Der Factoring-Umsatz ist in Österreich von 2008 bis 2019 von 6,3 auf 27,2 Milliarden Euro stetig gestiegen. Anhand von sieben konkreten Tipps aus der Praxis erläutert Peter Androsch, Geschäftsführer der Kreditversicherungsmaklergesellschaft A.C.I.C., wie Unternehmen ihre Bilanzen, Bonitäten und ihre Liquidität verbessern können.
„Früher wurden Forderungen nur dann verkauft, wenn ein Unternehmen nirgendwo sonst mehr Geld bekam. Das hat sich grundlegend geändert“, erklärt Androsch. „Factoring erscheint auf den ersten Blick nicht gerade attraktiv, denn die derzeitige Zinslandschaft ermöglicht als Alternative günstige Bank-Finanzierungen.“
Klug angewendet, gäbe es aber gerade im aktuellen Niedrigzinsumfeld durch den Verkauf von Forderungen und anderen finanziellen Schachzügen für Unternehmen zahlreiche Optimierungsmöglichkeiten.
1. Nützen Sie die gute Bonität Ihrer Kunden:
Angenommen ein Lieferant mit angeschlagener Bonität beliefert etliche Großkunden, die ihre Waren naturgemäß auf Ziel kaufen – wobei in manchen Branchen und Exportländern mehrmonatige Zahlungsziele nicht untypisch sind. Um neue Geschäfte zu finanzieren, nimmt der Lieferant einen Kredit auf bzw. schöpft seinen Finanzierungsrahmen bei der Bank aus. Je schlechter die Bonität, desto höher fällt natürlich der Zinssatz aus.
Also verkauft der Lieferant seine Forderungen lieber gegen eine Gebühr an eine Factoring-Bank, wobei beim „echten“ Factoring im Anschluss die Bank das Zahlungsausfalls-Risiko des Kunden trägt. In diesem Fall ist es so: Je besser die Bonität seiner Kunden, desto besser die Konditionen, die der Lieferant von der Bank erhält. Die Bonität des Lieferanten selbst spielt dabei eine geringere Rolle als beim Bankkredit.
2. Erhöhen Sie die Eigenkapitalquote:
Factoring dient auch dazu, die Bilanz zu verkürzen. 100.000 Euro an Forderungen und 100.000 Euro an Verbindlichkeiten kann ein Unternehmen natürlich nicht gegeneinander ausbuchen. Es sei denn, man verkauft die Forderungen an ein Factoring-Institut und begleicht damit die Verbindlichkeit. Dadurch steigt nicht nur die Eigenkapitalquote, sondern neben der Liquidität auch die Bonität.
Somit verbessert sich in weiterer Folge die Position bei künftigen Kreditgesprächen und Skonto-Verhandlungen mit Lieferanten. Manche Unternehmen verkaufen ihre Forderungen sogar gezielt vor dem Bilanzstichtag und bessern so ihre Eigenkapitalquote auf.
3. Achten Sie auf Codewörter im Vertrag:
Im Gegensatz zu Deutschland wird in Österreich von den Banken oft „unechtes“ Factoring angeboten. Wer auf eigene Faust bei den Factoring-Banken vorstellig wird, sollte daher unbedingt immer das Kleingedruckte lesen. Beim „unechten“ Factoring wird zwar die Forderung vom Lieferanten gegen Geld an die Bank ebenfalls „verkauft“.
Wenn der Kunde zunächst nicht zahlt oder sogar insolvent wird, darf sich die Bank in diesem Fall aber beim Lieferanten schadlos halten. Achten Sie im Vertrag daher unbedingt auf Code-Wörter wie „true sale“ oder „ohne Regress“ oder ähnliche Formulierungen. Diese sind Hinweise auf echtes Factoring. Gleichzeitig können trotz solcher Hinweise Einschränkungen bestehen.
4. Kombinieren Sie mit einer Kreditversicherung:
Unechtes Factoring gleicht in der Praxis eher einem Darlehen, das der Lieferant von der Bank bekommt, weil er im Endeffekt weiter das Zahlungsausfalls-Risiko seines Kunden trägt. Aber auch hier gibt es einen „Trick“. Ähnlich wie die Banken beim „echten“ Factoring im Hintergrund Kreditversicherungen abschließen, die sie im Fall des Forderungsausfalls schadlos halten, ist es für Lieferanten von großem Vorteil, wenn sie beim unechten Factoring eine Kreditversicherung abgeschlossen haben.
Diese sichert die Forderung gegenüber ihren Kunden ab, weshalb sie sich ihrerseits im Fall eines Regresses durch die Bank beim Kreditversicherer schadlos halten können. Extratipp: Gleichen Sie den Vertrag der Kreditversicherung immer mit dem Factoring-Vertrag ab. In beiden Fällen sollten beispielsweise die vorgesehenen Zeiträume ident sein, ab wann ein Mahnverfahren eingeleitet werden muss, damit die Deckung übernommen wird.
5. Diversifizieren Sie:
Derzeit sind nicht nur die Zinsen niedrig, sondern auch das wirtschaftliche Umfeld ist noch relativ gut. Doch die dunklen Konjunkturwolken ziehen bereits heran. Deshalb ist es gerade in wirtschaftlich florierenden Zeiten wichtig, einen finanziellen Polster anzulegen.
Zudem ist gerade jetzt, wenn die Kunden noch pünktlich zahlen, eine Diversifikation in der Finanzierung enorm wichtig. Wenn sich die Zahlungsmoral der Kunden bereits zu verschlechtern beginnt, wird auch Factoring teurer und steht dem Lieferanten möglicherweise gar nicht mehr zur Verfügung.
6. Vorsicht bei Fintechs:
In Österreich benötigt ein Factoring-Institut eine Banklizenz. In einigen EU-Ländern ist das anders. Ausländische Fintechs bieten immer wieder Einzelfakturen-Factoring über das Web an. Sie haben meist keine Banklizenz und können sich daher nicht über das Zentralbanksystem refinanzieren, falls sie durch Zahlungsausfälle einen Liquiditätsengpass bekommen.
Auch sie versuchen natürlich, das Betrugs- und Ausfallsrisiko auszuschalten, damit ihnen keine unberechtigten oder bonitätsschwachen Forderungen verkauft werden. Aber wenn es sie erwischt, dann erwischt es sie härter. Daher sollten Unternehmen immer genau prüfen, mit wem sie zusammenarbeiten. Gerade in der Finanzierung braucht es immer eine gute Planbarkeit und Verlässlichkeit.
7. Denken Sie auch an unkonventionelle Finanzierung:
Angesichts des Zinstiefs gibt es genügend Institutionen, Fonds oder auch vermögende Privatpersonen, die Zinserträge generieren wollen und in sogenannten Einkaufsfinanzierungsgesellschaften ihre Liquidität einbringen. Unternehmen, die ihre Beschaffung und Lager finanzieren wollen, könnten daher zusätzlich auf deren Dienste zurückgreifen, weil das eine sehr dynamische Form der Finanzierung ist.