Sicherheit bleibt in der Wertigkeitspyramide von Unternehmen ganz oben, auch in Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise. Können Exekutive und private Sicherheitsdienstleister diesen Bedarf stillen? Ist das Geschäft mit der Sicherheit eine Notwendigkeit oder ist es ein Spiel mit der Angst? Und wie reagieren Versicherungen auf das verstärkte Sicherheitsbedürfnis der Firmen?
Von Karin Legat.
Der Wert des materiellen und geistigen Unternehmenseigentums steigt in seiner Bedeutung als Sicherheitskapital und Rückhalt für Unternehmen und muss vor allem in Krisenzeiten geschützt werden.« So lautet das Resümee einer Studie des Meinungsforschungsinstituts Karmasin. Die Untersuchung »Die Finanz- und Wirtschaftskrise – Auswirkungen auf den Sicherheitsmarkt« ist zwar schon ein Jahr alt, hat aber nichts an ihrer Aktualität eingebüßt. Für 88 Prozent der Befragten (520 Einzelinterviews, 70%-Anteil Unternehmer) ist Sicherheit sehr wichtig oder wichtig. Ein Drittel bezieht sich dabei auf den Schutz vor Einbruch, je 20 Prozent auf finanzielle Sicherheit und die Erhaltung einer guten Auftragslage. Ein kleiner Teil definiert Datensicherheit sowie Liquidität und Zufriedenheit der Kunden als wichtig für den eigenen Unternehmensstandort. Auf der Überholspur befindet sich die Wirtschaftskriminalität. Diese Kriminalitätsform spielt in Österreich zwar quantitativ, also bei der Menge der Delikte, noch einen untergeordneten Part, bei der Schadenshöhe nimmt sie aber bereits eine nicht übersehbare Rolle ein. Laut Schätzungen der Prüfgesellschaft Ernst&Young gehen im Schnitt jährlich 5 bis 7 Prozent des Jahresumsatzes durch Unterschlagung, Betrug, Steuerstraftaten, Untreue und Produktpiraterie verloren. Für Österreich wird der jährliche Schaden auf rund 15 Mrd. Euro geschätzt (ohne Reputations- und Folgeschäden). Die Exekutive reagiert mit Beratung und Sensibilisierung der Unternehmer auf diese Entwicklung und hat als Fundament gegen Wirtschaftskriminalität eine Kooperation mit der Wirtschaftskammer und der Industriellenvereinigung gebildet.
Führungsrolle
»Sicherheit steht auf der Pyramide der betrieblichen Erfordernisse ganz weit oben. Sie ist ein Menschenrecht und ermöglicht erst das Zusammenleben in der Kommune«, stellt Oberst Rudolf Gollia, Sprecher des Innenministeriums, fest und verweist auf eine von Innenministerium und Wirtschaftskammer geschlossene Sicherheitsallianz für Betriebe, die auf mehr Präventionsarbeit und Sicherheitschecks setzt. »Sicherheit ist ein wesentliches Kriterium für Wirtschaftsniederlassungen und Neugründungen«, hält Gollia fest. Hier bietet Österreich beste Konditionen, wurde unserem Land doch erst seine Führungsrolle in der international durchgeführten Mercer-Studie zu Lebensqualität bestätigt. Basis der Beurteilung waren neben politischen und wirtschaftlichen Kriterien auch Aspekte der Sicherheit. 221 Metropolen wurden von im Ausland tätigen Geschäftsleuten bewertet. Heimische Umfragen bestätigen die Mercer-Studie. In allen Untersuchungen sieht die Mehrheit der Befragten die Sicherheit hierzulande als sehr zufriedenstellend bzw. zufriedenstellend an. Auch die staatlichen Sicherheitsmaßnahmen erhalten gute Noten.
Dass zunehmend private Sicherheitsdienste im Bereich der privaten und öffentlichen Sicherheit zum Einsatz kommen, ist ein Faktum der letzten Jahre. Die Exekutive sieht das eher gelassen und befürwortet diese Entwicklung grundsätzlich. »Bei Bereichen, für die man keine topausgebildeten Polizisten braucht, wie bei der Objektsicherung, das heißt bei der Sicherung von Geschäften, Stadien, Museen oder Ausstellungen, werten wir die Arbeit von privaten Sicherheitsdienstleistern als sehr gute Ergänzung zur Polizei. Hier gibt es eine gute Zusammenarbeit«, lässt Gollia einen Blick in die tägliche Sicherheitspraxis zu. Vorbehalten bleiben muss der Polizei in jedem Fall das Gewaltmonopol. »Wo es notwendig sein kann, freiheitseinschränkende Maßnahmen zu setzen bzw. Körper- und Waffengewalt anzuwenden, hat der Staat das Monopol«, weist der Ministeriumssprecher private Dienste in die Schranken.
Technische Innovationen
Für die »non-governmental-security« bleibt dennoch genug zu tun. Die Agenden der großen Sicherheitsdienstleistungsunternehmen im Versicherungsverband Österreich umfassen Tätigkeiten von A wie Alarmeinsätze und Alarmverfolgung bis V wie Verkehrsregelungsposten und Verkehrsüberwachung. W bis Z sind nur deshalb nicht belegt, weil es keine entsprechenden und notwendigen Sicherheitsbegriffe gibt. »Die Anforderungen von Unternehmen, aber auch von Privaten werden immer höher. Sicherheitskonzepte, Ausbildungs-Akademien oder ÖZS-Ausbildung sind heute State-of-the-art«, hält Dieter Herbst, Marketingleiter des ÖWD, fest. »Vor allem der Bereich Videoüberwachung ist stark steigend, Alarmüberwachung wird eher im B2B-Standard erledigt. Die Nachfrage nach Wachpersonal stagniert. Biometrie, also Medien zur Identifikation von Personen wie Iris-Scanner und Fingerabdrucklesegeräte, ist noch eine eher exotische Sicherheitstechnik.«
Ganz und gar nicht exotisch ist die Kriminalprävention bei der Bundespolizei. »2009 war ein sehr lebhaftes Jahr in Bezug auf Beratungen, Schulungen und Vorträge«, berichtet Sektionschef August Baumühlner. »Wir haben nahezu an 68.000 Personen Präventionsinhalte und -ziele vermittelt. Die Schwerpunkte der präventiven Tätigkeiten waren Eigentumsprävention und Opferschutz/Stalking. Auch die Personalschulungen haben wir intensiviert – aufgrund der steigenden Gefährdung für Leib und Leben von Handelsangestellten und der Mitarbeiter von Mineralölfirmen, Wettbüros und Banken.«
EVVA-Sprecherin Alexandra Nagy schreibt der Beratungstätigkeit der Polizei höchste Bedeutung zu. »Nicht das beste Produkt sorgt für Sicherheit, sondern wie die Menschen damit umgehen und es anwenden. Hier ist das vielzitierte Beispiel der topausgestatteten Sicherheitstür, die aber unversperrt ist, wieder einmal zu erwähnen. Die Exekutive setzt in ihren Beratungen genau dort an und versucht, diese Situationen und Fehler zu verdeutlichen und Menschen dazu zu bewegen, sich anders zu verhalten.« Eine kriminalpräventive Beratung ist der erste Schritt in Richtung vermehrte Sicherheit. Dass auch die Polizei ein solches Beratungsservice anbietet, ist laut einer Studie des market Instituts noch nicht allgemein bekannt.
Das Urteil der Nutzer betreffend die kriminalpräventive Beratung fällt sehr positiv aus. 92 Prozent sind sehr zufrieden bzw. zufrieden. 80 Prozent haben die vorgeschlagenen Änderungen bereits umgesetzt, 12 Prozent arbeiten an deren Realisierung.
Sichere Betriebe
Gelebte Sicherheit zählt auch ohne Beratung für die überwiegende Mehrheit der Unternehmer zur täglichen Pflichtaufgabe. Sicherheitsunternehmen finden in Österreich daher einen guten Markt vor. »Es gibt vor allem sehr viele kleine Anbieter. Diese arbeiten allerdings nur via Internet und zum Teil unseriös«, zeigt Security Land-Geschäftsführer Thomas Ollinger ein Problem des wachsenden Sicherheitsmarktes auf.
»Sicherheit ist als generelles Bedürfnis der heutigen gesellschaftlichen Entwicklung zu sehen. Sie ist damit breiter gefächert, bedeutet nicht nur die Absicherung von Hab und Gut«, meint EVVA-Sprecherin Alexandra Nagy. »Die Sensibilisierung zu diesem Thema nimmt zu, das ist klar erkennbar, sowohl bei Privatpersonen als auch bei Objektbetreibern.«
Aus der Umsatzstatistik der größten Sicherheitsdienstleister Österreichs lässt sich eine deutliche Steigerung der Einkünfte und damit der Sicherheitsaufträge in den letzten Jahren erkennen.
Ein Geschäft mit der Angst?
»Sicherheit wird oft mit uniformierten Objektbewachern gleichgesetzt. Tatsächlich sind aber Innovation und kundenorientierte Lösungen der Schlüssel unseres Erfolges«, stellt Marketingleiter Mag. (FH) Herbst klar. Für Dr. Ollinger von Security Land hat Sicherheit zwei Seiten. »Sicherheit ist heute leider beides – Notwendigkeit und Objekt von Missbrauch und Panikmache. Eine Notwendigkeit deshalb, um sich subjektiv sicher zu fühlen und um das Risiko zu reduzieren. Ein Geschäft mit der Angst aufgrund einiger unseriöser Marktteilnehmer, die ihr Geschäft mit Angst und Schwarzmalerei betreiben«, bedauert er und verweist auf den oft vorkommenden Fall von Keilern, die von Tür zu Tür gehen und Alarmanlagen anbieten.
»Das Risiko, Opfer eines Einbruchs zu werden, ist in den letzten Jahren zwar stark gestiegen. Prävention macht also Sinn. Das Bild des rücksichtslosen Einbrechers und Räubers, der alle Einwohner niedermetzelt, ist aber übertrieben«, stellt Ollinger klar.
Gefahr erkannt – Gefahr gebannt
Gänzlich ausschalten kann man Risken nicht, vor den finanziellen Auswirkungen kann sich aber jeder Unternehmer wirkungsvoll schützen. Als Risikomanager und Kompensator der wirtschaftlichen Folgen eines Schadens bilden Versicherungen eine wichtige Säule. Prävention und Versicherungsservice fließen oft ineinander. Die Allianz Versicherung und das Bundeskriminalamt arbeiten beispielsweise eng zusammen, EVVA kooperiert mit dem Kriminalpolizeilichen Beratungsdienst. »Übergeordnete Stellen sind sehr wichtig. Betroffene und Ratsuchende erhalten hier wertfreie Informationen«, schreibt Alexandra Nagy der Nähe zur Exekutive große Bedeutung zu. Kooperationen gibt es von EVVA auch in den Versicherungssektor hinein. So entwickelt das Unternehmen derzeit mit der VAV eine neue Versicherungslösung rund um mechanische Schließsysteme. Für Versicherungen ist der Kontakt zu Sicherheitsdienstleistern also auch gang und gäbe. »Einerseits um unsere Fachkompetenz zu stärken, nicht zuletzt aber auch, um bessere Konditionen für unsere Kunden zu erreichen«, berichtet Michael Sturmlechner, Leiter des Bereichs Firmenkunden bei der Allianz.
Codex Hammurabi
Unternehmensversicherungen werden von den einzelnen Instituten schon sehr lange im Portfolio geführt. »Der Versicherungsgedanke ist tausende Jahre alt. Schon die alten Hochkulturen teilten die finanziellen Verluste, z.B. aus einem Schiffsuntergang, auf eine große Anzahl von Personen auf«, blickt Mag. Daniela Ebeert vom Versicherungsverband Österreich in die Geschichte zurück. »Der babylonische König Hammurabi klärte in seinem ›Codex Hammurabi‹ sogar Haftungsfragen und unvorhergesehene Ereignisse.«
Mag. Daniela Schwarz von der VAV kehrt in die Gegenwart zurück: »Wir beobachten eine verstärkte Nachfrage unserer Produkte bei unseren Vertriebspartnern, den unabhängigen Versicherungsmaklern. In der Wirtschaftskrise ist es für Unternehmen notwendig, vermehrt Risiko auszulagern. Daher verzeichnet die Branche derzeit im Bereich der Gewerbeversicherungen gute Zuwächse, insbesondere bei Versicherungen gegen Einbruchdiebstahl.« Auch die Allianz registriert ein höheres Sicherheitsbewusstsein hinsichtlich Einbruch und Vandalismus. »Wir bieten unseren Kunden Beratung zu ihrem Risikomanagement an. Das wird sehr gut angenommen. Außerdem stellen wir finanzielle Unterstützung bei der Sicherheitsaufrüstung z.B. einer Immobilie bereit. Unsere Techniker analysieren vor Ort die bestehenden Sicherheitsvorkehrungen und empfehlen weitere nötige Maßnahmen. Oft sind es banale Dinge wie ein Sicherheitsschloss oder eine durchbruchhemmende Verglasung. Präventionsmaßnahmen des Kunden belohnen wir mit einer Prämienreduktion«, informiert Sturmlechner. Auch HDI unterstützt die Kunden beim firmeneigenen Risk Management. Versicherungen locken außerdem mit spartenübergreifenden Versicherungspaketen – die VAV bietet etwa das Business Paket 2005 an. Um den passenden Versicherungsschutz zu erzielen, sollte dem Vertragsabschluss in jedem Fall ein ausführliches Beratungsgespräch und eine Risikoanalyse vorausgehen.
Jedes Unternehmen muss eigenverantwortlich Vorkehrungen gegen kriminelle Aktivitäten treffen. Das betrifft Kontrolle wie Prävention. Heute gibt es für alle Fragen rund um diese Themen Anlaufstellen. Gewissenhaftigkeit und Fahrlässigkeit liegen aber oft eng nebeneinander. »Beim Thema Sicherheit darf man keine Risiken eingehen. Nur vertrauenswürdige Stellen sollten Gesprächspartner sein. Alle, die mit purer Angstmacherei Aufmerksamkeit erregen wollen, müssen kritisch hinterfragt werden. Österreich ist ein sicheres Land«, ruft Alexandra Nagy zu »sicherer Sicherheit« auf.