Tiani Spirit entwickelt Softwarelösungen im Gesundheitswesen und erschließt mit dem Energiesektor nun einen weiteren Markt, in dem sicherer Datenaustausch und Interoperabilität entscheidend sind.
Report: Sie sind seit Jahren im Health-Sektor tätig. Welche Parallelen sehen Sie zum Datenmanagement in Energienetzen?
Martin Tiani: Beide IKT-Landschaften sind historisch gewachsen, sehr komplex und zählen schon lange zu den kritischen Infrastrukturen in Europa. Auch wenn sie sich stark unterscheiden: Sicherheit und Datenschutz haben einen sehr hohen Stellenwert, ein nachhaltiges und reibungsloses Funktionieren ist von hoher gesellschaftlicher Relevanz. In beiden Branchen hat der getrennt voneinander stattgefundene IT-Entwicklungsprozess zu hervorragenden Einzellösungen geführt, allerdings auch häufig zu Abhängigkeiten, Intransparenz und spezifischen Nachteilen für Kunden und Endkunden. Die fehlende Interoperabilität, sprich die mangelhafte Kooperationsfähigkeit der proprietären Systeme, lässt den notwendigen Datenaustausch nicht ohne hohe Extrakosten zu.
Wie kann zum Beispiel einem Patienten nach einem Unfall bestmöglich geholfen werden, wenn der behandelnde Notarzt nicht auf dezentrales, national oder international verstreutes Expertenwissen, ja nicht einmal auf seine Krankenakte zugreifen kann?
Wie kann der Bilanzkreisverantwortliche zur Sicherstellung der Netzstabilität bei zunehmend fluktuierender Energieerzeugung erfolgreiches Demand-Side-Management leisten, wenn er unterschiedliche Verbraucher, Erzeuger und Speicher von dutzenden Herstellern nicht exakt genug und nur wenig automatisiert aufeinander abstimmen kann?
Im Gesundheits- wie im Energiesektor geht es darum, die vorherrschenden babylonischen Verhältnisse zum Wohle der Gesellschaft und für das Gelingen der Energiewende zu überwinden.
Report: Was bietet Tiani Spirit für die Energiewirtschaft? Was sind Ihre Services?
Tiani: Im Gesundheitswesen sind wir im Rahmen des IHE-Umfeldes (Anm. herstellerübergreifende Initiative »Integrating the Healthcare Enterprise ») seit Jahren im Datenaustausch im WAN-Bereich global führend. Im Energiesektor geht es gegenwärtig darum, die im Gesundheitswesen schon langjährig international erfolgreich eingesetzte, standardisierte Methode der IHE zur Sicherstellung der Interoperabilität in den Energiesektor zu übertragen und zu etablieren. Es geht im Wesentlichen um die Adaption des Profilentwicklungsprozesses und der anschließenden neutralen, herstellerunabhängigen Testbarkeit der Interoperabilität.
In diesem Punkt geht übrigens Österreich Europa voran. Unter Konsortialführung der Technologieplattform Smart Grids Austria wird derzeit genau solch ein Projekt durchgeführt, unter anderen befürwortet von E-Control und FEEI und gefördert vom Klima- und Energiefonds.
Sehen Sie sich an, was die IHE die letzten zehn Jahre international geschaffen hat: die globale Community aller Stakeholder, disziplin- und nationale Grenzen übergreifende Zusammenarbeit, Investitionssicherheit für private wie kommunale Beschaffer und vieles mehr. Es ist die Aufgabe der kommenden Monate, genau hierfür auch im Energiesektor den Grundstein zu setzen.
Report: Was sind die Vorteile einer Nivellierung von Industriestandards?
Tiani: Offene Standards unterstützen immer die Verbreitung einer Technologie und das Wachstum einer ganzen Branche. Nehmen Sie als Beispiel das GSM im Mobilfunk oder im Internet E-Mail und HTTP – alles Erfolgsgeschichten und Wegbereiter für ausgeprägtes Marktwachstum. Die Energiewende benötigt in den nächsten Jahren hohe Investitionen in die Infrastruktur, besonders im Bereich der IKT. Wenn Interoperabilität von Anfang an mitgedacht wird, fördert es den Wettbewerb.
Die Notwendigkeit von Standards und Interoperabilität zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Nordamerika und Asien hat die Europäische Union schon lange erkannt und sie steht weit oben in der Prioritätenliste. Der einheitliche digitale Binnenmarkt, grenz- und sektorenübergreifend, ist wesentlicher Bestandteil der Agenda 2020 und umfasst die Integration von Mobilfunk, Internet der Dinge, Cloud, Big Data und Cybersecurity mit besonderem Fokus auf die Sektoren Energie, Gesundheit, Produktion und Transport.
Sie sehen, die Errungenschaften im Gesundheitswesen hinsichtlich der schon fortgeschrittenen digitalen Integration können auch in anderen Branchen von großem Nutzen sein – am Ende besteht jede Information aus Nullen und Einsen und es gibt keinen entscheidenden Unterschied, ob eine Datumsinformation für ein Krankenhaus oder für ein Stadtwerk fließt.
Um den dynamischen Entwicklungsprozess der Digitalisierung für die Energiewende optimal nutzen zu können, ist es wichtig, die Synergien einer erprobten Methodik zu heben um schnellstmöglich die Kommunikation zwischen unterschiedlichen Smart-Grid-Komponenten zu gewährleisten.