Sonntag, Juni 30, 2024
Europäische Banken unter Zugzwang 
Jérôme Dumaine ist Head of Global Capital Markets Strategy bei dem IT-Dienstleister Cognizant. Er empfiehlt Banken, sich bereits jetzt auf die steigenden Datenmengen durch T+1 vorzubereiten. (Credit: Cognizant)

In den USA steht Finanzinstituten und Banken eine signifikante Neuerung im Wertpapierhandel bevor, die mit dem Kürzel „T+1“ bezeichnet wird. Demnach soll die Transaktionszeit halbiert werden. Jérôme Dumaine, Head of Global Capital Markets Strategy bei Cognizant, erläutert die Folgen für europäische Kapitalmärkte.

Aktuell haben Banken und Börseninstitute zwei Geschäftstage (T+2) Zeit, um Wertpapiertransaktionen abzuwickeln. Das bedeutet, dass das Datum des Handels („T“) plus zwei Tage die Zeitspanne angibt, innerhalb derer das Eigentum übertragen oder die Transaktion abgewickelt sein muss. Allerdings gilt diese Verordnung nur noch ein halbes Jahr. Ab Mai 2024 tritt die neue Regelung „T+1“ in Kraft. Es bleibt also nur noch die Hälfte der Zeit übrig, um alle Post-Pending-Aktionen durchzuführen.

Damit steht auch der europäischen Kapitalmarktbranche ein großer Umbruch bevor – nicht nur aufgrund der globalen Verflechtung des Bankgeschäfts: Die European Securities and Markets Authority (ESMA) hat bereits einen offiziellen Call for Evidence zum Thema „T+1" veröffentlicht. Betroffene Institute, die in den USA im Wertpapierhandel aktiv sind, müssen jetzt mit den Vorbereitungen beginnen, um im besten Wortsinn „handlungsfähig“ zu bleiben. Aktuelle Studien zeigen jedoch, dass derzeit lediglich 42 Prozent der Organisationen auf dem richtigen Weg sind, den Zeitplan einzuhalten.

Hintergründe und Vorteile der T+1-Regelung

T+1 soll Risiken mindern und die Kapitalnutzung verbessern. Ein Beispiel: Wenn man heute Aktien eines Unternehmens kauft, werden diese erst zwei Tage später auf das Konto des Käufers übertragen. Innerhalb dieser Zeit kann viel passieren, beispielsweise könnte der Käufer in Konkurs gehen und nicht mehr in der Lage sein, die Zahlung zu leisten. Das kann große Auswirkungen für den Verkäufer haben, weil ihm jetzt das Geld fehlt, um seine Pläne umzusetzen, und er eine Zwischenfinanzierung organisieren muss.

Dieses Risiko lässt sich mit der Verkürzung der Abwicklungszeitspanne deutlich minimieren. Die Umstellung auf T+1 bringt noch weitere Vorteile mit sich – zum Beispiel eine bessere Kapitalnutzung durch geringere Kredit-, Markt- und Liquiditätsrisiken. Dem gegenüber stehen die Herausforderungen, da die Umstellung sehr komplex ist. Finanzdienstleister sollten daher die effektive Projektierung der Umstellung mit hoher Priorität vorantreiben.

Obwohl die T+1-Regelung derzeit nur in den USA gilt, wird sie sich auf alle Finanzinstitute auswirken, die Geschäfte in Nordamerika abwickeln und abrechnen – vor allem aufgrund der unterschiedlichen Zeitzonen. Die aktuellen operativen Post-Trade-Prozesse sind sehr arbeitsintensiv und müssen große Datenmengen verarbeiten, insbesondere bei internationalen Geschäften, die an nordamerikanischen Börsen gehandelt werden und ihren Ursprung in Europa oder Asien haben. Mit der Einführung von T+1 wird das gegenwärtige 12-Stunden-Zeitfenster für Post-Trade-Prozesse auf ein paar wenige Stunden am Ende des Handelstages reduziert. Europäische und asiatische Firmen, die in anderen Zeitzonen operieren, müssen ihre US-Geschäfte dann beispielsweise so planen und abwickeln, als ob sie einem T+0-Abrechnungszyklus folgen würden.

Finanzinstitute außerhalb der USA sollten bereits jetzt in die richtigen Datentechnologien und -strategien investieren. Die Qualität der Daten, effiziente Verwaltung und moderne Datentechnologien werden von entscheidender Bedeutung sein, wenn es darum geht, die unter T+1 erforderliche Abwicklungseffizienz zu erreichen.

Nach T+1 kommt T+0

Die Umstellung auf T+1 ist nur ein Zwischenschritt, bevor T+0 kommt. Unternehmen sollten sich daher überlegen, ob es nicht sinnvoll ist, statt zweier Change-Prozesse in wenigen Jahren nur ein Projekt zu stemmen, das sie gleich für T+0 fit macht. Um den Wandel erfolgreich anzugehen, sollten Finanzdienstleister Technologien und Systeme identifizieren und einsetzen, die ihnen eine direkte Verarbeitung ermöglichen.

Diese Umstellung betrifft zudem nicht nur die eingesetzte Technologie, sondern auch die betrieblichen Arbeitsabläufe. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, mit einem Beratungspartner zusammenzuarbeiten. Dieser erstellt einen Plan für die Regulierungsbehörden und unterstützt dabei, diesen zu validieren und den Prozess zu vereinfachen. Unternehmen sind so in der Lage, sich auf die internen Workflows zu konzentrieren. Die Zusammenarbeit mit einem Partner gibt Firmen zudem die Möglichkeit, ihre neuen Handelszyklen vorab zu validieren und zu testen. Das vermeidet unliebsame Überraschungen, wenn die Verordnung in Kraft tritt. 

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