Die österreichische Wohnbaupolitik steht vor großen Herausforderungen. Zwar hat laut dem Institut für Immobilien Bauen und Wohnen (IIBW) sowohl die Zahl der Wohnungsbewilligungen als auch der Fertigstellungen nach ordentlichen Dellen von 2009 bis 2011 in den letzten Jahren wieder deutlich zugelegt. Allerdings ist die Nachfrage, speziell nach leistbarem Wohnraum, im selben Zeitraum noch stärker gestiegen. Welche Maßnahmen die Regierung plant und was die Branche fordert.
Wirft man einen Blick aufs Koalitionsabkommen, zeigt sich, dass sich die neue Regierung in Sachen Wohnbau und Wohnrecht einiges vorgenommen hat. Das Wohnrecht soll modernisiert werden, Eigentumsbildung erleichtert und die Wohnungsgemeinnützigkeit erneuert werden. Dazu sollen die Wohnbaukosten gesenkt, Investitionsanreize für Neubau und Sanierung gesetzt und der Sanierscheck verlängert werden. Im Zuge der allgegenwärtigen Entbürokratisierung und Deregulierung soll das Normenwesen vereinfacht, die Arbeitszeiten flexibilisiert und bautechnische Vorschriften vereinfacht werden.
Weiter forciert werden sollen das Bestbieterprinzip und der Kampf gegen Lohn- und Sozialdumping. Wie sich all diese Überschriften und Ankündigungen in der Praxis bewähren, bleibt abzuwarten, größere Umwälzungen sind aber durchaus anzunehmen. Nicht zuletzt deshalb, weil im Zuge der letzten Finanzausgleichsverhandlungen die Wohnbauförderung auf völlig neue Beine gestellt und mit 1. Jänner 2018 in die alleinige Obhut der Ländern übertragen wurde. Zwar hat eine aktuelle Erhebung des Bau & Immobilien Report ergeben, dass kurzfristig keine gravierenden Änderungen gegenüber den letzten beiden Jahren zu erwarten sind und vorerst kein einziges Bundesland die neu geschaffene Möglichkeit wahrnimmt, die Höhe des Wohnbauförderbeitrags zu ändern bzw. selbst festzulegen.
Auch in der Dotierung und Verwendung der Wohnbaufördertöpfe lassen sich bis auf wenige Ausnahmen vorerst keine großen Veränderungen erkennen. Dennoch herrscht in der Branche auch Verunsicherung, zu frisch sind die Erinnerungen an verkaufte, verspekulierte oder schlichtweg anderweitig verwendete Wohnbaugelder. Dazu kommt, dass die Ausgaben der Wohnbauförderung schon seit 2014 konstant rückläufig sind. Das liegt laut IIBW-Geschäftsführer Wolfgang Amann vor allem an stark sinkenden Förderungszusicherungen und -ausgaben bei Eigenheimen sowie der Tatsache, dass mehrere Länder Förderungsmodelle eingeführt haben, die sich die derzeit günstigen Kapitalmarktbedingungen zunutze machen. »Niederösterreich etwa hat ein Modell eingeführt, das unter den heutigen Bedingungen das Land gar nichts kostet«, erklärt Amann.
Diese sich ändernden Rahmenbedingungen haben die Nachhaltigkeitsinitiative Umwelt + Bauen der Bausozialpartner und Global 2000 zum Anlass genommen, ein neues Positionspapier zu erstellen, das den Status quo in Sachen Wohnungsneubau und Sanierung mit konkreten Forderungen an die Politik verbindet. »Gemeinsam mit unseren Experten wollen wir als Initiative weiterhin ein wichtiger inhaltlicher Zulieferer der Bundesregierung zu den Schwerpunkten Umwelt und Bauen sein«, so der Sprecher und Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Bau-Holz Josef Muchitsch.
Neubau
Aktuell zeichnet sich das Neubaugeschehen laut Umwelt + Bauen vor allem durch ein zu geringes Angebot im Bereich der unteren und mittleren Preissegmente aus. »Die Zahl der neu errichteten leistbaren Wohnungen ist angesichts der anhaltend hohen Nachfrage nach wie vor nicht ausreichend«, erklärt Muchitsch. Während in den vergangenen Jahrzehnten die Relation zwischen Haushaltszuwachs und geförderten Mietwohnungsbau mindestens 2:1 betragen hätte, sei sie zuletzt deutlich unter dieses Niveau gesunken. »Die Deckungslücke an leistbaren, geförderten Geschoßwohnungen liegt derzeit zwischen 7.000 und 9.000 Wohnungen jährlich.«
Deshalb fordert Umwelt + Bauen neben einer Reform des Mietrechts und Modernisierung des Baurechts vor allem eine langfristige Absicherung der Wohnbauförderungsmittel. Es wird kritisiert, dass eine Wiedereinführung der Zweckbindung der Wohnbauförderung im Zuge des letzten Finanzausgleichs trotz breiter politischer Zustimmung auf Bundes- und Landesebene sowie seitens der Interessensvertretungen nicht erfolgt ist.
Stattdessen wurde mit dem Paktum der Wohnbauförderungsbeitrag verländert, allerdings mit der Vorgabe, Wohnbauprogramme mit einer verbindlichen Wohnbauleistung und entsprechend gebundenen Mitteln zu erstellen. Um damit einen ähnlichen Effekt und Hebel wie mit einer Zweckbindung zu erzielen, fordert Bundesinnungsmeister Hans-Werner Frömmel eine länderseitige Verpflichtung zur Aufrechterhaltung des Wohnbauförderungsbeitrags in bisheriger prozentueller Höhe und dessen zweckgebundenem Einsatz, die Verpflichtung der Länder zur Zweckwidmung aller Rückflüsse aus Wohnbaudarlehen sowie eine ergänzende Finanzierung der Wohnbauförderung seitens der Länder in einer dem Bedarf entsprechenden Höhe. »Diese Zweckbindung muss rechtlich entweder durch landesgesetzliche Regelungen oder durch eine Art. 15a-Vereinbarung erfolgen. Andernfalls müssen die Wohnbauförderungsmittel spätestens mit dem nächsten Finanzausgleich in die Bundeskompetenz überführt werden«, sagt Muchitsch.
Bezüglich der von der Regierung angekündigten »Durchforstung und Vereinheitlichung der Baustandards, Baunormen Richtlinien, Wohnbauförderungsvorschriften und Wartungsvorschriften auf Kosteneinsparungspotenziale« fordert die Nachhaltigkeitsinitiative, Arbeitsgruppen mit klaren Zeitvorgaben zu bilden. Dabei könne auf die Vorarbeiten der Bauinnungen Tirol und Salzburg und auf die Vorschläge von Austrian Standards zur Reduktion der Baukosten aus dem Dialogforum Bau Österreich zurückgegriffen werden.
Sorgenkind Sanierung
Besonders starkes Kopfzerbrechen bereitet die Sanierungsrate. Drei Prozent jährlich sind das Ziel der Klimastrategie 2007, tatsächlich dümpelt sie aktuell bei 0,6 Prozent bei umfassenden Sanierungen und 1,6 Prozent bei thermischen Fassadensanierungen herum. Definitiv nicht förderlich für eine Anhebung der Sanierungsrate war laut Umwelt + Bauen die Kürzung des Sanierungsschecks von ursprünglich 100 Millionen Euro auf 40 Millionen Euro. »Die Sanierungsraten sind seit Jahren rückläufig und haben zuletzt in einigen Regionen fast den Nullpunkt erreicht. Vonseiten der Bundesregierung braucht es daher dringend neue Anreize, wie eine Wiederaufstockung des Sanierungsschecks und steuerliche Begünstigungen, um eine Trendwende einzuleiten. Auch die Länder sollten ihre Förderungen so attraktiv gestalten, dass sie wieder in Anspruch genommen werden«, fordert Robert Schmid, stellvertretender Obmann des Fachverbandes Steine-Keramik.
Zusätzlich empfiehlt die Initiative, bei geförderten Sanierungsmaßnahmen die Vorlage eines Gesamtsanierungskonzepts als Voraussetzung festzulegen. Damit wird auch bei geringeren Sanierungsbudgets die Durchführung einer schrittweisen Sanierung über einen längeren Zeitraum sichergestellt. »Die stark eingebrochene Sanierungstätigkeit muss wieder angekurbelt werden«, fordert auch Johannes Wahlmüller von GLOBAL 2000. Dazu brauche es die Umrüstung von noch immer mehr als 600.000 Ölheizungen. »Es ist jetzt Zeit für die Umsetzung von Maßnahmenpaketen, die hier wirklich greifen. Die Modernisierung des Gebäudebestands muss eine der Prioritäten der nächsten Bundesregierung sein.«
Info: Neubau und Sanierung
Die wichtigsten Forderungen der Initiative Umwelt + Bauen
Neubau:
> Langfristige Sicherung der Wohnbauförderungsmittel, um ausreichend leistbaren Wohnraum zu schaffen
> Schaffung der rechtlichen Grundlagen für rasche Baulandmobilisierung und kosteneffizientes Bauen
> Investition von privatem Kapital in den sozialen Wohnbau über vorhandene Finanzierungsinstrumente anstelle einer Aushöhlung der Vermögensbindung der gemeinnützigen Bauträger
Sanierung:
> Forcierung der thermisch-energetischen Sanierung und Anhebung der Sanierungsrate auf 3 % jährlich
> Fortsetzung, Ausbau und Fokussierung des »Sanierungsschecks«
> Förderung der Erstellung und Umsetzung von Gesamtsanierungskonzepten
> Schwerpunktsetzung der thermisch-energetischen Sanierungstätigkeit bei öffentlichen Gebäuden als Vorbildwirkung