Freitag, November 22, 2024

Leo Windtner, Generaldirektor der Energie AG Oberösterreich, über das schwierigste Jahr seiner Amtszeit, seine Kraftwerkspläne und Probleme mit den Ökostromzuschlägen.

(+) plus: Wie zufrieden sind Sie mit dem Jahr 2009?
Leo Windtner: Das Geschäftsjahr 2008/2009 war das schwierigste unter meiner Vorsitzführung, weil wir an mehreren Fronten zugleich den totalen Markteinbruch hinnehmen mussten. Besonders im Stromgeschäft haben wir bei den Großkunden Rückgänge von im Schnitt 20 Prozent zu verzeichnen gehabt. Wir mussten die zu hohen Hochkonjunkturpreisen beschafften Mengen zu absolut niedrigen Preisen im Spotmarkt unterbringen, der Vertrieb hat daher rote Zahlen geschrieben. Einen ebenso dramatischen Preisverfall mussten wir im Entsorgungsgeschäft zur Kenntnis nehmen. Der Altpapiermarkt ist innerhalb von zwei, drei Monaten von 95 Euro pro Tonne auf zehn bis 15 Euro eingebrochen. Da hat es uns an allen Fronten erwischt. Wir haben aber sofort geschaltet und Kostenmanagement und Kostensenkungsprogramme implementiert und mit einer Reorganisation der Holding eine Verschlankung geschafft.

(+) plus: Die Preiseinbrüche beim Strom waren hauptverantwortlich für den Rückgang im Ertrag. Wie geht es da weiter?
Windtner: In den ersten drei Monaten des neuen Geschäftsjahres ist weiter eine Stagnation festzustellen. Allerdings sehen wir, dass wir über den Sommer hinaus das Niveau des Vorjahres erreichen werden. Das ist keine echte Entlastung, aber aus Erfahrung hoffen wir auf eine überproportionale Entwicklung, wenn die Konjunktur anspringt.

(+) plus: Wie sieht es in den anderen Energiebereichen aus?
Windtner: Wärme und Gas haben sich auf bescheidenem Niveau relativ gut gehalten. Da hat uns einerseits der starke Winter geholfen, andererseits hat sich die Rücknahmeverpflichtung gegenüber Großkunden im Gasbereich nicht so dramatisch ausgewirkt wie im Strombereich.

(+) plus: Liegt das an der Vertragsgestaltung und wird sich da etwas ändern?
Windtner: Mit der im Strombereich üblichen Beschaffung wurde viele Jahre lang zugunsten der Kunden eingekauft, weil das Preisniveau meistens steigend war. Mit der Inversion der Preisentwicklung hat sich die Beschaffungssystematik verschärft. Wir haben jetzt in Richtung Portfoliobewirtschaftung umgestellt, Großkunden können die Mengen direkt abrufen. Damit kann das Risiko eingegrenzt werden.

(+) plus: Haben das die Kunden akzeptiert?
Windtner: Wir haben mit unseren Kunden ein sehr gutes Verhältnis. Sie haben auch goutiert, dass wir uns in der schwierigen Situation des Vorjahres vertragskonform verhalten haben. Die Rücknahmen haben uns enorm belastet und die Kunden entlastet, daher akzeptieren sie das Portfoliobewirtschaftungssystem.

(+) plus: Im vergangenen Jahr sind Sie in Osteuropa mit der Wasserversorgung ins Umweltgeschäft eingestiegen. Wie hat sich das entwickelt?
Windtner: Der Wassermarkt in Tschechien hat sich gut entwickelt, die Margen sind nicht überbordend, aber in einer konstanten Aufwärtsentwicklung. Wir haben dort wenig Risiko, weil wir die Anlagen nur betreiben, die Assets bleiben im Eigentum der Kommunen.

(+) plus: Planen Sie weitere Markterschließungen in diesem Bereich?
Windtner: Nach diesem schwierigen Jahr, in dem wir trotz allem das drittbeste Ergebnis unserer Geschichte geschafft haben, wollen wir uns konsolidieren. Das geht nur, wenn wir die Kostenmanagementprogramme weiter durchziehen. Was wir nicht tun, ist, in neue Märkte zu gehen. Wir sind neben Tschechien, Slowakei und Ungarn im Abwasserbereich auch in Rumänien, Ukraine, in Deutschland und Südtirol. In diesen Ländern ist noch einiges Potenzial.

(+) plus: Sie haben sich immer für einen Ausbau der Wasserkraft stark gemacht. Wie geht es da weiter?
Windtner: Wir konnten im Rahmen des neuen Regierungsprogramms unsere Wünsche und Projektabsichten verankern. Wir werden versuchen, die bestehenden Laufwasserkraftwerksprojekte wie Bad Goisern oder Stadl-Paura zu realisieren und allenfalls neue zu beginnen. Auch bei den Pumpspeicherkraftwerken wollen wir in den nächsten Jahren ein bis zwei Projekte in Angriff nehmen, die Relevanz haben für die Versorgungssicherheit Oberösterreichs. Wir müssen schauen, bei der zunehmenden Einspeisung von Wind und Photovoltaik die Auspufferung aus eigenen Kräften schaffen zu können.

(+) plus:  Welche Projekte hat die Energie AG noch in der Pipeline?
Windtner: In Angriff nehmen wollen wir einen Ersatz für das kalorische Steinkohlekraftwerk Riedersbach, dort planen wir eine Gas- und Dampfanlage mit 400 Megawatt. In Ried wird das Geothermiekraftwerk kommen, das ist ohne Zweifel Zukunftstechnologie. Ich gehe davon aus, dass wir heuer alle Genehmigungen dafür bekommen und das Projekt heuer oder nächstes Jahr umsetzen. Wir haben auch einige Infrastrukturprogramme, die zwingend sind. Entscheidend für die Versorgungssicherheit ist aber das Verkabelungsprogramm im Niederspannungsbereich. Damit ersparen wir uns Kosten und unseren Kunden Ausfälle, wenn die Unbilden der Witterung zuschlagen.

 


(+) plus:  Die Energie AG hat ein Smart- Metering-Projekt laufen. Welche Ausbaupläne gibt es in diesem Bereich?
Windtner: Bis 2012 wollen wir den Rollout auf 100.000 Zähler schaffen, dann ist ein Viertel unserer Zähler auf die neue Generation umgestellt. In weiterer Folge soll bis 2015 ganz Oberösterreich umgestellt werden. Informationszentrum für Smart Metering wird Eberstalzell sein, wo wir die größte Photovoltaikanlage Österreichs bauen. Die Anlage mit einem Megawatt soll heuer im Sommer fertig werden.

(+) plus: Wie beurteilen Sie die neuen Einspeisetarife für Ökostrom?
Windtner: Da ist das totale Catch-as-catch-can ausgebrochen. Jeder versucht, aus seiner Position gegen das neue Ökostromgesetz zu argumentieren. Wir müssen versuchen, neuen Technologien auch von staatlicher Seite mit Unterstützungen auf die Sprünge zu helfen, aber das können keine Dauersubventionen sein, auf Sicht muss auch die Marktfähigkeit gegeben sein. Im Moment haben wir das Problem, dass die Systeme bei den niedrigen Energiepreisen schwer im Markt unterzubringen sind. Ich bin aber überzeugt, dass sich das in den nächsten zwei, drei Jahren verändern wird und damit die Frage der Ökostromzuschläge abgefedert wird.


(+) plus:  Diese Zuschläge sorgen immer wieder für Irritationen.
Windtner: Da fällt uns die unangenehme Aufgabe zu, Verrechnungsstelle sein zu müssen, und die Kunden glauben, die Zuschläge kämen von uns. Wir wünschen uns daher eine Rechnung, die die Kosten für Energie, Netz sowie Steuern und Zuschläge klar aufschlüsselt. Da muss man gemeinsam eine Vereinfachung erreichen und nicht dauernd die Schuld zwischen den Energieversorgern und den Behörden hin- und herschieben.

(+) plus: Warum hat die Energie AG die Cross-Border-Leasingverträge für das Stromnetz vergangenes Jahr aufgelöst?
Windtner: Im Zuge der Finanzmarktkrise im letzten Jahr waren die Cross-Border-Leasingverträge mit dem Untergang großer Institute in den USA und der Gefährdung von AIG zum Teil bedroht. Da hat man diese Verträge in den Aufsichtsräten anders bewertet. Aus der Auflösung sind uns immerhin 58 Millionen geblieben, wir haben also einen sehr guten Ausstieg geschafft. Dieser Ausstieg war erklärter Eigentümerwille. Die Kraftwerkstransaktion ist noch aufrecht, der US-Partner Potomac sieht keine Veranlassung, diesen Vertrag aufzulösen. Wir haben die bestmögliche Absicherung getroffen, daher wäre ein Ausstieg aus betriebswirtschaftlicher Sicht nicht zu forcieren.

Daten & Fakten

Der oberösterreichische Energieversorger Energie AG konnte im Geschäftsjahr 2008/09, das mit September zu Ende ging, seinen Umsatz um knapp 19 % auf 1,806 Milliarden Euro steigern. Das Umsatzplus resultiert unter anderem aus der Übernahme der OÖ Ferngas AG und der Ausweitung des Stromeigenhandels. Das Betriebsergebnis (Ebit) ist um 35,6 % auf 105,5 Millionen Euro zurückgegangen. Als Grund werden der Rückgang der Stromnachfrage im Industriekundenbereich von 17 % sowie der Preisverfall am Entsorgungsmarkt im Bereich Altpapier und Altmetall genannt. Der Gesamtumsatz im Bereich Energie machte 1,38 Milliarden aus. In den Bereichen Wärme, Wasser und Erdgas konnte die Energie AG Umsatz und Ergebnis hingegen über dem geplanten Niveau halten. Die Energie AG OÖ steht zu 52,6 % im Besitz des Landes Oberösterreich. Knapp 14 % hält die Raiffeisen-Landesbank OÖ, 10 % die Linz AG. Der Rest verteilt sich auf andere Energieversorger sowie oberösterreichische Unternehmen.

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