Wer nicht Zielscheibe von Shitstorms werden will, sollte glaubwürdig und korrekt kommunizieren, meint Andreas Ban, Geschäftsführer von ConnectedMedia.
(+) Plus: Es ist wichtig, im Internet nicht nur gefunden zu werden, sondern möglichst positiv zu erscheinen. Haben Unternehmen Angst vor Interaktion, weil das auch nach hinten losgehen kann?
Andreas Ban: Sensible Branchen wie Pharma, Banken, Versicherungen oder Immobilien haben kein grundsätzliches Interesse, im Social-Media-Bereich präsent zu sein. Diese Unternehmen haben durchaus Ängste, mit einer anonymen Masse an potenziellen Konsumenten oder auch Kritikern zu kommunizieren. Bei Konsumgütern ist das genau umgekehrt: Da will man marktschreierisch nach außen gehen. Zudem ist oft nicht geklärt, wo Social Media im Unternehmen anzusiedeln ist. Das ist auch eine Frage der Ressourcen.
(+) Plus: Wie funktioniert gute Krisen- kommunikation im Falle eines Shitstorms?
Ban: Ein Shitstorm hat eine Eigendynamik, die sehr steil hinaufgeht und genauso schnell wieder verflacht. Man muss hier die Panik herausnehmen. Ein echter Shitstorm bedroht ein Unternehmen oder eine Organisation in der Substanz, die ursächliche Kritik ist nachvollziehbar und berechtigt. Wenn man in nachhaltigen Dialog treten will, muss man schon auch die Leichen aus dem Keller räumen und sich der Vergangenheit stellen. In heiklen Bereichen, wie z.B. ökologisch nicht ganz korrekte Produktionsketten etc., sollte man sich schon vorher Argumente überlegen.
(+) Plus: Es heißt immer »Das Internet vergisst nichts«. Können negative Nachrichten überhaupt nachhaltig gelöscht werden?
Ban: Gelöscht wird gar nichts. Genau das Gegenteil passiert, privat wie kommerziell. Ein Beispiel: Wir beobachten eine Verschränkung von Marketing und Social Media. Wenn man auf Facebook eine Seite bewerben will, werden für die Werbeformate seit kurzem Bilder in sehr hoher Auflösung verlangt, die für den Zweck nicht notwendig wäre. Diese Auflösung reicht locker für qualitativen Printdruck. Die Vermutung ist: Nachdem Daten die neue Währung im Informationszeitalter sind, werden jetzt schon Daten für die Zukunft gesammelt. Zudem: US-Konzerne haben ein völlig anderes Verhältnis zum Datenschutz als wir. Niemand dort hat die Absicht, irgendetwas zu löschen. Auch wenn etwas nicht mehr zugreifbar oder aufrufbar ist, gibt es zahllose »Wayback Machines«, die Screenshots von Webseiten der letzten zehn bis 15 Jahre archivieren. Etwas bei Google löschen zu lassen und zu glauben, es sei aus der Welt, ist also kompletter Nonsens.
(+) Plus: Welche Möglichkeiten gibt es, seinen Ruf zu schützen?
Ban: Sich korrekt zu verhalten, ist natürlich das Beste. Das Internet ist sehr sensibel, wenn es um Political Correctness, ökologische oder ethische Fragen geht. Hier gibt es so etwas wie eine User-Typologie, die zu beachten ist. Bevor man Reputationsanalysen oder Strategien entwirft, sollte man herausfinden, wie sich die eigene Userschaft zusammensetzt. Die ist nämlich bei einer Bank ganz anders als bei einer Non-Profit-Organisation. Die fruchtbarste Methode ist aber die positive Verdrängung: Digital so aktiv zu sein, dass die schlechten Nachrichten etwas nach hinten rücken. Wir wissen aus Untersuchungen, dass 40 bis 60 % der User die erste Google-Seite gar nicht verlassen. Wenn Sie tolle, positive Akzente setzen und diese auf digitalem Weg kommunizieren, scheinen die negativen Meldungen immer seltener auf.
(+) Plus: Wie stehen Sie dazu, wenn auf Bewertungsportalen positive Beurteilungen lanciert werden?
Ban: Das ist unglaubwürdig und in der Online-Reputation inzwischen längst bekannt. Denken Sie nur an die Hotelbewertungen – da sitzt ein Heer an freien Mitarbeitern in Bulgarien oder Indien und macht tausende Klicks, die man auch kaufen kann. Es gibt sogar schon automatisierte Content Player, die Kommentare in der gewünschten Sprache erzeugen. Mit geübtem Auge kommt man aber rasch dahinter und User nehmen solche Quellen auch nicht mehr ernst.
(+) Plus: Wie sollte die Kommunikationsstrategie aufgebaut sein?
Ban: Man kann den Online-Bereich nicht von der analogen Offline-Welt trennen. Es bringt gar nichts, online etwas zu behaupten und anders zu leben. Diese Lüge war früher möglich, wird aber heute durch die unzähligen Wissensenzyklopädien und das kollaborative Zusammenschließen von User-Gruppen sofort aufgedeckt. Man sollte sich auch sehr genau überlegen, wie lauthals man Informationen online verbreiten möchte. Social Media ist kein Verkaufschannel.
(+) Plus: Wurde Social Media sozusagen als Kanal missverstanden?
Ban: Ich würde sagen, Online wurde missverstanden. Online ist kein definierter Kanal. Wir schauen online fern, hören online Musik, lesen online die Zeitung – das ist eher ein subsummierter Zustand des Channel-Konsumierens. Es handelt sich schlicht um eine neue Kulturtechnik, die raum- und zeitunabhängig Dialog schaffen kann, aber ebenso auch eindimensional konsumiert werden kann.