Samstag, Dezember 21, 2024
Reisebericht  aus der CRM-Praxis
Foto: Thinkstock

Tina Zembacher und Georg Gradinger von der Geschäftsführung des österreichischen CRM-Spezialisten gorelate sprechen über integrierte Business Software, Chatbots und IoT.

Report: Was bietet gorelate? Was ist ­Ihre Spezialität?

Tina Zembacher: Unser Team von knapp 20 Entwicklern und Beratern fokussiert ausschließlich auf das Thema CRM und bietet Lösungen vor allem aus dem Microsoft-Umfeld dazu. Als zertifizierter Microsoft Gold Partner bildet ­gorelate rund um das »Dynamics Customer Engagement« Prozesse für Vertrieb, Kundenservice und Projektmanagement ab – branchenübergreifend. Besonders wohl fühlen wir uns in den Branchen Manufacturing, Life-Sciences, Handel und Konsumgüter. Oft umfassen Lösungen auch den Bereich Customer Service, bei dem Bestandskunden weiter begleitet werden. Der Dynamics-Stack bietet hier unheimlich viel. Auch neue Themen wie Chatbots und IoT spielen zunehmend mit.

Bild oben: Tina Zembacher: »Das Thema Digitalisierung ist in aller Munde.«

 

Report: Wo werden Lösungen dazu schon eingesetzt?

Zembacher: Ein Unternehmen, mit dem wir im intensiven Kontakt sind, stellt Dummies für Tests von autonomen Fahrzeugen her. Diese simulieren Fußgänger und Radfahrer und sind mit Sensoren bestückt, die große Datenmengen für Analysen liefern. Das Technologieunternehmen hat hunderte Kunden in der Automobilindustrie und setzt Chatbots im Kundenservice ein. Natürlich wird ein Chatbot den Menschen nie vollständig ersetzen, doch gerade Standardfragen können damit schnell beantwortet werden.

Georg Gradinger: Chatbots lernen mittels Machine Learning anhand von Schlagworten automatisch, welche Inhalte aus welchen Datenbanken gegriffen werden sollen. Bots können gut vorfiltern: Sie erkennen anhand eines in einem Portal eingegebenen oder am Telefon gesprochenen Satzes, was aus einer Wissensdatenbank bereitzustellen ist oder an welchen Spezialisten das Begehr weitergeleitet wird – der ist dann wieder ein Mensch.

Bild oben: Georg Gradinger: »CRM und ERP wachsen immer mehr zusammen.«

 

Report: Wie lange dauert ein Chatbot-Training typischerweise, wenn man bei null beginnt?

Zembacher: Die meisten Unternehmen haben schon aufgearbeitete FAQs. Damit ist eine Basis geschaffen, einen Prototypen hat man in ein paar Stunden. Dann wird das System mit Anfragen getes­tet, es werden manuell Fälle durchge­spielt und die Lösung wird ständig verbessert. Bis das einigermaßen rund läuft, kann es schon – je nach Komplexität – eine bis mehrere Wochen dauern.

Report: Finden die Unternehmen auch neue Geschäftsmöglichkeiten durch die Digitalisierung?

Zembacher: Es gibt bereits viele Anwendungsfälle, die auf ein neues Zusammenführen von Daten aus unterschiedlichsten Quellen basieren. Die wirklich großen Projekte beginnen aber erst.

Ein Beispiel aus dem IoT-Bereich: Komponenten von Straßenmarkierungen sind zum Teil hochgiftig und werden deshalb bei Möglichkeit nicht auf Vorrat, sondern bei konkretem Bedarf produziert. Je genauer ich diesen Bedarf und auch die optimalen Bedingungen für das Aufbringen auf dem einem Straßenbelag anhand von Faktoren wie Lieferketten, Witterung und Wetter vorhersagen kann, desto effizienter und sicherer werden diese Farben hergestellt, gelagert und verarbeitet.

Report: Was hat IoT unmittelbar mit CRM zu tun? Passiert dadurch ein größerer Datenaustausch auch über die eigenen Unternehmensgrenzen hinweg?

Zembacher: Unternehmensprozesse werden planbarer, was klarerweise auch ein ERP-Thema ist. Wenn ich aufgrund von Daten etwa einen Zeitraum für einen Engpass prognostizieren kann, wird damit auch die Verkaufsabteilung unterstützt. Bei einem Abschluss wird dann wieder die Produktion informiert. Die weiß dann, dass es Zeit ist, die Maschinen anzuwerfen.

Gradinger: Wenn ein Lieferant aufgrund seiner Erfahrungen und des Datenmaterials seiner Klientel »predictive« sagen kann, welche Materialien oder Leistungen bald benötigt werden, ist das ein großer Vorteil. Er kann mit einem vorgefertigten Auftrag zum Kunden gehen und so schneller helfen.

Report: Früher hat man das Controlling genannt. Jetzt spricht man von Data Scientists.

Zembacher: Die Begriffe verändern sich, doch viele Unternehmen haben hier Aufholbedarf. Es gibt nach wie vor Branchen, wo der Außendienstmitarbeiter gerne mit seinen Karterln arbeitet und sein Wissen hortet. Das ist eine klassische Hürde bei der Steuerung der Sales-Prozesse durch ein CRM. Unterstützung aus einer solchen Lösung bekomme ich ja nur dann, wenn bestimmte Faktoren für eine Verkaufschance zu einem Zeitpunkt eingetreten sind. Dafür brauche ich entsprechend valide Daten im System. Das Sales-Modul bei Dynamics unterstützt in allen Phasen des Kontakts und hilft, realistische Zeitfenster zu definieren. Viele dagegen sind noch im Blindflug unterwegs.

Report: Es sind wohl die wenigsten Unternehmen so gut aufgestellt, dass sämtliche nötige Daten transparent und zentral verfügbar sind.

Gradinger: Oft werden mit den tollsten Systemen die ausgeklügeltsten Prozesse für Vertrieb und Marketing erdacht, in der Praxis scheitern vielen aber bereits an den Kundenstamm-Daten. Diese ändern sich ständig, jeder hat seine Sicht auf den Kunden, die Datenhoheit ist meist nicht geregelt und es gibt Redundanzen, die zusammengeführt werden müssten. Meistens bildet das den Beginn der CRM-Reise in Projekten: Wenn nicht bereits am Anfang Dubletten gesäubert werden, passiert dies im Regelfall nie.

Report: Gibt es in der Datenhaltung so etwas wie Quick Wins, wenige Punkte, die mindestens beachtet werden müssen?

Gradinger: Zentralisierung ist das Schlagwort. Es sollte allen Mitarbeitern klar sein, wo sie nachschauen, wenn sie etwas wissen wollen. Das sollten dann nicht 20 verschiedene Excel-Tabellen sein. Das ist nicht nur für eine effizientere Arbeit, sondern auch für die Datenschutz-Grundverordnung wichtig. Bei einem Auskunftsbegehren ist so auf einem Blick ersichtlich, welche Informationen über eine Person vorliegen.

Zembacher: Es gilt, den Usern von Anfang den Nutzen einer CRM-Lösung aufzuzeigen, sonst wird diese nie verwendet werden. Die Systeme unterstützen mit Vorschlägen und können vieles beschleunigen – auch mobil. Man sieht auf einem Blick die Historie zu einem Kunden, welche Inhalte die Kollegen mit dem Kontakt besprochen haben. Das sind für mich die Quick Wins.

Report: Auf eine technische Ebene gebracht: Cloud oder nicht Cloud? Ist das überhaupt noch eine Frage bei CRM?

Gradinger: Für die meisten ist es sinnvoll, CRM als Cloud-Service zu beziehen. Auch hinsichtlich Datenschutz ist die Speicherung in der Cloud wohl wesentlich sicherer, als es bei vielen Unternehmen vor Ort der Fall wäre. Ein Cloudanbieter wie Microsoft kann Hackerangriffe besser als die eigene, kleine IT-Abteilung abwehren. Selbst Unternehmen aus dem Life-Science-Bereich gehen mit Forschungsdaten – und damit ihrem Firmenkapital – in die Cloud. Und nachdem ja der Mensch das größte Sicherheitsrisiko ist, hilft es schon, wenn wichtige Daten nicht auf den Endgeräten gespeichert liegen.

Report: Welche Ziele haben Sie sich für die nächsten Monate gesteckt?

Gradinger: Ich denke, dass wir den Begriff CRM schärfen müssen. Unser Leis­tungsspektrum fängt schon beim Zeitpunkt an, wo ein Kunden über ein System nachzudenken beginnt. Wir betreuen, führen gemeinsam eine Evaluierung durch, erheben den Ist-Stand, implementieren Prozesse und integrieren CRM in alle Systeme eines Unternehmens, die mit Kundeninformationen zu tun haben.

Eine CRM-Lösung ist nie fertig. Technik und Anforderungen entwickeln sich ständig weiter und wir begleiten unsere Kunden damit. So eine Partnerschaft muss kein Ende haben, da es immer wieder neue Themen gibt. Unsere Aufgabe ist, schon vor dem Kunden über prozessuale und technologische Marktentwicklungen Bescheid zu wissen.

Report: Bei der Bandbreite an Funktionen, die ERP-, CRM- und BI-Werkzeuge heute haben – ist es überhaupt noch sinnvoll, hier noch scharfe Trennlinien zwischen den Systemen zu ziehen?

Gradinger: Die Themen wachsen immer mehr zusammen. Wir haben im CRM Grundfunktionen, die eigentlich aus dem ERP kommen – und umgekehrt. BI muss sowieso auf alles zugreifen und ist einem gewissen Umfang auch in den Werkzeugen enthalten. Ich denke, man macht heute schon eher die Prozesse und weniger die Werkzeuge selbst zum Thema. Das wird sich verstärken.

Zembacher: Ich bin trotzdem der Meinung, dass eine Spezialisierung wichtig ist. Wir haben schon bei unserer Gründung beschlossen, nicht fünf Dinge halb zu machen, sondern ein einziges Thema richtig. In unserem Partnernetzwerk gibt es einige, die das ERP-Geschäft sehr gut verstehen. Das lernt man nicht von heute auf morgen, wenn ich etwa an FiBu-Prozesse der Finanz-Buchhaltung oder branchentypische Produktionsplanungen denke. Jeder macht dann den Teil in einem Projekt, der seiner Kompetenz entspricht.

Report: Bekommen Sie genügend Arbeitskräfte?

Gradinger: Leider ist es derzeit nicht einfach, neues Personal zu finden. Dabei bietet gerade das Thema CRM unglaublich viel Potenzial für junge BerufseinsteigerInnen, die sich sowohl in Richtung IT als auch Beratung in Geschäftsprozessen weiterentwickeln können. Denn CRM ist etwas, das ganz nahe am Kunden stattfindet.

 

Zur Firma: gorelate wurde 2015 von Tina Zembacher, Georg Gradinger und Arno Huber gegründet. Das Unternehmen mit Sitz in Wien begleitet Unternehmen in allen Phasen von CRM-Projekten – von der Analyse und Beratung, über die Softwareauswahl und -implementierung sowie die Betreuung des laufenden Betriebs bis hin zur Weiterentwicklung der Lösung.

www.gorelate.com

 

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