Jetzt bieten sich viele Chancen, sagt Robert Schmid, Chef der Schmid Industrieholding. Er geht auf Einkaufstour.
(+) plus: Ihre Industriegruppe hat in den vergangenen 25 Jahren einen fulminanten Aufstieg gemacht. Der Umsatz wurde in Fünfjahresschritten verdoppelt. Jetzt halten Sie bei zwei Milliarden Euro in der Gruppe. Wo liegt die Perspektive für die nächsten Jahre?
Robert Schmid: Direkt nach der Ostöffnung waren diese Wachstumsschritte möglich, dank der neuen Märkte direkt vor der Haustür, die enormen Nachholbedarf hatten und immer noch haben. Auf unserem heutigen Niveau sind derartige Wachstumsschritte natürlich viel schwieriger, aber wir wachsen ordentlich.
(+) plus: Aber natürlich war die Entwicklung nicht linear.
Schmid: Das stimmt. Nach der Finanz- krise 2008 mussten wir uns neu orientieren. Wir sind da mit einem blauen Auge durchgekommen, aber es war vorbei mit dem Anspruch, jedes Jahr 20 Prozent zuzulegen. Wir mussten neu denken. Stabilisieren, absichern, das waren da plötzlich die Themen. Das dauert ein paar Jahre, aber jetzt sind wir wieder in einer Wachstumsphase. Es ergeben sich Chancen, der Markt wächst. Unsere Branche, und da spreche ich als Obmann des Fachverbandes, hat sich am allermeisten verändert. Als ich vor 25 Jahren ins Geschäft gekommen bin, gab es sehr viele Unternehmer, die autonom entschieden haben.
(+) plus: Der hemdsärmelige Unternehmertyp ist ersetzt worden durch den strategischen Manager?
Schmid: Damals hatten sie ausschließlich die Eigentümer und Unternehmer persönlich im Verband gehabt. Die meisten Firmen waren lokal und eigentümergeführt. Viele von denen sind von größeren Gruppen, auch von uns, übernommen worden. Internationale Konzerne aus Frankreich und Deutschland oder sonst wo, haben das Ruder übernommen. Heute dominieren die Manager und nicht mehr die Eigentümer.
(+) plus: Dadurch geht natürlich Entscheidungsfreude verloren. Das ist ja der große Vorteil, den ein Eigentümer und Unternehmer hat. Die Wege sind kurz und die Flexibilität hoch. Verlieren rein durch Manager geführte Unternehmen an Dynamik?
Schmid: Nolens volens passiert das. Früher konnten Unternehmer viel freier agieren und wirklich unternehmen. Heute wird man derart reguliert, man ist in vielen Bereichen fremdbestimmt. Dabei sind viele der Bestimmungen rein mit dem Hausverstand gar nicht mehr nachvollziehbar.
(+) plus: Das ist auch ein Grund, warum viele aufgegeben haben.
Schmid: Wir sind vom Erzeugen eines guten Produkts zu einem vernünftigen Preis immer mehr in die Nebenschauplätze des Auflagen-Erfüllens , Audits-Machens, Berichte-Verfassens gezogen worden. Vieles davon ist sinnentleert und nützt dem Konsumenten überhaupt nicht.
(+) plus: Die Bürokratie hat ja eine Riesenfreude mit großen Unternehmen. Der aufgeblähte Staat und die aufgeblähten Konzerne leben in einem symbiotischen Verhältnis, nicht zuletzt, weil Wettbewerb durch kleinere verhindert wird. Die können da nicht mit.
Schmid: Ja, klar. Für die Konzerne ist das ein Vorteil, weil die sich die Kosten der Bürokratie leisten können. Der Konzern hat mit der Sicherheitsfachkraft einen Abfallbeauftragten, einen Energieauditor, einen Aufsichtswauwau für dieses und jenes. Kleine können das nicht.
(+) plus: Sie sind mit Ihren Unter- nehmen in der angenehmen Situation, ein ausreichend großes Volumen zu steuern.
Schmid: Zum Glück haben wir diese Größe erreicht, aber Spaß macht es trotzdem weniger, weil ja ständig viel Aufwand für eigentlich völlig Unproduktives aufgewendet wird.
Mein Verständnis für das Füttern von Statistiken und Anstellen für Genehmigungen ist enden wollend.
(+) plus: Kommt jetzt eine Zeiten- wende? Entwicklungen sind ja öfter Pendelbewegungen als direkte Linien. In der Pandemie haben wir erlebt, dass Freiheiten, die für uns selbstverständlich waren, ein- geschränkt wurden. Wer zu Besuch kommen darf, ob beim Treffen gesungen werden darf, das war geregelt. Haben jetzt die Leute genug von der Bevormundung und wollen wieder mehr Freiheit?
Schmid: Ich glaube nicht. Man kritisiert zwar die Bürokratie, aber trägt doch permanent dazu bei, dass alles noch aufwendiger wird. Ein gutes Beispiel sind die jährlich aufgelegten Preislisten. Die werden von Jahr zu Jahr dicker. Es kommt immer Neues dazu, das Alte verschwindet aber nicht. Wir haben das Ausmisten verlernt.
Neue Produkte, die alten fallen nicht weg, neue Gesetze, die alten fallen nicht weg. Irgendwie sind wir zu immer höherer Komplexität verdammt.
Wir bräuchten schon eine tiefe Krise, um das zu ändern. Erst wenn es gar nicht mehr anders geht, ändern wir das Verhalten.
(+) plus: Oder ist es vielleicht sogar so, dass die falschen Lehren gezogen werden. Der Staat hat gelernt, dass er den Leuten vorschreiben kann, wann sie außer Haus gehen, wen sie treffen, ob sie Masken tragen und wie viele. Erleben wir jetzt eine entfesselte Bürokratie, die jetzt erst draufkommt, dass sie eigentlich viel weiter gehen kann?
Schmid: Das weiß keiner, ich auch nicht. Ich sehe keine Zeichen für eine Trendwende. Die Regulierungswut ist durch die Globalisierung nur verstärkt worden. Wir hatten unsere eigene Art, das Recht zu sehen und zu interpretieren, unseren eigenen Weg mit Dingen umzugehen. Jetzt kommen die Einflüsse aus dem angloamerikanischen Raum, aus China und sonst wo noch additiv dazu. Eine Regel, einmal in die Welt gesetzt, lebt ewig. Das ist weltweit so. Das immer etwas dazu kommt und nix weg, ist nur bei unserem Umsatz gut.
(+) plus: Wird das zukünftige Wachs- tum Ihrer Gruppe organisch sein oder gehen Sie wieder auf Einkaufstour?
Schmid: Das ist eine Frage der sich bietenden Gelegenheiten. Lange Zeit war es so, dass sehr wenige Unternehmen zu kaufen waren, es sind auch wenige Pleite gegangen. Jetzt kommt eine Phase, in der wieder etwas auf dem Markt ist, wo man kaufen kann, wo man durch Akquisitionen wachsen kann. Mit dem Nachteil, dass alles sehr teuer ist. Bedingt durch die Geldpolitik ist zu viel Liquidität da, das treibt Preise. Wer jetzt verkaufen will, ist gut beraten es zu tun, weil so viel kriegt er nie mehr wieder. Es laufen lauter Narrische herum, die viel zu viel zahlen für Unternehmen – und ich nehme uns da gar nicht aus.
(+) plus: Wenn Sie vom Kaufen reden, meinen Sie da nur den österreichischen Markt?
Schmid: Nein, ich rede vom internationalen Markt.
(+) plus: Ist da schon irgendetwas spruchreif?
Schmid: Ein Dämmstoffhersteller irgendwo, ein Putzwerk woanders. Viele Märkte sind ja sehr entwickelt und da ist der Zukauf die beste Einstiegsvariante. Es wird sich etwas tun bis Jahresende.
(+) plus: Die Branche hat die Pandemie gut überstanden. 2020 war nicht so schlimm wie befürchtet und die Kassandrarufe für 2021 haben sich allesamt als falsch herausgestellt.
Schmid: Corona und die Geldschwemme haben dazu geführt, dass viele in ihre eigenen vier Wände investiert haben. Was sonst für Reisen ausgegeben worden wäre, ist in viele kleine Renovierungen geflossen: Ein Carport machen, Fliesen legen, neu ausmalen, etc, etc.
(+) plus: Für das organische Wachstum ist ja zentral, dass der Wohnbau funktioniert. Die Neubauleistung ist hoch und auch im Sanierungsbereich tut sich viel.
Schmid: Ja, die Sanierung war ja immer schwierig. Weil die Ressourcen im Neubau konzentriert waren. Jeder Baumeister errichtet lieber neu, als zu sanieren. Das ist simpler und planbarer. Bei der Sanierung erlebt man immer Überraschungen. Das vorhandene Personal wurde einfach im Neubau eingesetzt und jetzt sehen wir, dass die enormen Preissteigerungen bei Holz, Stahl etc. dazu führen, dass es schwierig wird, überhaupt noch Angebote zu bekommen, weil man nicht einschätzen kann, wo die Materialpreise hingehen.
(+) plus: Es gibt ja zwei Denkschulen: Die eine sagt, die Preise werden sich bald wieder einpendeln, das ist ein vorübergehender Ausschlag. Die anderen sagen: Bei den Preisen gibt es nur eine Richtung: nach oben! Welcher Denkschule gehören Sie an?
Schmid: Es wurden Lager abgebaut, weniger produziert, und die hohe Nachfrage kam unerwartet. Deshalb kam es zu den enormen Preissteigerungen. Das würde sich wieder einpendeln, wenn nicht jetzt die Spekulanten auf den Plan kämen. Die treiben die Preise. Die Entwicklung der Energiepreise hat nichts mehr mit knappem Angebot zu tun, das ist reine Spekulation.
(+) plus: In der Zeit dieser Verwerfungen, was ist ihr Tipp an die Branche?
Schmid: Augen offen halten, Chancen sehen und dann rasch entscheiden. Wobei auch ein Nein eine wichtige Entscheidung ist, oft viel wichtiger als das Ja.