Sonntag, Dezember 22, 2024
"Je gieriger ein Bauherr, desto stärker setzt er auf BIM"

Im Jahr 2013 haben sich der Vermessungsexperte Hanns Schubert und der Zivilingenieur für Bauwesen Edmund Bauer zu den BIM-Vermessern zusammengeschlossen. Ihre Vision: BIM nicht nur im Neubau, sondern auch im Bestand zu etablieren. Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report sprechen sie über ängstliche Architekten, fehlendes Bildungsangebot und erklären, warum die Gier BIM schlussendlich zum Durchbruch verhelfen wird.

Report: Alle Welt spricht von BIM, unsere aktuelle Umfrage (siehe Seite 28) zeigt aber, dass das Thema im Berufsalltag der Architekten eine untergeordnete Rolle spielt. Warum ist das immer noch so?

Hanns Schubert: Es geht bei BIM ja nicht nur um die Architekten. Mindestens so wichtig sind die Tragwerksplaner, die Haustechnik, die Bauherren oder die Facility Manager. Ich teile die Einschätzung, dass viele Architekten von dem Thema keine Ahnung haben. Viele studieren Architektur, weil sie Künstler werden wollen, die Technik ist ihnen suspekt.  

Edmund Bauer: Die Angst vor dem Wandel ist einfach weit verbreitet. Früher war der Architekt derjenige, der am schönsten und schnellsten zeichnen konnte. Als CAD die Büros übernahm, ist das in den Hintergrund getreten. Der Architekt ist der Letzte, der sich mit CAD beschäftigte. Das musste er auch nicht nach seinem Selbstverständnis, das machten die Mitarbeiter. Dieser technologische Gap wird immer größer.

Report: Wer könnten denn Ihrer Meinung nach die Treiber sein, wenn es nicht die Architekten sind?

Bauer: Am Beispiel Deutschland sieht man, dass die öffentliche Hand eine wichtige Rolle spielen kann. Es sind aber auch viele Bauunternehmen ganz vorne mit dabei.

Schubert: Davor haben viele Architekten Angst, weil sie fürchten, dass sie ihr Geschäft an die Bauunternehmen verlieren. Wie schon Max Planck meinte: »Neue Erkenntnisse pflegen sich nicht in der Weise durchzusetzen, dass die Gegner bekehrt werden, sondern dass die nächste Generation mit dem Wissen aufwächst.« So wird es auch beim Thema BIM sein.
Bauer: Allerdings haben wir hier ein Problem der Quantität. Denn an den HTLs spielt BIM immer noch eine untergeordnete Rolle. Da liegt es nur an den lehrenden Personen, ob BIM ein Thema ist. Der Lehrplan sieht es nicht vor. Deshalb haben auch viele Unternehmen Schwierigkeiten, den passenden Nachwuchs zu finden.

Report: Aber an den Unis wird BIM schon gelehrt?

Bauer: Ja, aber die Uni-Absolventen werden ja nicht als Techniker eingesetzt. Von den Universitäten kommen eher neue Entscheidungsträger, es fehlt aber das Fußvolk. Das ist meiner Meinung nach einer der größten Hemmschuhe.

Report: Wo muss man ansetzen?

Schubert: In der Ausbildung – sowohl auf HTL-Ebene als auch bei praxisorientierten Weiterbildungen. Da sind einerseits die Hersteller gefragt, bei der Implementierung der BIM-Lösungen entsprechende Schulungen anzubieten, aber auch die Kunden, die bereit sein müssen, für diese Schulungen zu zahlen. Das kos­tet natürlich.

Report: Gibt es aus Ihrer Sicht noch weitere Hürden?

Schubert: BIM ist da und wird kommen. Das Problem ist, dass noch vieles unvollkommen ist, wie etwa die Schnittstellenproblematik. Es ist auch schwierig, dem Bauherrn verständlich zu machen, dass mit BIM schon in der Planungsphase mehr Arbeit geleistet wird. Der Bauherr glaubt, es gibt eine neue Software und deshalb muss die Planung billiger werden. Die Planung wird aber aufwendiger und komplexer und damit erst einmal teurer. Im Endeffekt profitiert der Bauherr aber natürlich in höchstem Maße von den Kollisionsprüfungen oder der Dokumentation. Dafür braucht es aber ein Verständnis. Noch ist das Claim Management üblich, aber irgendwann wird es nicht zuletzt dank BIM Standard sein, dass wir anständig planen, bauen und betreiben.

Report: Wenn sogar Architekten und Bauunternehmen Probleme mit BIM haben, wie kann man vom Bauherrn erwarten, sich in der Thematik auszukennen?

Schubert: Auch das ist eine Generationenfrage. Anders formuliert: Je gieriger ein Bauherr ist, desto stärker setzt er auf neue Technologien wie BIM, weil man damit richtig Geld verdienen kann. 

Report: Noch hat sich BIM nicht einmal im Neubau durchgesetzt. Sie bieten BIM-Modelle auch für Bestandsgebäude an. Wie verlässlich sind die Vermessungsmethoden, um ein valides BIM-Modell für den Bestand zu bekommen?

Bauer: Das hängt nur von den Anforderungen des  Auftraggebers ab. Technisch ist ein sauberes BIM-Modell auch im Bestand kein Problem. Das Wichtigste ist der Dialog zwischen Besteller und Auftragnehmer, denn je genauer das Modell ist, desto aufwendiger und teurer ist es.

Was wir nicht messen können, weil es nicht sichtbar ist, wie etwa Teile der Haustechnik, kann ergänzt werden, wenn man uns die entsprechenden Pläne zur Verfügung stellt. Wir können 3D-Gebäudemodelle eines geodätisch vermessenen Bestandsobjekts liefern. Damit kann ich den Echtbestand visualisieren.

Schubert: Das hat enorme Vorteile für den Immobilienbetreiber. Zahlreiche Facility-Management-Unternehmen arbeiten aktuell an Themen wie Augmented und Virtual Reality. Dafür liefern wir die Basis.

Report: Wie viele Bestandsobjekte haben Sie schon in BIM abgewickelt?

Schubert: Eine niedrige zweistellige Zahl. Wir haben auch schon namhafte Stammkunden und sind mit einigen in sehr guten Gesprächen.


Google BIM?

Im Anschluss an das Interview stellte Hanns Schubert folgende Überlegung in den Raum: Was wäre, wenn ein finanzkräftiges Unternehmen wie etwa Google sich des Themas annehmen würde und das eine große BIM-Programm entwickelt, das »alle Stückerln« spielt – von der Architektur über Tragwerksplanung und Gebäudetechnik bis zum Facility Management? »Das wäre eine Vision, die BIM im Handumdrehen zum flächendeckende Durchbruch verhelfen würde«, ist Hanns Schubert überzeugt. Wettbewerbsrechtliche Bedenken lässt er nicht gelten. Auch der Erfolg von CAD sei der marktbeherrschenden Stellung von AutoCAD zu verdanken gewesen.

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