In einer ungewöhnlichen Location treffen wir uns zum "ArchitekturMorgen". Arch. Evgeni Gerginski und Arch.Andreas Hawlik (HAWLIK GERGINSKI Architekten) haben DI Antonia Roither-Voigt (ARWAG), DI Silvia Hofer (wohnfonds wien), Mag. Alexander Gluttig (EBG Wohnen) und Arch. DI Paul Rakosa (ÖVW) in den Parkpavillon der Bäckerei „Der Mann“ im Sonnwendviertel eingeladen. Thema ist „Der gemeinnützige Wohnbau“. Wie es immer so ist beim "ArchitekturMorgen", sind die Meinungen sehr mannigfaltig – und wieder einmal zeigt sich, dass in einer entspannten Atmosphäre auch ebenso diskutiert werden kann.
Text: Walter Senk
Die Diskussion beginnt Antonia Roither-Voigt mit einer Anekdote über unseren Treffpunkt, denn eigentlich hatte die ARWAG die Idee, eine Filiale von „Der Mann“ in einem ihrer Projekte hier im Sonnwendviertel unterzubringen. Letztendlich wurde dann von der Bäckerei der Pavillon gewählt. Die Idee, einen Treffpunkt zu schaffen, entspricht jedenfalls einem der Kriterien des geförderten Wohnbaus. Evgeni Gerginski beschreibt das „Vier-Säulen-Modell“ des geförderten Wohnbaus: „Ökonomie, soziale Nachhaltigkeit, Architektur und Ökologie.“ Die soziale Nachhaltigkeit bildet die Grundvoraussetzung für ein gemeinsames Miteinander – eine der wesentlichen Säulen für funktionierende Stadtteile.
Veränderung der gesellschaftlichen Themen
Die gesellschaftlichen Themen werden immer vielfältiger und verändern sich ständig. Antonia Roither-Voigt: „Im sozialen Wohnbau schaffen wir aber immer wieder eine gute Basis, und das gibt der Stadt eine gewisse Robustheit, auch wenn wir uns vom Bild verabschieden müssen, dass es irgendwann einen idealen Stand in der Gesellschaft gibt.“ Die soziale Nachhaltigkeit ist letztendlich bei der Planung einer Stadtentwicklung die erste Komponente. „Wir bieten den Bewohnerinnen und Bewohnern ein funktionierendes Umfeld an“, so Silvia Hofer: „Die soziale Nachhaltigkeit, die wir in den Gebieten schaffen, ist das, was internationale Delegationen am meisten fasziniert, wenn sie nach Wien kommen, um unseren Wohnbau zu studieren.“ Da die einzelnen Wohnobjekte in den Stadtteilen auch von den gemeinnützigen Bauträgern verwaltet werden, „können wir sehen, welche Themen über die Jahre für die Bewohnerinnen und Bewohner wichtig sind und wie sich ihre Ansprüche verändern“, führt Alexander Gluttig aus.
Lebenswerte Stadtteile
Die Menschen zusammenzuführen ist eine der großen Aufgaben, um auch die Stadtteile und Grätzel lebenswert zu halten. Paul Rakosa spricht die Idee eines Community-Managers an, „der die BewohnerInnen eines Projekts betreut oder sogar einzelne Grätzel“. Ansprechperson, KommunikatorIn, VermittlerIn, OrganisatorIn – man will die Gemeinschaft nicht mehr dem Zufall überlassen. Positiv sieht das auch Alexander Gluttig, allerdings mit gewissen Einschränkungen: „Es gibt sehr wohl eine große Palette an sozialen Serviceleistungen, die angeboten werden könnten, aber wir dürfen das nicht überbordend machen.“ Seiner Meinung nach sollten Angebote geschaffen, aber den Menschen nicht die Eigenverantwortung aus der Hand genommen werden. „Es braucht jemanden, der präsent ist“, bestätigt Antonia Roither-Voigt: „Es wäre eine Art ‚Kristallisationspunkt`, an dem man andocken kann.“ Silvia Hofer sieht ebenfalls die Notwendigkeit, „vor allem wenn es sich um neue Projekte oder Stadtteile handelt“. Damit wäre es möglich, von Anfang an eine Gemeinschaft zu schaffen.
Community-Building für die Stadtteile
Andreas Hawlik greift die Idee auf und überlegt, ob es nicht zielführend wäre, „ein Community-Building in einem der Gebäudekomplexe zu installieren“. Die Voraussetzung dafür wäre allerdings, dass die Barriere sehr niedrigschwellig ist, damit die Menschen es auch wirklich aufsuchen. „Niederschwellig und alltagstauglich“, so Alexander Gluttig: „Die Alltagstauglichkeit ist oft nicht einfach zu bewerkstelligen.“ Denn so gut Ideen oft in der Planung erscheinen mögen, so schwierig sind sie teilweise umzusetzen und scheitern manchmal an der Realität.
Es zeigt sich nämlich, dass die Menschen die Ideen, die ihnen angeboten werden, manchmal nicht gutheißen und daher nicht akzeptieren. Aber auch wenn eine Idee nicht funktioniert, „so kann man daraus lernen“, sagt Andreas Hawlik. Antonia Roither-Voigt unterstreicht diesen Ansatz: „Man muss mutig sein, das stimmt. Es darf möglich sein, wenn es nicht funktioniert, dass man einfach umplant.“ Vor allem im Hinblick darauf, dass in Wien keine Satellitenstädte aus dem Boden gestampft werden, sondern „wir für die nächsten 70 bis 100 Jahre planen“.
Beispiel einer Umplanung
Alexander Gluttig nennt ein Beispiel einer solchen Umplanung. In einem Wohnhaus von EBG Wohnen war eine Tanzschule eingemietet und die Räumlichkeiten wurden auch als solche gewidmet. Da die Tanzschule im Zuge der Pandemie das Geschäft nicht weiterverfolgen konnte, wurde über eine Umwidmung die Möglichkeit geschaffen, eine Primärversorgungseinheit in diesem Haus unterzubringen. „DAS funktioniert grundsätzlich“, sagt Alexander Gluttig, „aber es war viel Arbeit, alle Zustimmungen der EigentümerInnen im WEG einzuholen.“
Gesetze und Bauordnung erschweren Veränderungen
Oftmals sind die Gesetze oder die Bauordnung der Grund, dass sich Veränderungen nur schwer umsetzen lassen. Evgeni Gerginski spricht in diesem Zusammenhang die Flexibilität der Räume und der Gebäude an, vor allem, wenn sie für einen langen Zeitraum geplant sind: „Wir brauchen geänderte Raumanforderungen, die sich den raschen Entwicklungen in der Gesellschaft flexibel anpassen lassen.“ Architektonisch wäre dies keine allzu große Herausforderung, die Hürden liegen in diesem Fall bei den Gesetzen und Normen.
Zum Abschluss stellte ich noch eine Frage: „Wenn Sie ein freies Grundstück hätten und ohne Vorgaben einen Wohnbau errichten könnten – was würden Sie bauen?“ Hier sind die sehr interessanten Antworten:
Paul Rakosa: Ein generationenübergreifendes Wohnhaus. Das ist ein Thema, das uns immer mehr beschäftigen wird: alte Menschen, die nicht in ein Heim wollen und sich mit jungen Bewohnerinnen und Bewohnern zu einer Community zusammenschließen.
Antonia Roither-Voigt: Ein Frauenhaus, kombiniert mit einem Kinderdorf. Eine soziale Infrastruktur für die Stadt.
Evgeni Gerginski: Eine Idee, die es schon sehr lange gibt, denn die ersten Pläne von Hochhäusern waren übereinandergestapelte Einfamilienhäuser. Der Traum der ÖsterreicherInnen ist ja immer noch das Einfamilienhaus, und wenn man jedes Geschoß anders konzipieren und diese Häuser miteinander verbinden könnte, dann wäre das sicherlich ein interessantes Projekt.
Silvia Hofer: Ich glaube zunächst, dass es wichtig ist, dass jede Wohnung einen eigenen Freibereich hat. Außerdem sollten mehr nachwachsende Rohstoffe genutzt werden, aber die Baustoffe sollte man dort einsetzen, wo sie Sinn machen. Wir werden keinen reinen Holzbau schaffen, aber die Kombination moderner Baustoffe ist möglich.
Alexander Gluttig: Wir haben auf der Pötzleinsdorfer Höhe ein Haus errichtet, das mit dem Wiener Wohnbaupreis 2024 ausgezeichnet wurde. Es vereint alle vier Säulen des gemeinnützigen Wohnbaus auf eine ganz selbstverständliche Art. Darüber hinaus hat der Holzhybridbau bereits zum Errichtungszeitpunkt 2016 zukunftsweisende Maßstäbe gesetzt – hinsichtlich Nachhaltigkeit, Bodenversiegelung und Ökologie.
Es ist kein selbstverständliches Projekt, da in diesem Gebiet sozialer Wohnbau nicht so leicht möglich war. (Anm. d. Red.: Der letzte soziale Wohnbau im 18. Bezirk entstand nämlich vor rund 40 Jahren.)
Andreas Hawlik: Die Kleinteiligkeit macht einen Dachgeschoßausbau immer schwierig, das wäre im Großen viel leichter zu lösen, und es gäbe viel mehr Möglichkeiten. Daher wäre es interessant, einen zusammenhängenden Überbau auf einem ganzen Gründerzeitblock zu errichten.