Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report spricht der neue technische Geschäftsführer von HOCHTIEF Infrastructure Austria, Andreas Boettcher, über den Einfluss des neuen Vergaberechts auf die Angebotsbearbeitung, BIM im Tiefbau und warum die Lage im Tiefbau trotz gutem Auftragsvolumen alles andere als rosig ist.
Report: 2014 verzeichnete der Tiefbau in Österreich ein Produktionsplus von knapp 5 % auf 9,1 Mrd. Euro. 2015 ist der Produktionswert im Jahresdurchschnitt nur um 1 % bis 2 % gestiegen. Wie läuft 2016 bisher und wie sind Ihre Erwartungen an das restliche Jahr?
Andreas Boettcher: Die beiden österreichischen Niederlassungen in Wien und Innsbruck verfügen derzeit über einen soliden Auftragsbestand. Die Schwerpunkte liegen hierbei auf dem Erd- und Straßenbau und Tunnelbau, hier sowohl beim bergmännischen als auch maschinellen Vortrieb.
Die Niederlassung betreibt weiterhin eine ambitionierte Angebotsbearbeitung ausgesuchter Projekte, mit dem Ziel neue Aufträge in 2016 zu gewinnen und mittelfristig auszuführen. Dazu gehört auch ein kontinuierliches Wachstum der Niederlassung im Bereich Personal.
Report: Seit 1. März gilt in Österreich das neue Vergaberecht. ÖBB und Asfinag haben schon davor Pilotprojekte nach dem Bestbieterprinzip ausgeschrieben. Welche konkrete Auswirkungen sind durch diese Neuerungen spürbar?
Boettcher: Unsere Angebotsbearbeitung ist davon nicht beeinflusst, da wir immer bestrebt sind, nicht den niedrigsten Preis, sondern das beste Angebot abzugeben. Dazu gehören etwa auch Qualitätssicherung, Terminplan, Arbeitsschutz oder Logistikkonzepte. Das bedeutet natürlich eine vertiefte Angebotsbearbeitung, weshalb wir uns auch eine faire und transparente Bewertung der Qualitätskriterien durch den Auftraggeber erwarten.
Report: Welche generellen Erwartungen verbinden Sie mit dem neuen Vergaberecht?
Boettcher: Die Verschärfung hinsichtlich Lohn- und Sozialdumping begrüßen wir sehr. Ob die angestrebte höhere Beteiligung von KMUs durch die neuen Regelungen zur Stärkung der Eigenleistung umsetzbar ist, bleibt abzuwarten.
Report: BIM wird derzeit vor allem mit dem Hochbau in Verbindung gebracht. Welche Rolle spielt BIM im Tiefbau bzw. welche Rolle kann es zukünftig spielen?
Boettcher: BIM wird in der Zukunft auch im Tiefbau verstärkt Einzug halten. Allerdings sind noch viele Voraussetzungen von der Software bis zur Personalschulung zu erfüllen bzw. noch ungeklärt. Darüber hinaus sollten nicht »Wunderdinge« von BIM erwartet werden, sondern Schritt für Schritt eine sinnvolle Umsetzung angestrebt werden. Die Anwendungsgebiete und Anforderungen im Hoch- und Ingenieurbau sind sicherlich andere als im Tunnelbau oder im Erd- und Straßenbau.
Report: Wo sehen Sie aktuell die größten Herausforderungen für Tiefbauunternehmen in Österreich?
Boettcher: Die Tiefbauunternehmen in Österreich sind mit der Situation konfrontiert, dass trotz öffentlicher Investitionen und dementsprechend gutem Auftragsvolumen die Niedrigpreisspirale nicht durchbrochen werden kann. Eine konsequente Umsetzung des Best- statt Billigstbieterprinzips könnte ein Schritt in die richtige Richtung sein.
Report: Sie haben eben Stephan Otto als technischen Geschäftsführer abgelöst. Welche kurz-, mittel- und langfristigen Ziele verfolgen Sie?
Boettcher: Kurzfristig ist unser Ziel die erfolgreiche Umsetzung der laufenden Projekte, mittel- und langfristig streben wir eine weitere Stärkung der Positionierung von HOCHTIEF am österreichischen Baumarkt an.