Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report sprechen die neuen Nevaris-Geschäftsführer Wolfgang Götz und Michael Homscheid über die wachsende Nachfrage nach BIM, prozessorientierte Bausoftware zur Optimierung des Workflows und die Rolle von Cloud- und SaaS-Lösungen in einer traditionellen Branche.
Report: BIM ist in aller Munde, hat sich im österreichischen Arbeitsalltag aber noch nicht durchgesetzt. Welche Rolle spielt BIM für Nevaris?
Wolfgang Götz: Building Information Modeling ist ein Megatrend mit dem Beigeschmack von Zukunftsmusik, denn tatsächlich ist die Technologie noch sehr wenig im Einsatz. Fakt ist, der große Boom wird kommen. Daher ist BIM für uns heute ein absolutes Verkaufsargument. Die Bauunternehmen sehen diesen Trend zunehmend und verlangen förmlich nach der Technologie, um zukunftsfähig zu sein.
Report: Warum sollten Bauunternehmen schon jetzt BIM einsetzen?
Michael Homscheid: BIM zeigt seine beste Performance als »big open BIM«-Lösung, denn so deckt sie den Prozess des Planens, Bauens und Bewirtschaftens von Bauwerken rundum ab, auf Basis eines konsistenten und allen zugänglichen digitalen Bauwerksmodells. Die Datendurchgängigkeit besteht von der Visualisierung in einer sehr frühen Planungsphase bis hin zum Facility Management. Der maximale Nutzen entsteht durch die Kollisionsprüfung und die Simulation des Bauablaufs. Mit der Mengenermittlung und der Baukostenermittlung bietet auch der etwas schmälerer Einsatz von BIM riesige Vorteile für Bauunternehmen. Vor allem die Mengenermittlung in einem zweidimensionalen Plan ist ein sehr aufwendiger, oft fehlerbehafteter Prozess, der häufig händisch abgewickelt wird. Durch die Erstellung eines 3D-Gebäudemodells kann die Ermittlung der Mengen rasch, automatisch, sehr präzise und vor allem einfach erfolgen. Unterschiedliche Modelle können miteinander verglichen und erste Aussagen zur Wirtschaftlichkeit eines Gebäudes getroffen werden. Änderungen in der Geometrie sind per Knopfdruck möglich, sämtliche erforderlichen Mengen werden neu ermittelt.
Götz: Ein weiterer Vorteil sind konkret kalkulierte Preise schon in einer sehr frühen Planungsphase. Die ermittelten Kosten können mit fortschreitendem Planungs- und Realisierungsprozess präzisiert und dokumentiert werden. Damit ist eine persistente Kostenkontrolle und -dokumentation gewährleistet.
Report: Was erwarten Sie sich vom Erwerb der Mehrheitsanteile am BIM-Spezialisten Hartmann Technologies?
Götz: Hartmann Technologies, mittlerweile die Nevaris BIM-Software GmbH, verfügt über eine marktreife BIM-Lösung mit Content. Der Zukauf dieser Technologie war für uns ein logischer Schritt, um unsere Software abzurunden. Die BIM-Lösung ist perfekt in Nevaris integriert und auch mit anderen Produkten der Nemetschek Group (Allplan, Archicad, Solibri, bim+; Anm.d.Red.) zu einer »big open BIM-Lösung« ausbaufähig.
Report: Mit Nevaris Build verfügen Sie über eine prozessorientierte Bausoftware für kleine, mittlere und große Bauunternehmen, die den Workflow optimieren soll. Wie sehr werden derartige Lösungen heute nachgefragt? Anders gefragt: wie groß sind die Berührungsängste in einer als traditionell verrufenen Branche?
Götz: Nun, die Baubranche ist besser als ihr Ruf. Trotz berechtigter traditioneller Denk- und Handlungsweisen sehen wir bei unseren Kunden große technologische Innovationskraft und die Bereitschaft, beinahe schon das Streben nach Neuerungen und schlüssigen Konzepten wie einer durchgängigen Bausoftware.
Homscheid: Zum Thema Workflow: Niemand wird die Software nur aufgrund der Prozessorientierung wechseln, sie ist aber eines der geschätzten Merkmale an Nevaris, weil sie die Bedienung einfach massiv erleichtert.
Report: Nevaris ist auch als flexibel nutzbare Miet-Lösung in der Cloud erhältlich. Sind die Themen Cloud-Computing und Software-as-a-Service in der Baubranche schon angekommen oder handelt es sich nach wie vor um ein Minderheitenprogramm?
Homscheid: Das ist für die Module für Planer korrekt, diese sind im Mietmodell verfügbar und diese werden nur für genutzte Zeiträume bezahlt. Noch ist es bei uns im Haus eher die Ausnahme, dass nach der Cloud-Lösung oder dem SaaS-Modell gefragt wird, doch der Trend dorthin wächst stetig, siehe Anbieter wie Microsoft oder Adobe. Gut zu wissen ist, dass Nevaris beides kann: Nevaris bietet Software-as-a-Service, aber funktioniert auch on premise, wir bieten die Cloudlösung, aber auch eine Inhouselösung. Wichtig ist, dass wir nicht statisch in eine Richtung denken und entwickeln, sondern die Trends am Schirm haben, ohne an den aktuellen Bedürfnissen unserer Klientel vorbeizuentwickeln. Dies ist oftmals ein Spagat und mit Kosten verbunden, wir sind aber überzeugt, dass sich dieser Aufwand lohnt.
Report: Welche Vorteile bieten Cloud- und SaaS-Lösungen für den User?
Götz: Standortunabhängigkeit, sprich Zugriff auf alle Projekte zu jeder Zeit, an jedem Ort und natürlich auch Kostenersparnis, da die Serverwartung entfällt. Es ist oftmals lediglich eine Frage der Firmenphilosophie, wie und wo ein Kunde seine Daten ablegen möchte. Wir möchten keinen Trend vernachlässigen und beide Möglichkeiten anbieten.
Report: Unsere Umfragen zeigen jedes Jahr, dass die User sehr treu sind und nur selten das Programm oder den Anbieter wechseln. Mit Auer Success verfügen Sie über ein weit verbreitetes Programm. Warum sollen Ihre Kunden auf Altbekanntes verzichten und auf Nevaris umsteigen?
Götz: Das deckt sich absolut mit unseren Kundenerfahrungen. Jeder Auer Success-Kunde wird sich mit dem Wechsel auf Nevaris leicht tun, weil er viele der in Success lieb gewonnenen und geschätzten Funktionalitäten auch in Nevaris wiederfindet. Mit Nevaris bekommt der Anwender eine Lösung, die die gewohnten Vorteile von Success mit Up-to-date-Neuerungen und lang ersehnten Kundenwünschen verbindet.
Homscheid: Nevaris vereint zahlreiche Funktionen weit über Success hinaus, Umlagekalkulation, Kalkulationsvergleiche, Neuerungen in der Rechnungsprüfung, um nur einige wenige Punkte zu benennen. Die Einbindung von Nevaris BIM erlaubt eine effizientere Nutzung des 3D-Modells für die Mengenermittlung und bietet die Integration unserer kaufmännischen Lösung.
Report: Sie haben Anfang 2016 die Geschäftsführung von Nevaris Österreich übernommen. Welche Ziele haben Sie sich gesetzt?
Homscheid: Unternehmensintern verbinden wir augenblicklich alle unsere Standorte miteinander, was spannend ist, da wir nun ja ein Unternehmen mit 150 Mitarbeitern sind. Für den deutschen und österreichischen Markt gibt es natürlich unterschiedliche Ziele und Strategien, wobei in Österreich mit Sicherheit die weiterhin enge Betreuung unserer Stammkunden und der schrittweise Umstieg auf Nevaris Hauptziel sein wird. Wir werden den Umstieg mit vernünftigen Angeboten forcieren, haben aber auch noch immer ein genaues Auge auf die beliebte Bestandslösung Auer Success.