Fragen zum Gasmarkt beantwortet Andreas Eigenbauer, Vorstand der Energie-Control, der interimistisch auch die Leitung der Abteilung Gas der Regulierungsbehörde innehat.
Report: Wie hoch waren im Vorjahr das Importvolumen und der Inlandsverbrauch bei Erdgas?
Andreas Eigenbauer: Österreich hatte im Wesentlichen einen Importbedarf von 91.953 GWh und einen Verbrauch von etwas über 100.000 GWh. Der Bedarf wird zu rund 90 % mit Importen abgedeckt.
Report: Wie sind die Tendenzen in diesen beiden Bereichen in den vergangenen Jahren? Welche Erwartungen haben Sie für die kommenden Jahre?
Eigenbauer: Die Inlandsaufbringung ist in den letzten Jahren zwar deutlich kleiner geworden (Anm. Tabelle Seite 23, Grafik Seite 24) – aufgrund der Schwankungsbreiten wäre es aber falsch, von einem Trend zu sprechen. Das Inlandsaufkommen kann auch wieder steigen. Der Gasverbrauch in Österreich bewegt sich derzeit auf einem relativ stabilen Niveau. Bis zum Jahr 2005 hatten wir noch eine steigende Tangente, ab 2010 gab es dann einen Knick nach unten, bedingt durch die schwierige Marktsituation der Gaskraftwerke. Für die nächsten Jahren können wir versuchen, etwas dazu aus der Klima- und Energiestrategie der Regierung abzuleiten. Das Thema Erdgas kommt dort nicht besonders oft vor. Sehr wohl wird aber Versorgungssicherheit betont. Daher erwarte ich schon, dass sich die Delle, in der sich die Gaskraftwerke derzeit befinden, wieder auffüllt.Auch aus den Konjunkturprognosen können wir ein Halten des Verbrauchs bei 100.000 GWh schließen.
Report: Welche regulatorischen Rahmenbedingungen gilt es noch zu verändern, um einen größeren Anteil »grünes« Gas im Netz zu verteilen?
Eigenbauer: Wir haben bereits das eine oder andere – bewusst gesagt – kleine Entgegenkommen für günstigere Netztarife bei Strom und Gas für all jene, die grünes Gas einspeisen und für Anlagenbetreiber mit einer Wasserstofferzeugung. Das sind allerdings Rahmenbedingungen, die alleine gesehen keine großen Dynamiken erwarten lassen. Sie machen es vielleicht für den Einzelnen leichter, entscheiden aber nicht die Wirtschaftlichkeit einer Anlage. Der Hebel der Netzregulierung ist hier viel zu kurz. Bei Wasserstoffprozessen sind ganz andere Faktoren ausschlaggebend. Wenn Wasserstoff aus Windkraft produziert werden soll, wären ein sehr günstiger Windstrom nötig – weit weg von den derzeitigen Einspeisetarifen. Nötig wäre auch eine effizientere Verfahrenstechnik.
Report: Rein technisch wäre bereits ein unbegrenztes Einspeisen von Wasserstoff oder Biogas in die Gasnetze möglich?
Eigenbauer: Das kommt darauf an. Wasserstoff kann in Kombination mit dem heutigen fossilen Erdgas mit einigen wenigen Prozentpunkten – drei bis vier Prozent – beigemischt werden. Das ist sicherlich ein Anfang, der keine weiteren technischen Änderungen bei Netzen und Verbrauchern verlangt. In Kombination mit CO2 methanisiert wiederum kann Wasserstoff praktisch unbegrenzt ins CH4-Erdgassystem gespeist werden. Das Gas ist dann chemisch gesehen das gleiche wie Erdgas aus Russland. Hier stellt sich eher die Frage, woher die Erzeugung kommen soll. Diese Frage der Kapazitäten haben wir auch bei Biogas, das mit dem Qualitätsunterschied eines geringeren Brennwerts – der aber beherrschbar ist – in die Netze eingespeist wird. Biogas braucht biogene Quellen: entweder einen Agrarrohstoff oder Abfallstoffe aus der Lebensmittelindustrie, wie etwa der Schweinezucht. Wir hatten ja bereits die Diskussion, wie weit Agrarflächen für die Energiewirtschaft genutzt werden sollen. Fazit: In Österreich ist dies sehr begrenzt. Die riesigen Kukuruzfelder für die Biogasproduktion, wie wir sie aus Deutschland kennen, wird es bei uns nicht geben. Auch die Nutztierhaltung ist hierzulande eher kleinteilig aufgestellt. Das ist ein eher stagnierendes Feld.
Bild oben: Der Gasverbrauch in Österreich hat sich im vergangenen Jahrzehnt bei rund 100.000 GWh eingependelt. Vorübergehende Ausschläge nach unten sind der Marktsituation der Gaskraftwerke geschuldet.
Report: Wie könnte ein Zeitfenster für 100 % grünes Gas aussehen? Ist das für Sie persönlich überhaupt vorstellbar?
Eigenbauer: Bei Biogas gibt es wie gesagt Grenzen. Wasserstoffproduktion auf der anderen Seite ist einfach eine Frage der technischen Weiterentwicklung. Sobald dies wirtschaftlich abbildbar wird, kann das die Gaswirtschaft verändern – ich sehe das durchaus für den Zeitraum 2030 bis 2050 möglich. Bis 2030 werden wir es wohl eher mit Piloten, Versuchen und Beimischungen zu tun haben.
Report: Welche Erwartungen haben Sie an die österreichische Ratspräsidentschaft bei Energieangelegenheiten?
Eigenbauer: Im Mittelpunkt werden die Verhandlungen der offenen Energiepakete stehen. Unter der bulgarischen Ratspräsidentschaft wurde zuletzt das Thema erneuerbare Energien endverhandelt und es gibt das Bestreben, noch die Themen Energieeffizienz und Governance zu lösen. Der österreichischen Seite bleiben die Themen Stromrichtlinie und Gas. Bei Letzterem sind in der EU bis zum Jahr 2020 ohnehin neue Regelungen nötig. Das, was momentan in dem Papier steht, schaut mir nicht konsensfähig aus.Report: Woran spießt es sich?
Eigenbauer: Es gibt zum Beispiel die Diskussion, inwieweit europäische Regelungen so ausgedehnt werden können, damit sie auch in internationalen Gewässer wirken. Das wäre für Pipelineprojekte wie Nord Stream 2 relevant, die durch internationale Gewässer zwischen Russland und Deutschland gebaut wird. Diese Pipeline plötzlich auch in der Ostsee zu einer praktisch binneneuropäischen Leitung zumachen, würde ein völlig anderes Regelwerk benötigen. Ich glaube nicht, dass dies so durchgehen wird.
Report: Welche Konkurrenz erwächst den Pipelines durch »Liquefied Natural Gas (LNG)« ?
Eigenbauer: Auch in Europa wird mit der LNG-Karte gespielt, wie sehen in diesem Markt ein ständiges Auf und Ab in puncto Wirtschaftlichkeit. Schon aus Gründen der Versorgungssicherheit ist man prinzipiell daran interessiert, möglichst viele LNG-Projekte zu haben, ebenso wie möglichst viele Pipeline-Projekte. LNG wurde aber immer dann groß diskutiert, wenn man günstigere Preise für den Erdgastransport durch die Pipelines forcieren wollte. Die »Drohung«, mehr Fokus auf LNG-Terminals zu setzen, hat in der Realität aber nie dazu geführt, dass tatsächlich LNG in großen Mengen angenommen wird.
Am Absatzmarkt Europa sind vor allem amerikanische Produzenten interessiert. Noch haben sie preislich gesehen gegen das über Pipelines transportierte Erdgas keine Chance. LNG ist vielmehr ein Thema für Volkswirtschaften, die über ihre bestehende Leitungsinfrastruktur zu wenig Erdgas bekommen. So verfolgt China die Strategie, Terminals entlang der Küsten, direkt bei den großen Verbraucherzentren zu errichten. Die Pipeline nach Russland wird zwar gebaut, hat aber Kapazitätsgrenzen und ist bis nach Sibirien 4000 bis 5000 km lang. Auch Länder wie Japan sind natürlich auf LNG angewiesen.
Bei der LNG-Diskussion hier will man meiner Beobachtung nach eher den pipelinebezogenen Gasimport über Russland und die Türkei unter Druck setzen.