Im Interview mit Report(+)PLUS erklärt Werner Knausz, Vorstand der Altstoff Recycling Austria AG, ARA, dass das EU-Kreislaufwirtschaftspaket ein richtig großer Wurf ist, warum neben »Design for Recycling« auch »Design from Recycling« wichtig ist und welche Schwierigkeiten es beim Recyceln von Baurestmassen gibt.
Report: Geht es nach den Plänen der Europäischen Kommission, soll Europa bis 2030 zu einer Kreislaufwirtschaft werden. Wie realistisch ist dieses Ziel?
Werner Knausz: Es gibt zwei wesentliche Maßnahmen der EU auf diesem Weg. Da ist zum einen das EU-Kreislaufwirtschaftspaket, das am 4. Juli 2018 in Kraft getreten ist. Das Paket ist aus unserer Sicht ein richtig großer Wurf. Denn es wird nicht einfach nur eine höhere Recyclingquote für eine sehr beschränkte Anzahl von Produkten eingefordert, wie das bislang der Fall war. Mit diesem Paket wurde die Anzahl der Stoffe deutlich ausgeweitet. Wir haben etwa in Österreich jährlich rund 60 Millionen Tonnen Abfall, davon sind 40 Millionen Tonnen Baurestmassen. Von den restlichen 20 Millionen sind 3,5 Millionen Tonnen Hausmüll. In der Vergangenheit ging es hauptsächlich um den Hausmüll und Verpackungen. Um die wirklich großen Brocken, die wir als Rohre im Boden vergraben oder in Häusern eingebaut haben, darum hat sich bislang kaum jemand gekümmert.
Report: Bei den Baurestmassen ist aber jetzt eine Recyclingquote von 70 Prozent bis 2020 vorgegeben?
Knausz: Genau das meine ich. Das Kreislaufwirtschaftspaket hat sich jetzt auch dieser Themen angenommen und nicht nur der – verhältnismäßig – Kleinigkeiten, die der Konsument sieht. Denn das Sammeln und Recycling von PET- und Glasflaschen schaut zwar gut aus, damit kratzen wir überspitzt formuliert aber nur an der Oberfläche. Die zweite Schiene ist die EU-Kunststoff-Strategie, die sehen wir aber teilweise sehr kritisch.
Report: Woran machen Sie Ihre Kritik fest?
Knausz: Ein Punkt ist, dass man bis 2025 90 Prozent der Kunststoff-Getränkeflaschen sammeln will. Eine 90-Prozent-Quote ist unserer Meinung nach aber nicht möglich. Selbst bei Glas, das wir seit Jahrzehnten sammeln und im Bewusstsein der Menschen stark verankert ist, haben wir nur eine Quote von 82 Prozent. Bei Kunststoffflaschen sind wir derzeit bei 78 Prozent. Um das Ziel zu erreichen, wird auch eine Art Einwegpfand vorgeschlagen, aber in hoch entwickelten Gesellschaften ist das eine sinnlose Maßnahme. Das sieht man auch in Deutschland. Dort lagen alleine die Einführungskosten bei rund zwei Milliarden Euro, dazu kommen jährliche Kosten von 140 Millionen.
Dazu kommt, dass man, wenn man schon eine etablierte Leichtfraktionssammlung hat und da die Flaschen rausnimmt, zwar die Flaschen zurückbekommt, aber der Leichtfraktionssammlung das beste Material entzieht. Wenn das Material weniger wird, müssen wir die Anzahl der Sammelbehälter reduzieren und dann wird weniger gesammelt. In Summe hätte man dann ein neues System, das viel Geld kostet und ein altes, das spezifisch teurer wird. Also eine klassische Lose-lose-Situation. Deshalb hoffen wir, dass sich an diesem Richtlinienentwurf noch etwas ändert. Denn in der jetzigen Form enthält das Papier Maßnahmen, die sinnlos bis kontraproduktiv sind.
Report: Vorgegebene Recyclingquoten sind das eine, aber wie steht es um die Nachfrage nach Sekundärrohstoffen?
Knausz: Das ist ein ganz zentrales Thema. Bei uns läuft das unter »Circular Design«. Dabei geht es um »Design for Recycling« und »Design from Recycling«. Da rennen uns die Unternehmen die Tür ein. Denn mittels Computersimulationen können wir jetzt schon berechnen, wie hoch die Recyclingfähigkeit eines bestimmten Produkts ist und sich damit die künftigen Tarife entwickeln werden. Das ist eine enorme Hilfe bei der Entwicklung von Produkten und Verpackungen. Denn geringere Tarife bringen einen spürbaren Wettbewerbsvorteil.
Und dann geht es natürlich um »Design from Recycling«. Wir müssen Unternehmen dazu bringen, mehr Recyclingmaterial zu verwenden. Das wird eine enorme Herausforderung. Die Regranulate aus dem Verpackungsrecycling werden wir z.B. wegen der hohen Hygienevorschriften nicht alle wieder in Verpackungen einsetzen können.
Deshalb müssen wir andere Bereiche, wie etwa Automotive oder die Bauwirtschaft, ins Boot holen. Dann besteht in Zukunft eine Stoßstange eben zu 80 Prozent aus Recyclingmaterial.
Report: In welchen Bereichen sehen Sie das größte Recyclingpotenzial?
Knausz: Dort, wo das meiste Material umgeschlagen wird. Und das ist in der Bauwirtschaft – vom Fensterbrett bis zum Kanalrohr. Das Problem ist, dass wir heute gar nicht wissen, was in einem Bauprojekt alles verarbeitet wurde. Das erschwert natürlich auch das Recycling. Da gibt es aber zahlreiche Projekte in Richtung eines Baustoff-Katasters. Im Gegensatz zu Verpackungen ist aber sehr schwer abschätzbar, wann man ein Material zurückbekommt. Verpackungen sind bis auf wenige Ausnahmen wie etwa bei einer guten Flasche Rotwein, die auch zehn Jahre lagert, klassische Kurzdreher, die bald nach der Ausgabe wieder zurückkommen. Auch im Elektrobereich ist es schwierig. Noch weiß kein Mensch, wann Photovoltaikzellen zurückkommen.
Report: Welchen Maßnahmen seitens des Gesetzgebers sind nötig, um den Schritt zur Kreislaufwirtschaft zu erleichtern bzw. zu ermöglichen?
Knausz: Das ist jetzt vielleicht ein wenig frech. Aber wenn bei Verpackungen die ARA keine neuen Lösungen hat, dann ist davon auszugehen, dass niemand in Österreich eine Lösung haben wird, um die Ziele des Kreislaufwirtschaftspakets zu erreichen. Mit »more of the same« wird es nicht gehen. Es wird ein ganzes Sammelsurium von Maßnahmen brauchen. Derzeit testen wir etwa neue Möglichkeiten der Gewerbemüllsortierung. Denn gerade im Gewerbemüll und im Baubereich haben wir relevante Mengen an Kunststoffen, die heute einfach verbrannt werden.
Wir trauen uns auf jeden Fall zu, auch die sehr ehrgeizigen Quoten bis 2025 erfüllen zu können. Es gibt auch jetzt schon intensive Gespräche zwischen Handel, Industrie und uns. Vor allem bei Industriekunden ist das Interesse groß, für spezifische Verpackungen einen geschlossenen Kreislauf darzustellen. Da ist etwas Großes im Entstehen.
Circular Design
Eine funktionierende Kreislaufwirtschaft erfordert eine Balance von Angebot und Nachfrage, die verordnete Recyclingquoten alleine nicht schaffen. Deshalb braucht es Produkte, die für Recycling gemacht sind, und gleichzeitig Produkte, die aus den gewonnenen Sekundärrohstoffen hergestellt werden. Mit ARA Circular Design können Unternehmen schon bei der Verpackungsgestaltung wertvolle Ressourcen sparen, die Recyclingfähigkeit entscheidend verbessern und den Einsatz von Sekundärrohstoffen steigern. ARA Circular Design verbindet »Design for Recycling« mit »Design from Recycling«. Das Kriterium Recyclingfähigkeit hat bereits in der Produktentwicklung den gleichen Stellenwert wie Funktionalität, Schutz oder Attraktivität (Design for Recycling). Für die Produktion selbst wird ein möglichst hoher Anteil an Sekundärrohstoffen eingesetzt (Design from Recycling).
Mit digitaler Unterstützung wird aus den technischen Daten einer Verpackung – Werkstoffe, Additive, Klebstoffe u. v.m. – berechnet, welcher Recyclinggrad unter realen österreichischen Bedingungen am Ende tatsächlich erreichbar ist. Die Ergebnisse liefern wichtige Hinweise für konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Recyclingfähigkeit.