Trotz enormen Potenzials befinden sich agile Konzepte in österreichischen Unternehmen meist noch in der Experimentierphase. Der Bruch mit traditionellen Denkweisen und Prozessen erscheint vielen als zu große Hürde.
Agile Organisationen passen sich innerhalb kürzester Zeit flexibel an veränderte Marktsituationen und Kundenbedürfnisse an und finden durch proaktives Handeln selbstorganisierter Teams effiziente und sichere Lösungen. In den vergangenen Jahren gewann der Agile-Working-Ansatz angesichts eines immer schnelleren Wandels auch außerhalb klassischer Anwendungsbereiche an Bedeutung – immer mehr Unternehmen streben die agile Transformation ihrer Geschäftsprozesse an.
Inwieweit »Agile« bereits bei österreichischen Unternehmen verankert ist, untersuchte nun eine gemeinsame Studie von PwC Österreich und PMI Austria (Project Management Institute). Initiiert vom PMI Luxembourg Chapter führten 15 europäische Länder eine Umfrage durch. Österreich beteiligte sich zum ersten Mal an dieser Initiative, befragt wurden 50 österreichische Unternehmen.
Nur bei der Nutzung von Agile als integrierte IT-Praxis schneidet Österreich etwas besser ab als der europäische Durchschnitt.
Agile Vision
»Angesichts der unsicheren und sich rasch veränderten Marktlandschaft wird die Einführung agiler Methoden und Prozesse zum entscheidenden Erfolgsfaktor für Unternehmen. Damit wird nicht nur eine schnellere Reaktion auf Kundenanforderungen und eine flexible Entwicklung des Geschäftsmodells gewährleistet, sondern auch die Zufriedenheit und das Engagement der Mitarbeiter*innen gefördert«, erklärt Dieter Harreither, Partner und Leiter Technology Consulting bei PwC Österreich.
Dennoch stagniert die Umsetzung agiler Methoden bei heimischen Unternehmen. 28 Prozent der Befragten gaben an, dass die agile Arbeitsweise in ihrer Organisation auf IT-Projekte beschränkt sei oder sich noch in der Experimentierphase befinde. Die Mehrheit der Unternehmen plant, die Hälfte ihrer Prozesse bis 2024 auf Agile umzustellen. 14 Prozent streben in den kommenden zwei bis drei Jahren eine strategisch gesteuerte und in die gesamte Organisation integrierte Umstellung an.
»Die agile Transformation ist noch lange nicht abgeschlossen und eine große Herausforderung für viele Unternehmen. Unsere Studie hat aber gezeigt, dass Österreich dabei im guten Mittelfeld in Europa liegt«, meint Philip Weihs, Präsident von PMI Austria.
Strukturen hinterfragen
Agilität bedeutet auch, dass bestehende Strukturen stetig hinterfragt und traditionelle Managementprozesse überwunden werden. Diese grundlegenden, aber notwendigen Veränderungen sind aber auch die größten Hürden für die Etablierung von Agile: 21 Prozent der österreichischen Unternehmen sind der Ansicht, dass Widerstand gegenüber Veränderung die Agilität in ihrer Organisation ausbremst. Weitere 21 Prozent geben an, dass die vorherrschende Arbeitskultur zu sehr in traditionellen Methoden und Denkweisen verwurzelt sei. Immerhin 18 Prozent sehen Hemmnisse direkt beim Management und dessen Handeln.
»Damit die Einführung von Agile im Unternehmen erfolgreich gelingen kann, ist nicht nur eine klare strategische Linie zur Implementierung notwendig, sondern auch ein Bruch mit alten Denkweisen und Konventionen. Dabei sind Schulungen und Coachings für Mitarbeiter*innen sowie insbesondere für das Management unerlässlich«, erläutert Experte Dieter Harreither. »Zusätzlich bedarf es völlig neuer Rollen, wie beispielsweise den ›Agile Champions‹, die die Umstrukturierung innerhalb der Belegschaft verantworten und vorantreiben. Agile-bezogene Rollen werden auch in österreichischen Unternehmen immer präsenter.«
Dieter Harreither, PwC Österreich: »Agile Prozesse werden zum entscheidenden Erfolgsfaktor.«
Hohe Relevanz
Während die Umsetzung von Agile noch zögerlich voranschreitet, sind sich österreichische Unternehmen zumindest dessen hoher Relevanz und Potenzial bewusst. Fast die Hälfte der in der Studie Befragten ist der Meinung, dass alle Mitarbeiter*innen im Unternehmen hinsichtlich Agile geschult werden sollten. Funktionsübergreifende Gemeinschaften begünstigen nachweislich die Einführung agiler Methoden.
Auch hinsichtlich Business Value und Effizienz erkennen österreichische Unternehmen Mehrwert: 32 Prozent glauben, dass agile Prozesse die Kundenzufriedenheit verbessern. Zwölf Prozent sind von verkürzten Projektabwicklungszeiten und acht Prozent von der Verringerung von Fehlern überzeugt.
Tatsächlich ist durch die Optimierung von Entwicklungsprozessen eine Steigerung des Business Values um 18 Prozent sowie eine Verkürzung von Lieferfristen um 15 Prozent feststellbar. »Durch Agile können Entwicklungsprozesse optimiert und die ›Time-to-Market‹ bei Produkteinführungen durch konsequente Priorisierungen reduziert werden«, sagt Dieter Harreither. »In Österreich wird Agile auch vorrangig zur Entwicklung neuer Services und Produkte angewendet – ganz besonders dann, wenn es um digitale Projekte geht.«