Die Auftragsbücher sind gut gefüllt, der wirtschaftliche Aufschwung geht weiter. Also alles gut? Nicht ganz: Die Konjunktur könnte sich deutlich rascher erholen, wären da nicht Rohstoffknappheit, Inflation und Fachkräftemangel. Die größte Belastung sind jedoch die extrem steigenden Energiepreise, die vor allem die energieintensiven Industriezweige ausbremsen. Report(+)PLUS hat bei Betroffenen nachgefragt, wie sie mit den enormen Mehrkosten umgehen.
1. Bereiten Ihnen die steigenden Energiepreise Sorgen?
Thomas Salzer, Geschäftsführer der Salzer Papier GmbH
Ja, die Energiepreise bewegen sich weit über den bisher bekannten Bandbreiten und es ist kurzfristig keine Normalisierung zu sehen.
Marion Mitsch, Geschäftsführerin des Fachverbands der Elektro- und Elektronikindustrie (FEEI)
Massive Lieferengpässe, fehlende Ressourcen, stark gestiegene Rohstoffpreise, Fachkräftemangel, die Preisexplosion im Energiebereich, eine hohe Inflation, letztlich die Coronapandemie mit ihren Auswirkungen – all das sind Störfaktoren, die den Unternehmen der Elektro- und Elektronikindustrie nach wie vor eine instabile Situation bescheren und unsere Branche belasten. Aktuell sind wir zwar gut unterwegs, aber noch nicht ganz auf dem Vorkrisenniveau von 2019. Kostenseitig ist die Branche einem enormen Druck ausgesetzt, ein Ende ist vorläufig nicht absehbar.
Markus Ritter, CEO der Stahl- und Walzwerk Marienhütte GmbH
Das Einschmelzen von Schrott ist ein sehr energieintensiver Prozess. Steigende Energiekosten wirken sich bei uns deutlich stärker auf die Gesamtkosten unserer Produkte aus als bei anderen Unternehmen. Wenn sich die Energierechnung von 15 Millionen Euro schlagartig auf über 45 Millionen Euro verdreifacht, bereitet das schon leichte Sorgen. Solange diese Entwicklungen alle Marktteilnehmer gleichermaßen betreffen, sollten diese Probleme jedoch bewältigbar sein.
2. Welche Auswirkungen sehen Sie bereits?
Thomas Salzer
Die Kosten für Prozessenergie (Dampf und Strom) haben sich seit Anfang 2021 fast verfünffacht. Das können meine Unternehmen nicht schlucken, sondern muss an die Kund*innen weitergegeben werden, wenn man überleben will.
Marion Mitsch
Trotz zuletzt sehr guter Auftragsbestände sieht sich die EEI mit großen Herausforderungen konfrontiert. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Unternehmen ist stark belastet. Negative Auswirkungen auf Investitionen ins Kerngeschäft, Standortverlagerungen ins Ausland und ein Rückgang der Investitionen in F&E sind zu befürchten. Laut einer aktuellen WKÖ-Umfrage sehen 83 Prozent der Unternehmen den Anstieg der Energiekosten als »problematisch«. Dieser würde die Herstellungskosten verteuern, zusätzlich zu den stark gestiegenen Rohstoffpreisen. Drei Viertel der Unternehmen wollen nun verstärkt in Energieeffizienz investieren, die Hälfte ihre Eigenversorgung mit Energie ausbauen. Der Haken dabei: Diese Investitionen gehen zu Lasten jener in F&E. Das ist zwar langfristig gut fürs Klima, aber schlecht für den Wirtschaftsstandort Österreich.
Markus Ritter
Als energieintensives Unternehmen ist unser Energieverbrauch schon voll optimiert, sodass wir die Preiserhöhungen nicht über zusätzliche Energieeffizienzmaßnahmen abfangen können, sondern an unsere Kunden weitergeben müssen, was in unserem Fall naturgemäß beträchtliche Preiserhöhungen unserer Walzware zur Folge hat. Der Bauboom wird dadurch freilich nicht gefährdet, da Betonstahlpreise nur einen marginalen Anteil an den gesamten Baukosten haben.
3. Erwarten Sie sich Unterstützung seitens der Politik?
Thomas Salzer
Ganz kurzfristig wären Liquiditätshilfen wünschenswert, da Preiserhöhungen zeitverzögert wirken, um Investitionen nicht zu gefährden. Das könnte eine raschere Energieabgabenrückvergütung oder Reverse Charge (Gegenrechnung) von Umsatzsteuer auf Energie sein, aber auch Überbrückungskredite.
Marion Mitsch
Als Branchenvertretung des zweitgrößten Industriezweigs erwarten wir uns von der Politik Maßnahmen zur Entlastung der Industrie. Es braucht einen Verzicht auf zusätzliche neue Belastungen, Technologieoffenheit statt Technologieverbote und die Absicherung der Versorgungssicherheit durch einen raschen Ausbau erneuerbarer Stromerzeugung. Um im internationalen Wettbewerb nicht ins Hintertreffen zu geraten, müssen wir auf gleiche Regeln für alle setzen – beispielsweise mit einer einheitlichen, verbindlichen CO2-Bepreisung und mit schnelleren Genehmigungsverfahren. Für besonders betroffene Firmen wären auch Stundungen von Steuern und Abgaben angebracht.
Markus Ritter
Zu allererst müssen Benachteiligungen abgestellt werden, die ausschließlich österreichische Energiekonsument*innen zu tragen haben. In unseren Nachbarländern ist die Strompreiskompensation für Emissionshandelsbetriebe eine Selbstverständlichkeit – nur in Österreich gibt es sie nicht. Dafür haben österreichische Stromkund*innen seit der künstlichen Trennung des gemeinsamen österreichisch-deutschen Strommarktes 2017 zusätzlich zum Börsestrompreis ein sogenanntes Preiszonentrennungsentgelt zu bezahlen; das gibt es weltweit nirgendwo sonst! Zusätzlich zur Abschaffung dieser Benachteiligungen könnte die Politik mit Steuernachlässen, Steuerstundungen oder rascherer Rückzahlung der Energieabgabenrückvergütung aktiv helfen.