Seit Anfang Juli ist mit Digido eine neutrale Plattform zum digitalen Austausch von Transportdaten in Betrieb. Diese verspricht den Nutzern Zeit- und Kostenersparnis, weniger Fehlerquoten und mehr Rechtssicherheit, wie Digido-Geschäftsführer Werner Knausz im Interview erklärt. In der Startphase liegt der Fokus neben Behörden und Kommunen vor allem in der Abfall-, Transport- und Bauwirtschaft.
Report:Die ARA hat Anfang dieses Jahres das Tochterunternehmen Digido Gmbh gegründet. Was bewegt einen Recycling-Spezialisten dazu, eine digitale Transportdaten-Plattform zu gründen?
Werner Knausz: Vor 25 Jahren hat die ARA Standards für Sammlung und Verwertung von Verpackungen, Recycling und Ressourcenmanagement gesetzt und ein einzigartiges System in Österreich geschaffen. Zwischenzeitlich werden in unseren Systemen jährlich mehr als eine Million Tonnen Verpackungen gesammelt, transportiert und recycelt. Basierend auf diesem Know-how setzen wir jetzt mit Digido einen neuen, branchen- und stoffstromübergreifenden Industriestandard beim digitalen Austausch von Transportdaten. Grundsätzlich ist Digido für jegliche Waren- und Güterströme einsetzbar. Aktuell liegt unser Fokus aber auf der Abfall-, der Transport- und der Bauwirtschaft sowie bei Behörden und Kommunen.
Report: Wie funktioniert Digido?
Knausz: Zuallererst möchte ich festhalten, dass Digido keine Konkurrenz zu ERP-Systemen oder gar Behördenplattformen ist. Im Gegenteil: Wir wollen ein unabhängiger Dienstleister für alle Groß- und Kleinunternehmen sowie Behörden und Kommunen sein, sodass diese digital ihre Daten über eine neutrale Plattform austauschen können. Sie müssen sich Digido wie einen elektronischen Briefträger vorstellen, der Daten von einem an einem Transport Beteiligten, etwa dem Versender, digital erhält und diese dann an den Transporteur und den Empfänger der Waren digital weiterleitet. Die Datenübertragung funktioniert aber auch in die andere Richtung. Wenn der Transporteur das Abhol- oder Lieferdatum und der Empfänger nach der Verwiegung das Gewicht eingibt, werden diese Daten wieder an die jeweilig anderen übertragen.
Report: Wie viele Kunden hat Digido bereits?
Knausz: Wir sind mit Digido am 1. Juli in Betrieb gegangen und haben nach zwei Wochen schon 130 Registrierungen. Davon entfallen rund 70 Prozent auf die Bauwirtschaft. Bis Ende des Jahres rechnen wir mit 2.500 bis 3.000 Kunden. Wir sind aktuell auch mit zahlreichen namhaften Playern aus der Bauwirtschaft in Kontakt und das Feedback ist äußerst positiv.
Report: Wie ist die Idee entstanden, eine digitale Transportdaten-Plattform zu entwickeln?
Knausz: Die ARA Servicegruppe ist wie viele andere Unternehmen auch intern hochgradig digitalisiert. Wir haben in den letzten Jahren sogar mit unseren Partnern im Bereich der Entsorger, Sortierer, Verwerter und auch mit allen unseren kommunalen Partnern ein digitales Netzwerk zur Datenübertragung aufgebaut. So weit, so gut, aber die erste Ebene unseres Geschäfts wird durch Liefer- oder Wiegescheine dokumentiert. Und gerade hier sind wir noch in der digitalen Steinzeit. Lieferscheine werden zwar oft in einem ERP-System erstellt, aber dann nach wie vor ausgedruckt und an einen weiteren am Transport Beteiligten übermittelt, der dann ein und dieselben Daten wieder in sein ERP-System eingibt.
Report: Das ist nicht besonders effizient.
Knausz: Ja, das stimmt leider. Und damit wollen wir Schluss machen. Diese Zettelwirtschaft stellt nämlich auch eine große Fehlerquelle dar und bedeutet inkonsistente Daten sowie hohen Zeit- und Kostenaufwand bei Disposition und Folgeprozessen, die wir weitestmöglich vermeiden wollen.
Report: Was kann mit Digido besser werden?
Knausz: Digido ist ein zukunftssicheres, einheitliches und branchenübergreifendes System, das mit praktisch allen handelsüblichen ERP-Systemen kompatibel ist. Digido überträgt die Transportdaten in Echtzeit. Damit haben Baufirmen und Transporteure ihre Lieferscheindaten bereits in ihrem ERP-System, während der LKW noch fährt, und zwar unabhängig davon, wer den Lieferschein wo erstellt hat. Das bringt signifikante Produktivitätssteigerungen durch Wegfall von Mehrfacherfassungen und Korrekturen von ein und denselben Transportdaten und damit große Zeit- und Kostenersparnis.
Report:Wenn ich es richtig verstehe, ist Digido für große Unternehmen mit ERP-Systemen und großen Datenmengen konzipiert. Was ist mit den vielen KMU?
Knausz: Selbstverständlich ist Digido auch für Unternehmen mit ERP-Systemen konzipiert. Wir werden zusätzlich ab Herbst 2017 auch für kleinere Nutzer eine einfache Anwendungslösung anbieten. Bei uns läuft das Projekt intern unter dem Titel KMU 4.0. Mit KMU 4.0 wollen wir KMU, aber auch Gemeinden, Baustellen von Bauunternehmen oder den LKW-Chauffeur durch Apps oder Webanwendungen via Laptop oder Smartphones mittels Digitalisierung auf Augenhöhe mit den Großen bringen. Daraus erwarten wir uns Wettbewerbsvorteile für unsere Kunden und den Standort Österreich.
Report:Was passiert bei Digido mit den Daten, Stichwort Vertraulichkeit?
Knausz: Das ist eine gute Frage. Beim Start vor mehr als einem Jahr haben wir uns gefragt, warum gibt es so ein System noch nicht. Jetzt glauben wir, es zu wissen: weil sich kein Neutraler gefunden hat, der so ein großes Projekt in die Hand nimmt. Deshalb sind bisher auch unzählige Insellösungen von einzelnen Unternehmen entstanden, die untereinander nicht kommunizieren können, was suboptimal ist.Wir nehmen die Vertraulichkeit der Daten sehr ernst. Digido hostet das System bei einem externen Provider. Die Mitarbeiter von Digido haben auch keinen wie immer gearteten Zugriff auf das Produktivsystem und die übermittelten Transportdaten. Falls ein Zugriff auf das Produktivsystem erforderlich sein sollte, etwa weil eine neue Software installiert wird, erfolgt das ausschließlich durch einen externen Datentreuhänder, der auch alles revisionssicher dokumentiert.
Report: Und wie steht es mit der Datensicherheit?
Knausz: Auch mit der Datensicherheit haben wir uns intensiv beschäftigt. Digido ist schon von Grund auf sicher konzipiert, weil Digido keine Transportdaten dauerhaft speichert. Das heißt, Digido übernimmt die verschlüsselt übertragenen Daten und sendet diese ebenso verschlüsselt an die Empfänger gepusht oder gepullt weiter. Nach der Versendung ist der »Briefkasten« von Digido wieder leer. Selbstverständlich wird die Software von Digido auch nach Ö-Norm A7700 zertifiziert.
Wie kommen Nutzer zu Digido?
Interessierte registrieren sich auf der Digido-Homepage, schließen eine Vertrag ab und werden freigeschaltet. Seit Anfang Juli kann man die Austauschplattform testen. Voraussetzung ist die Programmierung der Schnittstelle. Im Herbst 2017 wird es zusätzlich die Lösungen im Rahmen KMU 4.0 für Kleinanwender geben. Diese Produkte sind noch anwenderfreundlicher, weil sie die Schnittstelle bereits beinhalten werden. Der Vollbetrieb für die Partner der ARA Servicegruppe startet ab 1. Jänner 2018.
Weitere Infos: www.digido.at