Nach dem Frühlingserwachen im Vorjahr hält auf den Finanzmärkten der Herbst Einzug: Für 2020 wird global ein schwaches Wirtschaftswachstum erwartet, in der Eurozone stabilisiert auf niedrigem Niveau. Trotzdem bieten sich für Anlegerinnen und Anleger einige sonnige Lichtblicke.
Die Kernländer Zentral- und Osteuropas zeigen nach wie vor ein solides, überdurchschnittliches Wachstum auf. Der Leitindex der Wiener Börse bietet gegenüber anderen Indizes noch reichlich Luft nach oben. Unter den ATX-Unternehmen empfehlen sich vor allem Immobilienwerte. Risikofaktoren sind weiterhin geopolitische Konflikte – während der Brexit in die Zielgerade einbiegt, kam mit der Iran-Krise ein neues Problem dazu.
Wo sich Investments lohnen, hat Report(+)PLUS bei Österreichs Top-AnalystInnen nachgefragt.
1. Wie können AnlegerInnen dem Niedrigzins-Umfeld ausweichen?
2. Welches Gewicht haben die handels- und geopolitischen Unsicherheiten?
3. Hat der ATX noch Aufwärtspotenzial?
Plus: Mein persönlicher Anlagetipp
Friedrich Mostböck, Head of Group Research der Erste Group Bank AG
1. Ausweichen kann man nur, wenn man bereit ist, in höhere Risikoklassen zu investieren. Dazu gehören Aktien oder z.B. Corporate Bonds. Sinnvoll wäre aber auch, in globale Fonds zu investieren, welche das Risiko durch breite Streuung reduzieren.
2. Die haben kurzfristig relativ starke Bedeutung, da sie Finanzmärkte immer wieder psychologisch negativ irritieren. Beispielsweise waren erst zuletzt die Märkte vom USA-Iran-Konflikt beeinflusst. Eine mögliche weitere Eskalation des Konflikts wäre wohl kurzfristig sehr negativ.
3. Ja, wir gehen von moderatem Aufwärtspotenzial für 2020 aus. Dafür sprechen eine nach wie vor günstige Bewertung, ein deutlich besseres wirtschaftliches Umfeld für die Region Zentral- und Osteuropa, in der der Großteil der ATX-Unternehmen tätig ist, sowie vor allem im Null-Zinsumfeld eine Dividendenrendite von mehr als 4 %.
Mein Tipp: Strabag – starke Marktposition in Österreich, Deutschland und Zentral- und Osteuropa, somit gute wirtschaftliche Diversifikation, erfahrenes Management, attraktive Bewertung und Dividendenrendite von über 4 %.
Peter Brezinschek, Chefanalyst der Raiffeisen Bank International
1. Das aktuelle Negativzinsumfeld wird auch in den kommenden Jahren nicht weichen. Daher sind die stark gesunkenen Anleiherenditen sowohl bei Staats- als auch bei Unternehmensanleihen keine lohnende Anlage mehr. Hier sind die Renditen zum Großteil selbst schon negativ geworden. Daher haben Anleger, die auf realen Ertrag Wert legen, nur die Möglichkeit, bei Immobilien, Aktien und eventuell EM-Anleihenfonds zu punkten.
2. Während das Jahr 2019 von (geo-)politischen Turbulenzen gekennzeichnet war, dürften sich beispielsweise Brexit und Handelskonflikte 2020 weniger dramatisch darstellen. Allerdings ist die Lage im Mittleren Osten und einzelnen Emerging Markets labil. Wichtig werden aber der US-Präsidentschaftswahlkampf und die deutschen Bundestagswahlen im Herbst 2020 für die Märkte sein.
3. Der ATX hat sich mit +16 % im Vorjahr zwar recht brav entwickelt, ist aber gegenüber den internationalen Börsentrends zurückgeblieben. Mit einer Konjunkturstabilisierung und Trendwende in der Industrie im Jahresverlauf sollte der ATX auch 2020 ein deutliches Kursplus aufweisen können. Geschätzte 10 % Gewinnwachstum und ein KGV von rund 11 sind gute Voraussetzungen dafür.
Mein Tipp: Ich finde Express-Zertifikate als eine interessante Alternative für Anleger mit gewisser Risikobereitschaft. Zumeist fünfjährig und mit einer beachtlichen Barriere erst am Laufzeitende ausgestattet, bieten entweder Indizes oder langfristig solide Aktien als Basis eine gute Ertrags/Risiko-RelationDer ATX hat sich mit +16 % im Vorjahr zwar recht brav entwickelt, ist aber gegenüber den internationalen Börsentrends zurückgeblieben. Mit einer Konjunkturstabilisierung und Trendwende in der Industrie im Jahresverlauf sollte der ATX auch 2020 ein deutliches Kursplus aufweisen können. Geschätzte 10 % Gewinnwachstum und ein KGV von rund 11 sind gute Voraussetzungen dafür.
Erich Stadlberger, Direktor Private Banking & Asset Management der Oberbank AG
1. Wir sind nun im zehnten Jahr mit negativer Realverzinsung, d.h. die Inflation in Österreich ist seit dem Jahr 2010 höher als das Zinsniveau. Wir denken, dass diese Entwicklung nicht vorübergehend ist und noch Jahre anhalten wird. AnlegerInnen haben wohl nur mit einer hohen Aktienquote die Chance, einen realen Geldverlust zu vermeiden.
2. In unserem Basisszenario für 2020 nehmen belastende Unsicherheitsfaktoren wie der Handelskonflikt sukzessive ab. Die politische bzw. geopolitische Situation bleibt weiterhin angespannt, jedoch erwarten wir keine Eskalationen.
3. Wir denken, dass der österreichische Aktienmarkt unterschätzt wird. Fast 80 % der ATX-Unternehmen erwirtschaften erhebliche Anteile von Umsatz und Ertrag in der wachstumsstarken CEE-Region. Zudem sind österreichische Aktien mit einem Kurs-Buchwert-Verhältnis von 1,1 und einer Dividendenrendite von 4,2 % attraktiv bewertet (beides für 2020 geschätzt).Das ist im internationalen und historischen Vergleich sowie zu festverzinslichen Wertpapieren günstig.
Mein Tipp: Nachdem wir den österreichischen Aktienmarkt aussichtsreich sehen, empfehlen wir den 3-Banken-Österreich-Fonds. Dieser lieferte in den vergangenen Jahren eine beeindruckende Outperformance gegenüber dem breiten österreichischen Markt.
Monika Rosen, Chefanalystin UniCredit Bank Austria Premium Banking
Das Jahr 2019 verlief für die Weltbörsen ausgezeichnet, trotz einer Reihe von geopolitischen Unsicherheitsfaktoren, vom Brexit bis zum Handelskonflikt zwischen den USA und China. Auch die militärische Eskalation im Mittleren Osten sorgte zu Jahresbeginn für eine Schrecksekunde.
Für den Moment lassen sich die Börsen von diesen Themen aber nicht allzu sehr verunsichern. Außerdem bietet die Geldpolitik in vielen Teilen der Welt weiterhin starke Unterstützung. Sowohl die EZB als auch die US-Notenbank haben im Vorjahr weitere Lockerungsschritte gesetzt und damit risikoreiche Anlageklassen unterstützt. Da unserer Meinung nach viele positive Faktoren in den Kursen aber bereits enthalten sind, halten wir an unserem »neutralen« Anlagevotum bei Aktien fest. Wir sind langfristig davon überzeugt, dass Aktien Teil einer erfolgreichen Portfoliostrategie sein sollten. Außerdem halten wir die Fantasie an den Rentenmärkten für weitere Kursanstiege (also Rendite-Rückgänge) für noch begrenzter und bevorzugen im relativen Vergleich Aktien gegenüber Anleihen. Unsere Anlagestrategie zu Jahresbeginn lautet daher, Aktien neutral zu gewichten und Anleihen unterzugewichten. Wir halten einen relativ hohen Barbestand, der als strategische Eingreifreserve dient. Alternative Anlageklassen (u. a. Rohstoffe) finden im Portfolio ebenfalls Berücksichtigung.
Herta Stockbauer, BKS Bank AG
1. Indem Sie die Chancen nützen, welche der Kapitalmarkt bietet. Mit einem klugen Mix aus Anleihen und Aktien können derzeit, je nach Risikoklasse, gute Renditen erwirtschaftet werden. In jedem Fall ist es aber wichtig, sich professionell beraten zu lassen, um die passende Anlagestrategie zu wählen. Wer erstmals am Kapitalmarkt investieren möchte, dem empfehlen wir zum Beispiel den BKS-Anlagemix. Dieses Dachfondskonzept investiert die eingezahlten Gelder in international gestreute Aktien- und Anleihefonds. Eine Veranlagung ist bereits ab 50 Euro monatlich möglich.
2. Größere politische Entwicklungen haben immer auch Auswirkungen auf den Kapitalmarkt. Diese Schwankungen werden aber in den meisten Fällen im Laufe des Veranlagungszeitraumes wieder ausgeglichen.
3. Der österreichische Aktienmarkt hat weiteres Entwicklungspotenzial. Im vergangenen Jahr sind die globalen Aktienmärkte mit ca. 28 % überdurchschnittlich deutlich angestiegen. Auch der ATX konnte um 19 % zulegen. Die Bewertungen vieler österreichischer Aktien sind gut, die Dividendenrendite ist ebenfalls sehr attraktiv und liegt im ATX-Durchschnitt aktuell deutlich über der Inflationsrate.
Mein Tipp: In einem gut diversifizierten Portfolio sollten solide nationale und internationale Aktien nicht fehlen. Eine breite Streuung mit einer Beimischung von Unternehmens-, Schwellenländer- und Wandelanleihen erscheint aus heutiger Sicht sinnvoll. Weiterhin am Vormarsch befinden sich nachhaltige Veranlagungen. Sie dienen dem Umweltschutz, unterstützen die zukunftsfähige Entwicklung unserer Gesellschaft und sind langfristig stabiler. Als BKS Bank bieten wir aktuell einen Green Bond an, welcher ausschließlich zur Finanzierung von Photovoltaikanlagen in Österreich herangezogen wird. Sehr gut nachgefragt wird auch unsere nachhaltige Vermögensverwaltung.