Sonntag, Dezember 22, 2024

90 Prozent der Baurestmassen werden bereits recycelt. Cradle to Cradle findet aber eher down als up statt. Bauherr*innen und Planer*innen sind zurückhaltend bei der Anwendung von Recycling-Materialien.

Titelbild: Baurestmassen werden bei Wopfinger händisch von Fremdkörpern wie Plastikteilen befreit und anschließend im Rahmen des Nassaufbereitungsverfahrens gesäubert, wonach Ausgangsmaterial für RC-Beton zur Verfügung steht. (Credit: Wopfinger)

Kreislaufwirtschaft steht hoch im Kurs, die Recycling-Quote im Bausektor liegt in Österreich bei 90 Prozent und betrifft vor allem Asphalt und Tiefbaurestmassen. Zehn Prozent werden deponiert. Bei genauerer Betrachtung erfolgt für einen Großteil der Materialien allerdings keine hochwertige Kreislaufführung unter Beibehaltung der stofflich-technischen Eigenschaften. RC-Gesteinskörnungen werden vor allem im Straßenbau und als lose Schüttung verwendet. Bauherr*innen und Planer*innen zeigen sich skeptisch, besonders hinsichtlich Festigkeit und Dauerhaftigkeit. Franz Denk, technischer Geschäftsführer bei Wopfinger Transportbeton stellt allerdings klar: »Recyclingbeton ist ein genormtes Produkt nach ÖNORM B4710-1. Je nach Art und verwendeter Menge der rezyklierten Gesteinskörnung ist geregelt, welche Betonsorten damit hergestellt werden dürfen und in welchen Anwendungsbereichen sie eingesetzt werden können.«

Jeder spreche von Kreislaufwirtschaft, aber zu wenige schreiben es aus. Franz Denk sieht das Problem besonders im fehlenden Know-how. Baumeister*innen müssten davon überzeugt werden, dass sie die gleiche Verarbeitungseigenschaft erhalten. »Wenn sie ihn einmal getestet haben, verlieren sie im Regelfall ihre ablehnende Haltung.« Ein Grund für die Zurückhaltung ist sicher auch, dass Sortierung und Aufbereitung einen hohen Energieeinsatz fordern, Deponierung ist mit vergleichsweise niedrigen Kosten verbunden, es bedarf langer Transportwege. Vor allem in Ballungsräumen fehlt es noch an vorhandenen Aufbereitungsanlagen.

Verpflichtende Recyclingquoten sind für Reinhold Lindner, Sprecher der Initiative Bau!Massiv!, nur bedingt sinnvoll. »Recycling-Material soll dort verwendet werden, wo es vorhanden ist und nicht unnötig transportiert werden. In unserem Leitfaden, der konkrete Handlungsempfehlungen für Auftraggeber*innen, Planer*innen und Bauausführende geben soll, um die Umsetzung der Kreislaufwirtschaft im Bauwesen zu fördern, sprechen wir die Problematik langer Transportwege an.«

Reinhold Lindner, Sprecher der Initiative Bau!Massiv!, findet: Quoten machen nur dann Sinn, wenn die Stoffströme regional und mengenmäßig vorhanden sind.

Florian Hengl, Geschäftsführer der Hengl Gruppe – in ihren Werken werden jährlich über 1,5 Mio. Tonnen Felsgestein zu Wasserbausteinen, Schotter, Edelsplitten, Sanden und Unterbaumaterialien verarbeitet – und Obmann der WK Niederösterreich, Fachgruppe der Stein- und keramischen Industrie, sieht nur einen Ausweg. »Die Normierung muss so gestaltet werden, dass man quasi nicht ohne Recycling arbeiten kann. Es muss sich auch finanziell widerspiegeln.« Bei Bauwerken sollte auch nicht der kurzfristige Profit im Vordergrund stehen.

Architekt Gerhard Kopeinig von Arch+More sieht als weiteres Problem das Design vieler Produkte, das sortenreine Trennung unmöglich macht. »Die Trennbarkeit ist eine lange Forderung der Planer. Wir haben gerne monolithische Gebäude, egal aus welchem Material.« Verbindungen müssen gut trennbar und leicht lösbar sein und nach 50 Jahren in den nächsten Kreislauf geführt werden können. »Billigeres Trennen führt auch zu günstigeren Sekundärrohstoffen, die kaufmännisch besser verwendet werden können«, ergänzt Hengl.

Bau-Bewusstsein schärfen

Für Gerhard Kopeinig scheitert umfassende Kreislaufwirtschaft am ökologischen Bewusstsein, angefangen bei Bauherr*innen und Besteller*innen. »In der Projektentwicklung muss bereits umfassende Nachhaltigkeit auf allen Ebenen eingefordert werden, da gehört die Kreislauffähigkeit eines Objektes – egal ob größere Sanierung oder Neubau – einfach dazu.« Das beginne bei der planerischen Kreislauffähigkeit, idealerweise unterstützt durch BIM, in der durch die entsprechende Baustoffwahl und die Bauweise über die spätere Umnutzbarkeit, Adaptierbarkeit oder Rückbaubarkeit entschieden wird.

Gerhard Kopeinig, Arch+More, hält einen digitalen Gebäudepass für sinnvoll.

Bei der Profitabilitätsbetrachtung muss die gesamte Lebensdauer des Gebäudes und der darin verbauten Materialien beachtet werden. »Wir sind immer an Innovation interessiert gewesen«, betont Kopeinig. Allerdings geschieht Entwicklung immer so, dass es einen Austausch zwischen Planer*innen, Behörden, Bauherr*innen, Bauwirtschaft und Baustoffindustrie gibt. Für ihn ist daher die Arbeitsgruppe Kreislaufwirtschaft an der IG Lebenszyklus Bau sehr hilfreich. »Dadurch ergibt sich ein breiter Informationstransfer zwischen z. B. Innenausbauunternehmen, Baustoffrecyclern, Produktherstellern, Planern, Bauherrenvertretern … Aus dem Austausch kommt viel mehr heraus, als wenn wir uns im stillen Kämmerlein etwas überlegen«, betont Kopeinig zufrieden und bringt ein Beispiel für Kreislaufdenken. »Ein Unternehmen in der Arbeitsgruppe verkauft mittlerweile keinen Doppelboden mehr, sondern vermietet ihn. Inzwischen umfasst das 20.000 m² in Österreich. Er sagt, nur wenn ich etwas vermiete, erhalte ich die Qualität zurück, um das Produkt im Kreislauf zu führen.«

Auf der Verwaltungsebene sieht Kopeinig Bedarf für den digitalen Gebäudepass. »Nur mit Digitalisierung werden wir wissen, welche Materialien wann, wo und in welcher Menge und Qualität zur Verfügung stehen. Ein digitales Benutzerhandbuch wird nötig werden.«


Strasser Steine

2021 hat das oberösterreichische Unternehmen Strasser Steine einen 23 Millionen Euro schweren Ausbau gestartet und sich dem Thema Recycling gewidmet. Ein Ergebnis ist das erste Recyclingsystem für Naturstein-Küchenarbeitsplatten. »Mit dem Re-Stoning-System wird die Küchenarbeitsplatte zu einem nachhaltigen Produkt,« betont Geschäftsführer Johannes Artmayr (Bild). Die Platte wird unter dem Markennamen »Alpinova« vertrieben, sie besteht zu rund 50 Prozent aus Recyclingmaterial und bis zu 40 Prozent aus Natursteinkörnungen, die aus der Strasser-Produktion und aus Steinbrüchen kommen. Die restlichen zehn Prozent sind Bindemittel. Nach Ende der Erstnutzung werden alte Arbeitsplatten vorerst in Österreich und Deutschland beim Händler abgeholt und dem Re-Stoning-Prozess zugeführt. (Bild: Strasser Steine)


Baustoff Beton

Beton ist für Gerald Gruber, Geschäftsführer von Perlmooser Beton (Bild), der Recyclingbaustoff schlechthin. »Er ist annähernd zu 100 Prozent wiederverwertbar. Laufend findet eine Optimierung der Betonrezepturen statt. Immer mehr Unternehmen spezialisieren sich auf Recycling, die Qualität des Materials wird gesteigert, sodass auch hochwertige Betone damit hergestellt werden können«, betont Gruber. Allerdings entsteht aufgrund der aufwendigen Herstellung und der Transportwege ein Kostennachteil zum Naturprodukt. Qualitätsverlust ist für Gruber kein Argument. Claudia Dankl von Zement+Beton nennt einige Forschungsprojekte, die das Potenzial von Beton als CO2-Senke stärken sollen, z. B. das Projekt FastCarb. Aktiv dazu ist auch das Schweizer Start-up Neustark. Erfahrung mit Recyclingbeton hat Baumit – das Unternehmen hat GO2morrow Recycling Beton B20 entwickelt, einen werksgemischten Trockenbeton der Festigkeitsklasse C 16/20. (Bild: Perlmoser)


Baustoff Ziegel

Das Design der Produkte hat wesentlichen Einfluss auf die Kreislauffähigkeit, Ziegel hat hier einen deutlichen Wandel erlebt. Johann Marchner, Geschäftsführer von Wienerberger, nennt das System Click-Brick, ein Produkt, mit dem Vormauerziegel trocken in einer Stapelbauweise verbaut werden können. CicloBrick ist ein Vormauerziegel, für den 20 Prozent keramische Restmaterialien verarbeitet werden, die von Abbruchhäusern gewonnen werden. Die Recyclingquote könne noch deutlich gesteigert werden. »Alle Produktentwicklungen müssen in diesem Sinne über- bzw. neu gedacht werden.« Bezüglich sortenreiner Trennung hinsichtlich mit Mineralwolle gefüllter Ziegel verweist Marchner darauf, dass anfallende Mineralwolle auf der Baustelle zurückgenommen und von den Herstellern Knauf und Rockwool wieder in den Produktionskreislauf eingebracht wird. »Die Mineralwolle ist nur geklemmt und kann nach dem Abbruch leicht vom Ziegelscherben getrennt werden, z. B. durch Windsichtung oder Schwemmverfahren.« (Bild: Wienerberger)


Baustoff Gips/Mörtel

Am häufigsten werden im mehrgeschoßigen Wohnbau Gipsputze eingesetzt. »Bei richtiger Ausführung muss man nicht vorzeitig sanieren«, betont Mathias Hanke, Leiter Produktmanagement bei Baumit. Mauermörtel ist ein Kalk-Zement-Produkt, damit mineralisch und im Recyclingmaterial unkritisch. Gips dagegen bildet eine Verunreinigung, da es bei Weiterverwendung in zementgebundenen Produkten, z. B. Recycling-Beton, zur sogenannten Ettringit-Bildung führt, was die Festigkeit des neuen Baustoffs mindern kann. Eine Lösung sieht Mathias Hanke in der Verwendung von Kalk-Zementputzen auch im Innenbereich sowie in Weiterentwicklungen in der Aufbereitung und Materialtrennung. (Bild: Baumit)


Baustoff Porenbeton

Porenbeton steht für aktive Kreislaufwirtschaft. »Die Rohstoffe für Porenbeton werden aus natürlichen Ressourcen gewonnen und sind daher kreislauffähig«, betont Pamela Böhm, Head of Innovation bei Xella. »Wir arbeiten gemeinsam mit Entsorgungsunternehmen, die bisher deponiert haben, an einer effizienten Rücknahmelogistik, wobei sowohl Baustellenschnittabfälle aus Porenbeton als auch mineralische Baurestmassen mit Hauptbestandteilen aus Porenbeton gesammelt, getrennt und einer Weiterverwertung zugeführt werden. Das Material wird zunächst zerkleinert und klassiert und in einem mehrstufigen Prozess weiter aufbereitet. Dabei werden die Störstoffe mit Verfahren wie Windsichtung, Magnetabscheidern, Sink-Schwimm Methoden etc. getrennt. Das Rückgut wird für die Porenbetonproduktion oder für Granulate wiederverwendet. (Bild: Ytong)


Baustoff Naturstein

Moderne Fassade mit Natursteinarbeit von Casa Sasso.

»Naturstein ist ein natürlicher Baustoff, der unbegrenzte und schadstofffreie Ressourcen beim Planen und Bauen bietet, sowohl für Fassade, Terrasse, Stiege oder Boden«, betont Anna Singer, Geschäftsführerin des Steinzentrums Hallein und der Vereinigung Österreichischer Natursteinwerke. Auch nach einer langen Nutzungsdauer lässt er sich problemlos rezyklieren, die Vermischung von Granit, Marmor oder Kalkstein ist bei Schotter oft sogar gewünscht. Die anfallenden Gesteinsreste werden im Garten- und Landschaftsbau, für Mauerwerk, zum Belegen von Terrassen, für den Wasserbau sowie zur Herstellung von Schotter genutzt. »Natursteinbeläge mit starken Verschleißspuren können bearbeitet werden, sodass wieder neuwertige Beläge entstehen«, so Singer. (Bild: VÖN)

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