Das eigene Lebenswerk soll in gute Hände kommen. Bei der Nachfolge in der Familie gestaltet sich die Übergabe mitunter schwieriger – hier kommt die persönliche Ebene hinzu.
Anfang 2024 war es im Haus Darbo so weit: Adolf Darbo, langjähriger Vorstand für die Bereiche Produktion, Technik und Fruchtzubereitung, zog sich in den Ruhestand zurück und übertrug seine Agenden seinem Vorstandskollegen und Neffen Martin Darbo. Dieser hatte die Führung des Unternehmens 2009 von seinem Vater Klaus Darbo sen. übernommen und verantwortete bisher den kaufmännischen Bereich. In diese Funktion rückt nun der bisherige Marketingleiter Klaus Darbo jun. nach. Die Firmenleitung des 1879 gegründeten Tiroler Familienunternehmens liegt somit fest in den Händen der fünften Generation.
Für die Zukunft sieht sich Österreichs größter Konfitürenhersteller und Honiganbieter gut gerüstet. Auch der Generationenwechsel soll an der wirtschaftlichen Ausrichtung nicht viel ändern. »2023 verspricht ein erfolgreiches, aber vor allem sehr stabiles Jahr zu werden«, erklärt Vorstandsvorsitzender Martin Darbo. »Besonders jetzt profitieren wir von einem konsequenten Geschäftsmodell, auch in schwierigen Jahren nicht von unserer Qualität abzuweichen und Preissteigerungen für uns und unsere Kund*innen verträglich zu bewältigen.«
Bild: Martin und Klaus Darbo (v. li.) führen seit Jahresbeginn 2024 das Familienunternehmen in fünfter Generation. Adolf Darbo zog sich in den Ruhestand zurück.
Die Marktanteile in Österreich sind unverändert hoch und liegen im Lebensmitteleinzelhandel bei Konfitüren und Marmeladen über 61 Prozent. In Deutschland hält man bei 6,7 Prozent, mit stark steigender Tendenz. Außerdem exportiert Darbo seit mehreren Jahren Fruchtzubereitung an internationale Molkereien, welche diese als Zutat zur Produktion von Fruchtjoghurt einsetzen. Aus Sicht von Darbo war es der ideale Zeitpunkt, die in den letzten Jahren eingeleitete Neuorganisation im Vorstand umzusetzen. »Kontinuität und Stabilität stehen für Darbo im Vordergrund. Wir sind froh, diese mit der familieninternen Nachfolge weiterhin gewährleisten zu können«, betont der scheidende Vorstand Adolf Darbo.
Schweres Erbe
Dass der Übergabeprozess in Familienunternehmen so reibungslos verläuft, ist nicht selbstverständlich. Und nicht immer ist er so gut vorbereitet. Negative Schlagzeilen machte seinerzeit der Fall des Seilbahnunternehmens Doppelmayr, das seit 1992 von Michael Doppelmayr in vierter Generation geführt wird. Als dieser die Fusion mit dem Schweizer Unternehmen Garaventa einleitete, kam es zum Bruch mit seinem Vater Artur, der den Zusammenschluss auch vor Gericht vehement bekämpfte und schließlich als Aufsichtsratsvorsitzender abberufen wurde. Aus Rache adoptierte der ausgebootete Firmenpatriarch seine junge Lebensgefährtin – als er 2017 im Alter von 94 Jahren verstarb, musste das Erbe folglich unter fünf statt den leiblichen vier Kindern aufgeteilt werden.
»Streit ist der größte Wertvernichter in Familienunternehmen«, sagte der langjährige Vorstand der deutschen Stiftung Familienunternehmen, Brun-Hagen Hennerkes, einmal. Zugleich gelten sie als solide, krisenresistente Organisationsform. Statt in Quartalsergebnissen, denken Familienbetriebe in Generationen und investieren vorausschauend, oft mit gesellschaftlichem Impact. Sie zeichnen sich durch eine meist hohe Eigenkapitalquote, geringe Fluktuation in der Belegschaft und stabile Kundenbeziehungen aus. Am Markt werden sie als zuverlässige Partner wahrgenommen.
Laut KMU Forschung Österreich gibt es rund 157.000 Familienbetriebe in Österreich. Diese beschäftigen mehr als 1,8 Millionen Erwerbstätige und erwirtschaften Umsätze in der Höhe von rund 414 Milliarden Euro – ein wesentlicher Wirtschaftsmotor. Fast immer sind die heimischen KMU wichtige Arbeitgeber. Findet sich in der Familie kein Nachfolger, hat das Auswirkungen auf eine ganze Region.
In Generationen denken
Einer gemeinsamen Studie von EY und LGT Bank Österreich zufolge haben jedoch 60 Prozent der derzeitigen Führungsgeneration die Übergabe noch nicht geregelt. Nur ein Fünftel der befragten Unternehmen verfügt über eine ausformulierte »Familienverfassung«. In einer solchen Family Governance sind die Werte, Strukturen und Regeln festgehalten, nach denen das Familienunternehmen geführt wird. Sie bildet den Grundstein für das erfolgreiche Weiterbestehen des Betriebs.
Es verwundert nicht, dass viele der heutigen Geschäftsführer*innen lange mit fehlender Akzeptanz oder fehlendem unternehmensinternen Know-how zu kämpfen hatten. Drei Viertel meinen rückblickend, diese Hürden wären vermeidbar gewesen. Schon deutlich besser geht es der heutigen Nachfolgegeneration: Hier müssen nur noch 48 Prozent bei ihrem Einstieg Hindernisse überwinden, etwa indem sie stets als »Juniorchef*in« wahrgenommen werden. Maßnahmen wie Mentoring und Coaching zeigen hier Wirkung.
»Wie man bei der Übergabe Konflikte erfolgreich vermeidet, sind sich beide Generationen einig: Was zählt ist eine frühzeitige Einbindung und klare Kommunikation«, sagt Erich Lehner, Managing Partner Markets bei EY Österreich. »Ein sofortiger Rückzug der Vorgängergeneration kommt für die Mehrheit der Nachfolgegeneration nicht in Frage.« Für einen Rückzug »auf Raten« sollten aber vorab die Machtverhältnisse geklärt sein. Ist der bisherige Chef bzw. die Chefin zwar formal zurückgetreten, mischt sich aber dennoch ständig in Entscheidungen ein, kann das problematisch werden.
Ringen um gemeinsame Werte
Das Bankhaus Spängler begleitet seit vielen Jahren Familienunternehmen in Übergangsphasen. Die Erstellung eines Familienkodex, in dem aktuell und zukünftig beteiligte Familienmitglieder gemeinsam Regeln für ein gutes Miteinander und den Umgang mit konfliktträchtigen Themen formulieren, hat sich dabei als hilfreiches Instrument erwiesen. Auslöser für Konflikte gibt es viele: Man ist sich über eine Expansion nicht einig, ein Teil der Familie pocht auf eine höhere Gewinnausschüttung, während der andere Teil lieber reinvestieren möchte oder ein im Unternehmen angestelltes Familienmitglied lässt es am nötigen Einsatz missen. Folgende Fragen können in einem Familienkodex geregelt werden: Auf welchen Grundsätzen und Werten basiert das Familienunternehmen? Wie kann die Führung in Zukunft gestaltet werden? Wer aus der Familie kann und will im Unternehmen mitarbeiten? Wer soll Unternehmensanteile bekommen?
Günther Berghofer, Aufsichtsratsvorsitzender der Adler-Werk Lackfabrik Johann Berghofer GmbH, holte sich für den innerfamiliären Diskussionsprozess Unterstützung beim Bankhaus Spängler: »Ein Familienkodex bildet eine sehr gute Grundlage für das künftige Zusammenwirken in der Eigentumsfamilie, insbesondere zum besseren Verständnis für die laufenden Aktivitäten und Zusammenhänge innerhalb der Unternehmensgruppe. Dazu werden künftig auch die regelmäßig stattfindenden Familientage beitragen.«
Auch der Salzburger Hygieneproduzent Hagleitner hat mithilfe der Spängler-Expert*innen bereits die Weichen für die Zukunft gestellt. Seit 2023 sind die Töchter von Hans Georg Hagleitner, der das Unternehmen 1988 selbst von seinen Eltern übernommen hat, aktiv in die Geschäftsführung eingebunden: Katharina steuert die Aktivitäten in Italien und den Vertrieb, Stefanie verantwortet das Produktmanagement und die Endverbrauchermarke hagi. Der gemeinsame Familienkodex gibt Halt, wie Katharina Hagleitner bestätigt. »Bei der Erarbeitung nimmt man sich bewusst Zeit, um über die wichtigen Dinge zu reden. Ein Fahrplan schafft Struktur für die Transformation.«
Bild: Beim Salzburger Hygienespezialisten sind die Weichen für die Zukunft gestellt: Hans Georg und Brigitte Hagleitner haben die Töchter Stefanie und Katharina (v. li.) in die Geschäftsführung geholt.
Trotz Krise investierte das Unternehmen, das in zwölf europäischen Ländern vertreten ist, seit 2019 rund 45 Millionen Euro, u. a. in ein neues Werk am Hauptsitz in Zell am See sowie in die deutsche Niederlassung in Frankfurt am Main. Seniorchef Hans Georg Hagleitner ist froh, in Zeiten großer Herausforderungen den Betrieb in guten Händen zu wissen: »Als Unternehmer und Übergeber macht man sich viele Gedanken über die zukünftige Organisation. Umso schöner ist es, dass meine beiden Töchter unser Familienunternehmen weiterführen werden.«
»Tabuthemen ansprechen«
Elisabeth Kastler, Leiterin Family Management im Bankhaus Spängler, empfiehlt, sich vor der Klärung steuerlicher und rechtlicher Fragen auf einen gemeinsamen Familienwillen zu einigen.
Was raten Sie Unternehmen, die eine Übergabe in der Familie planen?
Elisabeth Kastler: Eine klare Familienstrategie zu entwickeln, die alle Familienmitglieder einbindet – auch jene Kinder, die nicht ins Unternehmen einsteigen oder keine Anteile bekommen werden. Folgende Fragen stehen am Beginn: Wie schaffen wir es als Unternehmerfamilie, dass es sowohl der Familie als auch dem Unternehmen langfristig gut geht? Was brauchen wir dafür? Es ist wichtig, Transparenz und Klarheit für alle Beteiligten zu schaffen.
Ist eine externe Beratung erforderlich? Die Familienmitglieder kennen einander ja.
Kastler: Eine externe, allparteiliche Begleitung entlastet: Alle können sich auf ihrer Rolle konzentrieren und ihre Interessen, Wünsche und Sorgen gut einbringen. Vermeintliche Tabuthemen können im geeigneten Rahmen angesprochen werden. Es macht Sinn, den gemeinsamen Familienwillen vor einer steuerlichen und rechtlichen Lösung zu erarbeiten, das spart Zeit und Energie, bringt Augenhöhe und schützt die Beteiligten vor Kränkungen und Missverständnissen.
Gestalten sich Übergaben in der Familie grundsätzlich schwieriger?
Kastler: In Familienunternehmen müssen unterschiedliche Logiken zwischen Familie, Unternehmen und Eigentum beachtet werden. Bei Familienmitgliedern kann das zu Spannungsfeldern in den einzelnen Rollen – Eltern/Kind, Chef*in/Mitarbeiter*in, Partner*in im Unternehmen – führen. Gerechtigkeit wird auf verschiedene Weise verstanden, vor allem auf Geschwisterebene gilt es, genau hinzusehen. Jedes andere Investment würde man auf dem Papier beurteilen – bei Familienunternehmen kommt noch die emotionale Ebene hinzu.
Tipps: We are family
Eine aktuelle Studie des Münchner ifo Instituts untermauert die Langlebigkeit von Familienbetrieben. Wie mithilfe der Datenbank FamData analysiert wurde, befindet sich fast die Hälfte der Unternehmen in zweiter oder dritter Generation. Rund ein Fünftel besteht bereits noch länger. Allerdings haben 42 Prozent der befragten Betriebe keinen Nachfolger für die Geschäftsleitung und nur 34 Prozent schaffen eine familieninterne Übergabe.
Fragen an den/die Übergeber*in
• Wann wollen Sie sich zurückziehen?
• Wen wünschen Sie sich als Nachfolger?
• Soll das Unternehmen in der Familie bleiben oder an Dritte übergeben werden?
• Haben Sie Vertrauen in ihre/seine Führungsqualitäten?
• Sind Sie bereit, Ihr Wissen weiterzugeben?
• Möchten Sie nach der Übergabe weiter im Unternehmen tätig sein?
• Ist Ihre Altersversorgung gesichert?
Fragen an den/die Nachfolger*in
• Fühlen Sie sich in der Lage, das Unternehmen zu leiten?
• Ist Ihre Familie mit der Übernahme einverstanden?
• Ist das Unternehmertum Ihre Berufung?
• Bringen Sie fachliche, wirtschaftliche und soziale Kompetenzen mit?
• Sind Sie mit der finanziellen Situation des Betriebes vertraut?
• Vertrauen Ihnen die Mitarbeiter*innen?
• Sind Sie bereit, zu lernen und Selbstkritik zu üben?
Interview: »Das Alter ist selten der Grund für eine Übergabe« mit Rudolf und Sebastian Fantl vom Beratungsunternehmen Fantl Consulting: https://www.report.at/plus/23660-das-alter-ist-selten-der-grund-fuer-eine-uebergabe
Tipps: Steuerliche Aspekte spielen beim Unternehmensverkauf eine wichtige Rolle und sind für die Gestaltung des Deals entscheidend: https://www.report.at/plus/23661-nachfolge-mit-koepfchen