Covid-19 verändert viele Lebensbereiche fundamental. Auch solche, an die man zuerst gar nicht denken würde. Manchmal hilft so eine Extremsituation aber auch, eigene Vorurteile abzulegen. Ein persönlicher Erfahrungsbericht, wie Coaching von einem Virus gerade neu kalibriert wird.
Executive Coaching ist realiter wahrscheinlich die wirkungsvollste Unterstützung für Führungskräfte. In einer immer weniger planbaren VUCA- Welt (ein Akronym aus Volatile, Uncertain, Complex & Ambiguous) hat es besondere Meriten: Es ist kompakt, konkret, zielorientiert und mit einem optimalen Kosten-Nutzen-Verhältnis. Mit beschränktem zeitlichen und finanziellen Aufwand ermöglicht es ein Maximum an hilfreicher Lösungsfindung und persönlicher Weiterentwicklung.
Gleichzeitig stellt es aber auch eine sehr subtile Herausforderung dar. Immerhin braucht es neben fachlicher Coaching-Expertise auch eine stimmige Chemie und ein gewachsenes Vertrauen zwischen Coach und Führungskraft. Aus leicht nachvollziehbaren Gründen war es bisher weitgehend akzeptierter Standard, dass diese notwendige Vertrautheit eigentlich nur bei physischen Treffen entstehen könne. Auch ich hatte mich in Fachartikeln immer vehement dafür ausgesprochen. Und – mea culpa! – digitale Coaching-Formen hatte ich gedanklich in die Nähe von »Teufelswerk« gerückt. Aber Vorurteile sind eben immer nur »Urteile vor Kenntnis«.
Executive Coaching funktioniert nämlich auch virtuell ausgezeichnet, ohne merkliche qualitative Einbußen. Chemie und Vertrauen lassen sich mit ein bisschen Übung und Rücksichtnahme auf technische Gegebenheiten auch online erstaunlich gut adressieren. Dafür steigt die zeitliche und örtliche Flexibilität für beide Seiten exponentiell an. Ein großer Vorteil in der schnellen VUCA-Welt.
Zum Glück durfte ich zu dieser (Selbst-) Erkenntnis noch knapp vor Beginn von Corona durch das Werben eines internationalen Coaching-Plattformbetreibers kommen. Da alle vermittelten Top-Executives weit verstreut sind, ist die virtuelle Begleitung hier die einzig mögliche Option. Und siehe da, nach den ersten Zoom-Meetings waren alle meine Bedenken weg!
Die coronabedingte Digitalisierungswelle hat selbst bei einem solch intimen Thema wie Coaching binnen weniger Monate zu einem echten Paradigmenwechsel geführt: Online-Coaching ist jetzt »State of the Art«. Das ist nicht ganz freiwillig passiert, aber virtuelle Kommunikation ist heute akzeptiertes Gemeingut geworden und erweitert unterm Strich die Möglichkeiten ganz ungemein. Deshalb wird wohl Executive Coaching mit digitalen Mitteln auch nach Corona seinen neuen Stellenwert behalten. »Form follows function« gilt sogar in einem so höchstpersönlichen Bereich, sofern der Bodensatz der allgemeinen Akzeptanz einmal groß genug geworden ist.
Übrigens, für die nicht so bibelfeste p. t. Leserschaft: Aus dem grimmigen Christengegner Saulus wurde 34 n. Chr. nach einem plötzlichen Bekehrungserlebnis ein glühender Anhänger der neuen Lehre. Er änderte daraufhin sogar seinen Namen in Paulus. So weit werde ich persönlich aber wohl doch nicht gehen.
Info: www.herbertstrobl.cc
Der Autor: Herbert Strobl ist Managementberater und Entwicklungsbegleiter mit den Schwerpunkten Führung, Veränderung und Unternehmenskultur. Er verfügt über 20 Jahre Führungserfahrung in internationalen Konzernen und arbeitet als systemischer Unternehmensberater.