Freitag, Juli 19, 2024

Die Hersteller mineralischer Baustoffe, repräsentiert im Fachverband Steine-Keramik, sind in den vergangenen 20 Jahren durch bewegte Zeiten gegangen. Wie die Rahmenbedingungen damals waren und was sich im Vergleich zu heute geändert hat, erklärt der Obmann des Fachverbandes Steine-Keramik in einem Gastkommentar.
Von Manfred Asamer

Es war vor 20 Jahren, als Österreich »Ja« gesagt hat – ein Ja zur Europäischen Union. Am 1. Jänner 1995 wurde der offizielle Beitritt vollzogen. Seit 1995 hat sich die EU sehr verändert. Die Europäische Union des Jahres 2016 lässt sich nur mehr schwer mit jener Gemeinschaft vergleichen, in die Österreich vor 20 Jahren nach langen, zähen Verhandlungen aufgenommen wurde. Schengen, Euro, Bankenkrise oder Bürokratie sind nur einige Schlagworte, die für das Image der Union heute stehen.

Für die Stein- und keramische Industrie war der EU-Beitritt nicht nur ein positives Ereignis. Den Vorteilen des freien Marktes, wie Wegfall der Zölle und Einfuhrbeschränkungen, standen neue technische Regelwerke für Bauprodukte unter dem CE-Zeichen und die gegengleiche Öffnung des heimischen Marktes gegenüber. Für Bauprodukte aus dem EU-Ausland wurde es einfacher, sich am österreichischen Markt zu etablieren. Der Druck für die einheimischen Hersteller nahm und nimmt stetig zu.

Gebaut wurde auch in der Krise

Nach der Jahrtausendwende herrschte Aufbruchsstimmung: »Go east!« war das Motto. Diesem Ruf folgten viele Unternehmen aus Österreich mit Expansion in neue Märkte, vor allem in jene der MOEL-Staaten, wo sie maßgeblich für den Ausbau der Infrastruktur verantwortlich waren.

Spätestens mit der Wirtschaftskrise 2008/2009 endete dieser Trend. Einschneidende Rückgänge bei Gesamtbauvolumen und Absätzen waren die Folge. Das Niveau vor der Krise wurde nie wieder erreicht, Immobilienpreise stiegen auf neue Rekordhöhen und verteuerten das Bauen drastisch und die zunehmende Verschuldung der Gemeinden ließ Märkte auf kommunaler Ebene wegbrechen. Dank der Wohnbauförderung ist das Baugeschehen in Österreich aber auch während der Krise nicht zum Erliegen gekommen, wie dies in vielen anderen Ländern Europas der Fall war.

Als Folge der Krise setzte in der Stein- und keramischen Industrie ein Konzentrations- und Spezialisierungsprozess ein, der in Österreich mit dem Wandel der Märkte einherging. Die Branche hat diese schwierige Zeit hervorragend gemeistert und sich auf die neuen Rahmenbedingungen durch Flexibilität und Innovation eingestellt. Aufgrund dieser Fähigkeiten ist die Branche auch heute gut gerüstet für die gegenwärtigen und zukünftigen Herausforderungen: Leistbares Wohnen und kostengünstiges Bauen sind die Megathemen für die gesamte Baubranche. Zuzug und Flüchtlingskrise sorgen dafür, dass diese Themen für unbestimmte Zeit tonangebend sein werden. Andere Bauweisen drängen ins Hochbaugeschehen, vermehrt auch im mehrgeschoßigen Wohnbau sowie im Schul- und Gewerbebau. Die Branche ist daher weiterhin gefordert, ihre Konkurrenzfähigkeit auszubauen und Marktanteile zu verteidigen. Die Tendenzen zur Vorfertigung, zur Modulbauweise und zu Gesamtsystemen werden sich fortsetzen und verstärken.

Zuversichtlich in die Zukunft

Trends zum integrierten Planen oder Building Information Modeling (BIM) machen individuelle Betreuung von Kunden und Planern immer wichtiger, um diese mit maßgeschneiderten Systemlösungen zu versorgen. Spezialisierung und Abheben von der Konkurrenz wird gefragt sein, denn Standardprodukte werden zunehmend aus Niedriglohnländern importiert.

Sich stetig ändernde Rahmenbedingungen verlangen der Branche viel ab. Eine starke Interessensvertretung, welche die Branche zum richtigen Zeitpunkt entsprechend positioniert, ist unumgänglich. Standortschädigenden Entwicklungen gilt es gegenzuwirken. Ich bin überzeugt, dass wir gemeinsam diese Herausforderungen meistern werden und blicke mit Zuversicht in die Zukunft.

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