Sonntag, Dezember 22, 2024
"Historisch gut"

Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report spricht Bau-Experte Michael Klien vom Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo über die historisch gute Stimmung in der Bauwirtschaft, kontraproduktive Entscheidungen der Politik und welche Maßnahmen Unternehmen im Aufschwung setzen müssen, um für die Zeit danach gerüstet zu sein. Außerdem kündigt er an, dass die Wachstumsprognose noch einmal nach oben revidiert wird.

Report: Aktuell hört man von vielen Unternehmen der Bauwirtschaft gute Nachrichten. Die Auftragslage ist gut, die Umsätze entwickeln sich erfreulich. Lassen sich diese Einzelmeldungen auch aus Sicht des Wirtschaftsforschers bestätigen?

Michael Klien: Das Wifo führt monatlich einen Konjunkturtest durch. Da sieht man, dass die Stimmung in der Bauwirtschaft ab der Mitte des letzten Jahres deutlich besser wurde und dann im ersten Halbjahr 2017 noch einem einen ordentlichen Schub bekommen hat. Man kann mit ruhigem Gewissen von einer historisch guten Stimmung sprechen, was die aktuelle Situation anbelangt. Wir fragen aber auch nach den Erwartungen für die nächsten Monate und auch da haben sich die Ergebnisse deutlich verbessert, wenn auch nicht ganz so optimistisch.

Report: Worauf führen Sie zurück, dass die Erwartungen an die unmittelbare Zukunft nicht ganz mit der Bewertung der aktuellen Lage mithalten können?

Klien: Man ist einfach vorsichtiger geworden in den letzten Jahren. Wir hatten schon 2012 und 2013 eine gute Stimmungslage, die Realität konnte dann aber nicht mithalten. Auch wenn man sieht, dass es aktuell gut läuft, fehlt bei vielen Unternehmen das Vertrauen, dass die Entwicklung auch nachhaltig ist.

Report: Schlägt sich die gute Stimmung auch schon in Zahlen nieder?

Klien: Auf jeden Fall. Man sieht, dass die Unternehmensergebnisse auch zu den von der Statistik Austria erhobenen Produktionszahlen der Branche passen. Alleine bis Mai hatten wir eine Erhöhung um zehn Prozent bei der abgesetzten Produktion gegenüber dem Vorjahr. Trotzdem waren wir Anfang des Jahres mit unseren Prognosen noch vorsichtig, weil gerade zu Jahresbeginn die Witterung eine große Rolle spielt. Die starke Entwicklung hat sich aber dann auch im zweiten Quartal fortgesetzt.

Report: Worauf führen Sie diesen Aufschwung zurück?

Klien: Das ist ja kein bauspezifisches Thema. Man kann aktuell von einer gesamtwirtschaftlichen Erholung sprechen. Nicht nur in Österreich, die gesamteuropäische Konjunktur stabilisiert sich. Als kleine, offene Volkswirtschaft sind wir stark von der internationalen Konjunktur abhängig. Und das zeigt sich aktuell in Österreich und schlägt sich auch am Bau nieder.Das zeigt sich auch daran, dass der Nicht-Wohnbau deutlich zulegt. Und der ist stärker als der Wohnbau konjunkturabhängig.

Report: Zum Thema Wohnbau: Eine Wohnbauoffensive wurde schon vor der letzten Nationalratswahl gefordert, Ende 2015 wurde sie beschlossen, aber die Umsetzung lässt auf sich warten, weil die Wohnbauinvestitionsbank ihre Arbeit noch nicht aufgenommen hat. Wie wirkt sich das auf die Baukonjunktur aus?

Klien: Wenn mehr Wohnraum geschaffen wird, hat das natürlich positive Auswirkungen auf die Baukonjunktur. Aber gerade bei der Wohnbauoffensive muss man sagen, dass diese Verzögerung nicht nur ärgerlich ist, sondern auch völlig kontraproduktiv. Denn die Folge ist, dass jetzt in der Phase des Aufschwungs zusätzliche staatliche Maßnahmen und Anreize gesetzt werden, die überhaupt nicht nötig wären. Da werden zahlreiche Projekte, die ohnehin umgesetzt worden wären, von staatlichen Programmen verdrängt.

Report: Wie wirkt sich die Vergaberechtsnovelle inklusive verpflichtendem Bestbieterprinzip aus?

Klien: Der Glaube, durch rechtliche Vorschriften die Auftraggeber zu einer sinnvollen Handhabung der Vergabekriterien zu bewegen, ist, glaube ich, falsch. Viel wichtiger wäre, die Auftraggeber bei den komplexen  Bestbietervergaben zu unterstützen und das Bewusstsein zu stärken, dass die Kosten durch zusätzliche qualitative Kriterien über den Lebenszyklus betrachtet sinken. Es gibt Länder oder auch große Städte wie Paris mit eigenen Stabstellen, wo eine eigene Abteilung die Magistrate dabei unterstützt, welche qualitativen Kriterien bei der jeweiligen Auftragsvergabe sinnvoll sind und wie Rechtssicherheit garantiert werden kann. 

Report: Der Ausblick ist gut, die aktuelle Lage auch. Dennoch ist der Bau immer noch die Branche mit den meisten Firmenpleiten, weil die Margen stark unter Druck sind. Wie gesund ist die Branche?

Klien: Auch die Margen werden vom Aufschwung mitgetragen. Alleine im ers­ten Halbjahr 2017 hat der Baupreisindex der Statistik Austria um 2,5 Prozent zugelegt. Im ganzen Jahr 2016 waren es 1,7 Prozent. Das deckt sich auch mit unseren Unternehmensbefragungen im Rahmen des Konjunkturtests. Auch da haben sich die Erwartungen an die Preisentwicklung deutlich verbessert.

Report: Was muss für einen langfris­tigen und nachhaltigen Aufschwung geschehen – wo ist die Politik gefragt, wo die Unternehmen?

Klien: Es ist von staatlicher Seite in den letzten Jahren viel unternommen worden. Das sollte man jetzt einmal wirken lassen. Das weitere Baukonjunkturprogramm ist derzeit nicht sinnvoll, weil wir ohnehin im Aufschwung sind. Die Frage ist, wie nachhaltig der generelle Konjunkturaufschwung ist. Wir sind aktuell im Prognoseprozess und sehen die Entwicklung in diesem Jahr jetzt noch einmal optimistischer, als das schon im Juni der Fall war. Und auch für das nächste Jahr revidieren wir die Prognosen nach oben. Und das, obwohl wir mittlerweile sehr vorsichtig geworden sind. Eine Situation wie 2012, als wir und andere einen Aufschwung prognostizierten, der aber nur von sehr kurzer Dauer war, möchten wir nicht noch einmal erleben. Speziell für den Bau hatten wir in der Juniprognose ein Wachstum für 2017 von 2 Prozent, das wird auch nach oben revidiert. 2018 wird die Bauwirtschaft ebenfalls wachsen, aber vielleicht nicht mehr in dieser Höhe. Wesentlich aus meiner Sicht wäre allerdings ein neues Mietrecht, egal wie es letztendlich aussieht. Aber die Firmen brauchen Rechtssicherheit.

Report: Was würden Sie Unternehmen empfehlen?

Klien: Die Gefahr ist, sich am aktuellen Aufschwung und den positiven Aussichten auszuruhen und notwendige Strukturveränderungen nicht umzusetzen. Ich denke da vor allem an Themen wie Digitalisierung und BIM. Die sind jetzt im Moment vielleicht noch nicht zwingend nötig, aber der nächste Abschwung kommt bestimmt und dann muss man gut aufgestellt sein. Deshalb sollte man diese Agenden jetzt keinesfalls hintanstellen.

Report: Was sind aktuell die größten Schwierigkeiten, mit denen die Unternehmen zu kämpfen haben?

Klien: Das größte Produktionshemmnis für Unternehmen ist aktuell der Facharbeitermangel. In den letzten Jahren ist sehr viel günstiges und qualifiziertes Personal aus den umliegenden EU-Ländern nach Österreich gekommen. Das war für die heimischen Unternehmen auch sehr bequem. Man spart sich die Ausbildung, bekommt aber dennoch gutes und billiges Personal. Darunter hat die Lehrlingsausbildung gelitten. Und so etwas rächt sich in der Aufschwungphase. Dazu kommt, dass das Personalpotenzial aus dem Ausland auch nicht unendlich ist. Tschechien etwa sucht aktuell schon seinerseits dringend Fachkräfte.

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