen, dass es ausreichend erneuerbare Energien für die Herstellung gibt. Wenn Kohle als Energieträger herangezogen wird, führt das Wasserstoff ad absurdum. Potenzial ist laut Studien ausreichend vorhanden.
Report: Haben Energieverbände eine Chance, diesen Stillstand zu lösen?
Maringer: Am 2. Juli fand im Namen aller europäischen Erneuerbaren Energieverbände das Vienna Forum statt, im Zuge dessen wir konkrete Maßnahmen gefordert haben. Es gab zudem ein gemeinsames Schreiben an Bundesminister und Bundeskanzler. Wir wissen aber bis dato nicht, was daraus entsteht.