Montag, Dezember 23, 2024
»Jedes Unternehmen soll entlastet werden«

Österreich hat die Chance, Technologie- und Innovationsführer in spezialisierten Sektoren zu werden. Ministerin Margarete Schramböck, Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort, in einem Rückblick und Ausblick auf die Digitalisierung, Fachkräftemangel und MINT-Berufe.


(+) plus: Vor welchen Herausforderungen stand der Wirtschaftsstandort Österreich vor
25 Jahren? Und welche Herausforderungen sehen Sie – vorausgesetzt wir überwinden die Pandemie – in den nächsten Jahren zentral?

Margarete Schramböck: Vor 25 Jahren war Österreich gerade frisch Mitglied der Europäischen Union und begann sich zu etablieren. Seither haben sich Österreich und die EU weiterentwickelt. Wir haben von der wirtschaftlichen Verflechtung und den technologischen Errungenschaften profitiert und konnten positive und nachhaltige Impulse für die österreichische Wirtschaft erzielen.

Jetzt wollen wir Österreich bis 2040 zu einem der Top-10-Wirtschaftsstandorte der Welt machen und erarbeiten dazu die Standortstrategie »Chancenreich Österreich – digital, nachhaltig wirtschaften«. Österreich hat die Chance, Technologie- und Innovationsführer in spezialisierten Sektoren zu werden. Wir wollen Nachhaltigkeit als Standortvorteil nutzen und eine globale Vorreiterrolle einnehmen.

(+) plus: Welche Punkte erachten Sie in der vorliegenden ökosozialen Steuerreform als am wichtigsten?

Schramböck: Diese Steuerreform ist die richtige Antwort auf die größten Herausforderungen, die Österreich meistern muss, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Zur Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen, aber auch zur Forcierung des digitalen und ökologischen Wandels sind Investitionen der ausschlaggebende Faktor.

Durch einen Investitionsfreibetrag sollen weitere Anreize für Unternehmensinvestitionen geschaffen werden. Um klimafreundliche Maßnahmen zu stimulieren, wird es einen erhöhten Freibetrag für ökologische Investitionen geben.
Im Bereich der Entlastung für Unternehmen ist die Senkung der Körperschaftssteuer ein zentrales Element.

Dadurch profitieren nicht nur viele österreichische Betriebe, sondern Österreich steigert damit aktiv auch seine Attraktivität. Überdies wird der Faktor Arbeit entlastet. Von der Tarifsenkung profitieren 3,8 Millionen Lohnsteuerzahlende. Diejenigen, die so wenig verdienen, dass sie keine Steuern zahlen, werden durch die Senkung der KV-Beiträge entlastet.

(+) plus: Viele Technologiebereiche in der Wirtschaft kämpfen seit Jahren mit einem Fachkräftemangel, bedingt gerade durch klischeehafte Berufsbilder in unserer Gesellschaft. Welche Maßnahmen sind für Sie – auch mit Ihrer Erfahrung als Unternehmerin – vielversprechend, Mädchen und Frauen für Berufe in der Technik zu gewinnen?

Schramböck: Frauen stellen ein großes Fachkräftepotenzial in Österreich dar. Sie dringen aber nur langsam in technologie-orientierte und innovative Branchen vor. Vor allem im MINT-Bereich ist es deshalb notwendig, Frauen Perspektiven in Zukunftsberufen aufzuzeigen und Maßnahmen zu ergreifen, um sie zu fördern.

Neben den schon etablierten Programmen, wie dem Führungskräfteprogramm »Zukunft.Frauen« oder dem Gütesiegel equalitA, wo wir Unternehmen mit innerbetrieblicher Frauenförderung vor den Vorhang holen, versuchen wir mit zwei neuen Projekten auch die Heldinnen in MINT von morgen zu unterstützen. Unsere zweite Runde des Drehbuchwettbewerbs »Heldinnen in Serie – Next Generation« setzt darauf, starke weibliche Figuren in den Vordergrund zu rücken.

Die MINT Girls Challenge, soll Kinder und Jugendliche zur Auseinandersetzung mit dem Thema »Mädchen und junge Frauen in den MINT-Fächern« anregen und Awareness schaffen. Technische Lehrberufe müssen für Frauen erlebbar gemacht werden, um neue Perspektiven zu eröffnen.

Als Berufsausbildungsministerin freut es mich daher, dass der Anteil weiblicher Lehrlinge in technischen Lehrberufsgruppen seit 2015 angestiegen ist. Wir unterstützen im Rahmen der betrieblichen Lehrstellenförderung derzeit sechs Projekte, in denen gezielt weibliche Lehrlinge in untypischen Berufen und ihre Ausbilderinnen und Ausbilder begleitet werden.

(+) plus: Welches Resümee ziehen Sie zu Ihren Bestrebungen, mit neuen Lehrberufen dem Fachkräftemangel in der IT entgegenzuwirken?

Schramböck: Generell zeigt sich, dass sich die Lehrlingszahlen in der Lehrberufsgruppe »Informatik, EDV & Kommunikationstechnik« mit einem Plus von 20,4 % zwischen 2018 und 2020 positiv entwickelt haben.
Neue IT-Lehrberufe und die systematische Überarbeitung bestehender Berufsbilder hinsichtlich digitaler Ausbildungsinhalte machen die österreichische Berufsausbildung zeitgemäß und attraktiv und wirken so gegen den Fachkräftemangel.

(+) plus: Wie können sich Österreich und der Wirtschaftsstandort Europa gegenüber der »Übermacht« der Hyperscaler und Content-Plattform aus den USA behaupten?

Schramböck: Wenn wir die Wettbewerbsfähigkeit unseres Standorts steigern, hilft das den Unternehmen, sich erfolgreich zu positionieren. Das zentrale Problem sind Abhängigkeiten von den Big Playern, welche dazu geführt haben, dass diese Bedingungen von den Nutzern, sowohl gewerblichen Nutzern als auch Konsumenten, Konditionen verlangen, die sie nicht verlangen könnten, wenn diese Abhängigkeiten nicht bestehen würden. Wir müssen gegen diese ungleiche Machtverteilung vorgehen.

So auch im Bereich der Cloudservices. Außereuropäische Cloud-Anbieter stellen rund 28 % der cloudbasierten IT-Services, die Unternehmen und Behörden in Deutschland, Österreich und der Schweiz nutzen. Europäischen Provider nur an die 23 %. Viele Unternehmen, die Cloud-Services von außereuropäischen Anbietern nutzen, wollen in den nächsten Jahren ihre Kontingente bei europäischen Anbietern ausbauen.

Das BMDW unterstützt mit der Ö-Cloud Initiative die sichere cloudbasierende Datenverwaltung und Datennutzung in Österreich bzw. in Europa über die GAIA-X-Initiative. Anbieter von Cloud-Diensten verpflichten sich dabei zu strengen, transparenten europäischen Standards und Services. Das stärkt auch den digitalen Datenstandort Österreich in Europa.

(+) plus: In welcher Weise hat die Digitalisierung zu einem besseren Miteinander des Staates mit Unternehmen hinsichtlich effizienter Prozesse in der Verwaltung und neuen Services geführt? Was ist dazu noch geplant?

Schramböck: Die beiden vergangenen Jahre haben eindeutig gezeigt, dass Digitalisierung ein enormer Wettbewerbsvorteil ist und Unternehmen krisenfester macht. Umso wichtiger sind zielgerichtete Maßnahmen zur Stärkung des heimischen Wirtschaftsstandortes.

Meine Absicht ist es, den Wirtschafts- und Digitalstandort Österreich noch weiter voran zu bringen. Jedes Unternehmen, vom Start-up über KMU bis hin zum Leitbetrieb, soll entlastet werden. Es braucht dafür ein Weniger an Gesetzen und ein Mehr an Service.

Unternehmen im Rahmen der Digitalisierungsoffensive die vielfältigen Möglichkeiten im digitalen Bereich näher zu bringen, ist mir daher ein besonderes Anliegen. Gerade hier liegen die großen Zukunftschancen unserer Wirtschaft. Die Potenziale der Digitalisierung für Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze sind gerade jetzt wichtiger denn je. Neue digitale Services der Verwaltung leisten dabei bedeutende Beiträge für den Standorterfolg.

Der Digitalisierungsfonds, der 2021 und 2022 mit jeweils 80 Millionen Euro dotiert ist, finanziert Projekte mit ressortübergreifender Wirkung, die entweder die IT-Konsolidierung des Bundes oder den Ausbau der Bürgerinnen- und Bürger- sowie Unternehmensservices ermöglichen.

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