Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report spricht Ernest Stühlinger, AUVA-Präventionsexperte zum Thema Asbest, über die Gefahr, die von Asbest auch heute noch ausgeht, das oftmals fehlende Know-how für die fachgerechte Entsorgung und die Illusion einer asbestfreien Gesellschaft.
Report: Asbest ist seit 1990 verboten, damit aus Neubauten verschwunden. Inwieweit ist Asbest heute dennoch ein Thema?
Ernest Stühlinger: Das ist eine ganz interessante Sache. Es gibt eine EU-weite, von Deutschland ausgehende Vision, dass Europa im Jahr 2020 asbestfrei sein soll. Aber das werden wir nicht einmal in Mitteleuropa schaffen. Asbest ist verbaut und es gibt keine gesetzliche Verpflichtung, das Asbest zu entfernen. Am ehesten gelingt uns das bei den Dächern, die jetzt nach 25 Jahren saniert werden müssen. Das Problem ist, dass die Leute, die mit dieser Sanierung zu tun haben, den Umgang mit Asbest oft gar nicht mehr erlernt haben. Das ist ein riesiges Problem.
Ebenso das Asbest in den Innenräumen. Dort wird es auch noch lange bleiben. Es wird ja nicht schlecht. Erst wenn im Zuge einer Modernisierung Umbauarbeiten stattfinden, muss man sich etwas überlegen.
Report: Wo steht Österreich in Sachen Asbest im internationalen Vergleich?
Stühlinger: Österreich ist nicht schlecht unterwegs. In Deutschland kam das Verbot etwa erst ein paar Jahre später. Die Verbreitung in den Ländern dürfte recht ähnlich sein. Es gibt aber Länder, die deutlich bessere Aufzeichnungen haben. Im ehemaligen Ostdeutschland wurde etwa viel weniger eingebaut, weil es einfach kaum Zugang zu Asbest gab. Österreich war da im negativen Sinn im Vorteil, weil Asbest hier in großen Mengen erzeugt wurde.
Ein großes Problem ist, dass Asbest jetzt zwar nicht mehr eingebaut, aber immer noch verwendet wird. Man sieht das gar nicht so selten, dass zum Beispiel mit Asbest Brennholz abgedeckt wird. Da greift man es dann besonders oft an.
Report: Wie groß ist die Gefahr?
Stühlinger: Das ist immer davon abhängig, wie man damit in Berührung kommt. Dass es sehr gefährlich und krebserregend ist, weiß man. Besonders gefährlich ist eine bestimmte Fasergeometrie, die – vereinfacht ausgedrückt – beim Ein- und Ausatmen sticht und die der Körper nicht als einen Fremdkörper erkennen kann und der entzündend wirkt. Alle anderen Fremdkörper werden ähnlich wie eine Perle in einer Muschel eingesponnen, dadurch verringert sich allerdings das nutzbare Lungenvolumen.
Web-Tipp der Redaktion zum Thema Asbest: http://www.report.at/bau-immo/leben/item/88744-web-tipp-wissenswertes-zum-thema-asbest |
Report: Wo trifft man neben dem Dach im Gebäudebereich am häufigsten auf Asbest?
Stühlinger: Überall! Das beginnt im Unterbau von Boden, vom Estrich über die Vinylböden und den Kartonrücken bis zum Belag selber. Auch im Fliesenkleber oder Wandspachtel kann Asbest sein, ebenso bei Kabeldurchführungen für Brandschutzzwecke oder bei Einzelkonvektoren, in den Schaltschränken oder hinter den Sicherungskästen, auch im Isoliermaterial der Sicherungskästen. Es gibt wirklich kaum eine Stelle im Gebäude, wo man nicht auf Asbest treffen kann.
Report: Überspitzt formuliert: Sollte man Gebäude, die vor 1990 errichtet wurden, meiden?
Stühlinger: Nein, denn solange Sie Asbest nicht berühren, stellt es kein Problem dar. Aber sobald Sie es berühren, dringen die Fasern über die Luft in die Atemwege ein und dann haben Sie ein Problem. Deshalb wurde ja auch niemand dazu gezwungen, zu sanieren. Das Problem ist nur: Wenn es dann in 20 oder 30 Jahren so weit ist, dann weiß keiner mehr, wie man mit dem Material richtig umgeht. Deshalb beginnen wir jetzt auch im großen Stil mit einer Aufklärungskampagne mit Unterlagen, Homepage und vielem mehr.
Report: Nehmen Sie hier auch die Baufirmen in die Pflicht, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen?
Stühlinger: In die Pflicht kann man in Österreich gar niemanden nehmen. Wir versuchen aber mit den erwähnten Maßnahmen eine Bewusstseinsbildung zu schaffen. Deshalb arbeiten wir auch gerade an Schulungen für Unternehmen, mit denen wir noch in diesem Jahr starten wollen.
Report: Kann man in etwa abschätzen, wie viel Asbest in Österreich heute noch verbaut ist?
Stühlinger: Nein, gar keine Chance. Am ehesten kann man es noch im Dachbereich erkennen. In den Städten hat sich da durch den Boom der Dachgeschoßausbauten schon viel getan. Aber am Land reden wir sicher noch von einem Asbest-Anteil von 60 bis 80 Prozent.
Report: Was passiert mit fachgerecht abgebautem Asbest?
Stühlinger: Wenn das Asbest fachgerecht abgebaut wurde, muss es noch am Abbauort möglichst staubdicht verpackt oder in verschließbare Container gegeben werden. Diese Container kommen dann auf eine Deponie, die über die entsprechende Genehmigung verfügt und Asbest entgegennehmen darf.
Report: Wie gut funktioniert die fachgerechte Entsorgung in Österreich?
Stühlinger: Das ist schwer zu sagen. Eine genaue Schätzung ist unmöglich. Aber man sieht leider schon immer wieder, dass Leute das Asbest selber runternehmen. Und ich gehe ehrlich gesagt nicht davon aus, dass das dann immer richtig entsorgt wird. Denn lassen Sie es mich so sagen: Die fachgerechte Entsorgung von Asbest unterliegt einer logarithmischen Preiszunahme. Über einen gewissen Zeitraum haben sich die Entsorgungskosten im Zwei-Jahres-Rhythmus stark erhöht.Und das schreckt sicher viele ab.
Report: Gibt es Firmen, die sich auf die fachgerechte Entsorgung von Asbest spezialisiert haben?
Stühlinger: Da stehen wir noch ziemlich am Anfang, es beginnen aber jetzt Firmen, diese Nische für sich zu entdecken. Es gibt im Moment zwei bis drei ganz große Unternehmen, die das können. Bei kleineren Unternehmen ist es schwierig. Theoretisch können muss es ja jede Baufirma, aber nicht überall ist das tatsächliche Know-how auch vorhanden. Das macht es für Kunden natürlich sehr schwierig. Ich muss ehrlich sagen, wenn ich als Privatperson eine von den kleinen Firmen engagieren müsste, ich wüsste nicht, wen.
Was wir bräuchten, wäre irgendein Befähigungsnachweis. Eine freiwillige Zertifizierung, damit interessierte Kunden auch die Gewissheit haben, dass das Unternehmen weiß, was es tut.
Report: Wie lange wird es dauern, bis Österreich asbestfrei ist?
Stühlinger: Klare Antwort: Das wird aufgrund der Lebensdauer von Gebäuden nie der Fall sein. Das ist aber auch kein Problem, denn solange man das Asbest nicht angreift, ist es ja nicht gefährlich.