Kristian Ruby, Generalsekretär von Eurelectric, der Vereinigung von Europas Energiewirtschaft, über das Clean-Energy-Package und die Folgen des Brexits.
Report: Was sind die Erwartungen von Eurelectric an die Ratspräsidentschaft Österreichs?
Kristian Ruby: Die Erwartungen ist, dass es Österreich schafft, das Clean-Energy-Package zu schließen – nicht mehr und nicht weniger. Das ist natürlich ein Druck, der auf dieser Ratspräsidentschaft lastet, aber er ist notwendig. Denn allem, was in dieser Legislaturperiode nicht abgeschlossen wird, droht eine neuerliche Öffnung durch das Parlament und einer neuen Kommission.
Report: Woran hakt es bei der Ratifizierung dieses Pakets?
Ruby: Ich würde von keiner Krise reden – es liegt einfach viel Arbeit auf dem Tisch. Das Paket bedeutet eine historische Reform mit vielen unterschiedlichen Elementen – Energieeffizienz, Erneuerbare Ziele, Governance und die Reform des Energiebinnenmarktes. Das macht es für die Ratspräsidentschaften generell zu einer Herausforderung. Einerseits sollen sämtliche Themen gleichzeitig vorangebracht werden, da ja alle Bereiche miteinander verknüpft sind. Andererseits kann man nun nicht auf Dauer auf alle Punkte einheitlich eingehen. Ich denke aber, dass die bulgarische Präsidentschaft eine gute Grundlage für die Finalisierung des Pakets geschaffen hat.
Report: Thema Nummer eins derzeit ist die Energiewende in Europa. Wie ist Ihr Standpunkt dazu?
Ruby: Wir glauben daran. Eine Studie, die wir gemeinsam mit McKinsey durchgeführt haben, zeigt, dass es noch ein Riesenpotenzial für die Elektrifizierung Europas gibt. Wirtschaft und Gesellschaft stehen heute bei einem Elektrifizierungsgrad von rund 22 %. Will man nun tiefgehend entkarbonisieren, wie es momentan auch in Österreich diskutiert wird und wie es die Kommission mit der Mid-Century-Strategy angekündigt at, wird man auf Elektrizität vertrauen müssen. In der Studie wurde ermittelt, dass bei einer erreichten CO2-Reduktion um 95 % bis zum Jahr 2050 dieser Grad auf 60 % direkte Nutzung steigen kann. Wasserstoffverfahren und die Erzeugung von synthetischen Kraftstoffen mithilfe von Strom sind hier noch gar nicht eingerechnet.
Report: Wie geht die Energiewirtschaft mit dem Brexit um?
Ruby: Es wäre sinnlos, jetzt künstlich Barrieren zu errichten. Der Industrie – sowohl auf englischer Seite als auch auf dem Kontinent – geht es darum, minimale Störungen zu haben. Wir möchten weiterhin Strom handeln können und versuchen unseren Beitrag in diesem Prozess zu leisten, ein Vertragswerk für eine Welt nach dem Brexit zu schreiben. Wir denken, es sollte auch ein Climate-Energy-Kapitel enthalten und diskutieren Details dazu. Letztlich brauchen wir eine Regelung, mit der die Industrie weiterhin so gut wie möglich die Bürgerinnen und Bürger mit Strom versorgen kann. Und in Südengland sind große Kraftwerke geplant, ebenso wie der Ausbau von Offshore-Windenergie in der Nordsee. Dazu wäre eine direkte Kabelverbindung zwischen Holland und England schon sinnvoll.