Im Interview mit Report(+)PLUS spricht Robert Jägersberger, Bundesinnungsmeister Bau, über die Vorteile massiver Baustoffe und die aus seiner Sicht ungerechtfertigte politische Bevorzugung von Holz- und Leichtbau. Der Glaskugel versucht er zu entlocken, was die Zukunft bringen wird.
(+) plus: Als Bundesinnungsmeister und auch als Baumeister sind Sie baustoffneutral. In diesem Sonderheft widmen wir uns den massiven Baustoffen. Was sind aus Ihrer Sicht die größten Vorteile massiver Baustoffe?
Robert Jägersberger: Die Massivbauweise ist eine lange bewährte Bauweise. Viele aus massiven Baustoffen errichtete Gebäude überdauern Jahrhunderte. Natürlich gibt es auch Holzbauten, die mehrere Jahrhunderte alt sind, die entsprechen dann aber kaum mehr den heutigen Anforderungen. Der Holzbau hat den Nachteil, dass er kaum Fehler erlaubt. Professor Maydl von der TU Graz hat vor Jahren in einem Vortrag gemeint: »Ein Nagel in einer Leichtbau-Konstruktion ist ein Totalschaden.« Das ist sicher überspitzt formuliert, stimmt der Sache nach aber, weil Feuchtigkeit in die Konstruktion eindringen kann.
Massive Baustoffe haben zahlreiche Vorteile, schon alleine was die Kostenseite betrifft. Die Anforderungen an die Haustechnik steigen ständig. Früher lagen sie bei rund sieben Prozent der Errichtungskosten, heute sind es 37 Prozent. Auch die Betriebskosten steigen durch die technischen Einbauten. Durch die Verwendung von massiven Baustoffen kann man hier einiges einsparen. Ich denke an das Bürogebäude 2226 von Baumschlager Eberle Architekten in Lustenau, das aus Ziegel errichtet ganz ohne Heizung, Lüftung und Kühlung auskommt und trotzdem eine konstante Wohlfühltemperatur von 22 bis 26 Grad bietet. Diese Lowtech-Gebäude funktionieren und sind auch sinnvoll, leider schieben nationale und europäische Bauvorschriften dem oft einen Riegel vor. Es gab auch in der niederösterreichischen Wohnbauförderung schon die Forderung nach Energiekennzahlen nahe Passivhausstandard. Das wurde aber dann wieder aufgeweicht, weil man erkannt hat, dass das nicht der Weisheit letzter Schluss ist.
(+) plus: Inwiefern?
Jägersberger: Heute wird zum Glück wieder stärker auf eine sinnvolle Kosten-Nutzen-Rechnung geachtet. Da hat der Massivbau deutlich Vorteile, nicht nur in der Errichtung, sondern auch über den Lebenszyklus. Massiv errichtete Gebäude können einfacher saniert, umgebaut und nachverdichtet werden. Auch beim Recycling oder der direkten Wiederverwendung von Baustoffen gibt es deutliche Wettbewerbsvorteile. Gebäudeanpassungen und Nachverdichtungen werden in Zukunft stark an Bedeutung gewinnen.
(+) plus: Welche Nachteile sehen Sie? Oder positiv formuliert: wo gibt es das größte Optimierungspotenzial?
Jägersberger: Da muss man sicher die CO2-Emissionen in der Produktion nennen. Das lässt sich nicht wegdiskutieren. Die Zementproduktion etwa ist energieintensiv und es wird CO2 freigesetzt. Aber auch hier müsste man in einer fairen Gesamtbetrachtung berücksichtigen, wie viel CO2 Beton im Laufe seines langen Lebens speichert. Der ökologische Vorteil von Holz ist hingegen mit dem Fällen des Baumes erloschen, am Ende steht dann der Fäulnisprozess oder die thermische Verwertung, wo CO2 freigesetzt wird. Das wird aus meiner Sicht noch viel zu wenig beachtet. Massive Baustoffe sind auch regional verfügbar und verursachen, auch aus wirtschaftlichen Gründen, nur kurze Transportwege.
(+) plus: Alle diese Argumente scheinen von der Politik nur wenig gehört zu werden. Der Holzbau wird weiter forciert. Worauf führen Sie das zurück?
Jägersberger: Holz ist sympathisch, hat das Image des nachwachsenden Rohstoffs und ist den Köpfen als CO2-Speicher verankert. Wir reden aber nicht darüber, dass beim Holzbau fast immer Verbundwerkstoffe zum Einsatz kommen. Der Einsatz von Leim wirkt sich auch negativ auf die Raumluftqualität aus. Das alles ebenso wie die Vorteile massiver Baustoffe sollte auch in den Förderrichtlinien berücksichtigt werden. Aber leider wird aktuell der Holz- und Leichtbau stark bevorzugt.
(+) plus: Wie viele andere Branchen kämpft auch der Bau händeringend um Personal. Wie ist es aktuell um das Thema Fachkräftemangel bestellt?
Jägersberger: Das Thema Fachkräftemangel begleitet mich, seit ich vor bald 40 Jahren in die Branche eingetreten bin. Die Branche hat immer schon junge Leute ausgebildet. Aber viele wollen nach der Lehre auch etwas anderes kennenlernen und wechseln die Branche. Das sind gut ausgebildete Menschen, die gesucht werden. Die beste Strategie ist immer noch, seine Mitarbeiter im eigenen Betrieb selbst auszubilden. Leider geht der Trend generell immer noch weg von der Lehre. Auch wenn viele, die nach höheren Schulweihen streben, im Handwerk wahrscheinlich besser aufgehoben wären. Dazu kommt, dass beim Lebensverdienst viele Handwerker Universitätsabsolventen in nichts nachstehen.
(+) plus: Welchen Beitrag kann die Bundesinnung Bau im Kampf gegen den Fachkräftemangel leisten?
Jägersberger: Wir sind auf vielen Ebenen aktiv. Wir haben die Lehre attraktiver gestaltet und neue Lehrberufsinhalte geschaffen. Wir haben seit vielen Jahren in jedem Bundesland Lehrlingsexperten im Einsatz, um den Jugendlichen und ihren Eltern die positiven Seiten des Baugewerbes vor Augen zu führen. Wir laden die Jugendlichen zu Schnuppertagen und wollen mit Lehrlingscastings auf uns aufmerksam machen.
(+) plus: Mit welcher Entwicklung rechnen Sie kurz-, mittel- und langfristig?
Jägersberger: Das ist ein Blick in die Glaskugel. Das Thema der allgemeinen Teuerung trifft auch uns. Auch wenn ich Sozialminister Johannes Rauch hier entschieden widersprechen möchte, der der bauausführenden Branche Mitnahmeeffekte vorgeworfen hat. Das Gegenteil ist der Fall. Wir haben versucht, die explosionsartig gestiegenen Beschaffungskosten von Material und Energie bestmöglich abzufedern. Aber bei Margen zwischen einem und vier Prozent ist der Spielraum gering.
Aktuell sehen wir bei den Baustoffen aber erstmals eine leichte Entspannung. Das mag auch schon auf eine etwas gesunkene Nachfrage zurückzuführen sein. Die Stimmung für Herbst und nächstes Jahr ist nicht mehr ausschließlich positiv. Es ist auch zu erwarten, dass es wieder zu Preiskämpfen kommen wird. Nach jedem Berggipfel muss auch wieder einmal ein Tal kommen. Die Frage ist nur, wie tief das Tal sein wird. Vieles hängt natürlich von der Situation in der Ukraine ab. Was passiert mit den Sanktionen gegen Russland, wenn der Krieg hoffentlich bald vorbei ist? Das kann im Moment wohl niemand sagen. Aber auch nach der Finanzkrise hat es viele Jahre gedauert bis sich die Branche wieder erholt hat.