Montag, Dezember 23, 2024
"Wir waren wie Kampfhähne"

Im Interview mit Report(+)PLUS spricht Hans-Werner Frömmel, Bundesinnungsmeister der Bundesinnung Bau, über steigende Baukosten und unfairen Wettbewerb. Er erklärt, warum sich der Preiskampf trotz Hochkonjunktur und guter Auslastung weiter verschärft hat und gibt einen Einblick, wie sich die Sozialpartnerschaft im Laufe der Jahre verändert hat.

(+) plus: Die Konjunktur brummt. Wie ist es dem heimischen Baugewerbe im abgelaufenen Jahr gegangen?

Hans-Werner Frömmel: 2017 gab es ein Wachstum im Bauwesen von rund 2,8 Prozent. Positive Nachrichten gibt es aus praktisch allen Bundesländern. Zusammenfassend kann man sagen, dass 2017 zufriedenstellend bis sehr zufriedenstellend verlaufen ist. Sorgen bereitet aber immer noch das Preisniveau.

(+) plus: Laut Statistik Austria sind die Baukosten im letzten Jahr aber um 3,5 Prozent gestiegen?

Frömmel: Das ist richtig, hat aber nicht in erster Linie etwas mit unseren Preisen zu tun. Der Hauptpreistreiber sind die Grundstückskosten, dazu kommen hoch qualitative Materialien und die von Normen, Vorschriften und  Bauherrn geforderte Qualität, die sich oft am Rande der Finanzierbarkeit bewegt. Natürlich gab es auch bei uns leichte Preissteigerungen, aber mir kann niemand erzählen, dass die Baumeister Schuld am Preisanstieg sind.

(+) plus: Von den meisten Bauunternehmen hört man, dass die Auslastung aktuell sehr gut ist. Können diese Kapazitätsengpässe zu Preissteigerungen führen, wie viele Bauherren befürchten? Anders gefragt: Ist in Zukunft wieder eine durchgehend auskömmliche Preisgestaltung für die Bauunternehmen realistisch?

Frömmel: Das wäre natürlich zu hoffen. Fakt ist aber, dass sich der Preiskampf durch die vielen Entsendungen aus dem Ausland verschärft hat. Selbst wenn alles legal abläuft – was nicht immer der Fall ist –, haben diese Unternehmen durch niedrigere Steuern und Lohnnebenkosten Lohnvorteile von bis zu 20 Prozent. Und wenn im Hochbau der Lohnanteil bei rund 50 Prozent der Kosten liegt, ergeben sich legale Preisvorteile von rund zehn Prozent.

Deshalb fordern wir schon lange, dass für die Dauer der Entsendung ausländische Unternehmen dieselben Sozialabgaben und Steuern wie die heimischen Betriebe zahlen sollen. Das Geld wird aber nicht in Öster­reich einbehalten, sondern an das Entsendeland abgeführt. Für das Entsendeland würden sich keine Nachteile ergeben, der Wettbewerb hierzulande wäre aber fairer.  

(+) plus: Stichwort Entsendungen: Die österreichische Bauwirtschaft ist auf Mitarbeiter aus dem Ausland angewiesen. Gleichzeitig leiden seriöse Unternehmen unter den schwarzen Schafen, die mit Lohn- und Sozialdumping Wettbewerbsverzerrung betreiben. Wie fair läuft der Wettbewerb auf den heimischen Baustellen aus Ihrer Sicht ab?

Frömmel: Die Liberalisierungen im Gewerberecht haben dubiose Machenschaften erleichtert. Das fing an mit Scheinanmeldungen bei der GKK. Doch aktuell sind Entsendungen von Arbeitern, die unterkollektivvertraglich entlohnt werden, offenbar beliebter. Wichtig ist aus unserer Sicht die regelmäßige Überprüfung, ob auf Baustellen in Öster­reich alles korrekt abläuft und dass im Bedarfsfall auch entsprechend rechtliche Konsequenzen gezogen werden.

(+) plus: Wie gut läuft die Kontrolle?

Frömmel: Mit 1. Jänner 2017 ist die SOKO Bau gestartet und mittlerweile auch personell aufgestockt worden. Konkrete Ergebnisse stehen allerdings noch aus. Aber schon in den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass bei heimischen Unternehmen Lohn- und Sozialdumping kaum vorkommt. Lediglich 0,5 Prozent der kontrollierten heimischen Unternehmen mussten beanstandet werden, bei ausländischen Unternehmen waren es 27 Prozent.  

Ein weiteres Problem ist die Teilzeitbeschäftigung. Es gibt Unternehmen, die haben 20 Mitarbeiter gemeldet, die allesamt Teilzeitbeschäftigte sind. Da ist die Wahrscheinlichkeit eines Missbrauchs sehr groß. Wir hoffen, dass diese verstärkten Kontrollen auch abschreckende Wirkung haben.

Problematisch ist auch, dass die Regierung im Sinne der Entbürokratisierung eine Beschränkung der Lohn- und Sozialdumping-Bestimmungen auf Grundlohn und Sonderzahlungen plant, der Bau davon aber explizit ausgenommen ist. Das bedeutet, dass der Bau in Zukunft stärker kontrolliert wird als alle anderen Branchen und Bau-Arbeitgeber auch weiterhin selbst bei kleinsten Verfehlungen hart bestraft werden (Siehe auch Kasten nächste Seite).

(+) plus: Im Rahmen der Initiative Umwelt+Bauen haben Sie eine ganze Reihe an Forderungen an die neue Bundesregierung gerichtet, darunter u.a. die Wiedereinführung der Zweckbindung der Wohnbauförderung, eine deutliche Erhöhung der Sanierungsrate und einen Ausbau der ländlichen Infrastruktur. Mit welchen Forderungen glauben Sie am ehesten, Gehör zu finden?

Frömmel: Die größten Chancen hat man immer dort, wo es um Soziales geht. Deshalb glaube ich, dass wir im Bereich des Wohnbaus die größten Chancen haben. Das betrifft sowohl den Neubau als auch die thermische Sanierung.

(+) plus: Die Wohnbauförderung wurde beim letzten Finanzausgleich ohne Zweckbindung an die Länder übergeben, der Sanierscheck deutlich gekürzt. Ist hier ein Kurswechsel realistisch?

Frömmel: Sowohl der Handwerkerbonus als auch der Sanierscheck haben eindrucksvoll bewiesen, dass der Staat mit diesen Instrumenten über Steuerrückflüssen mehr einnimmt, als es ihn kostet. Also sollte die Finanzierung nicht das Problem darstellen. Deshalb regen wir auch seit Jahren eine zusätzliche Förderung für die altersgerechte Sanierung von Wohnraum an. Vom ehemaligen Wirtschaftsminister und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner gab es dafür auch schon eine Zusage, gescheitert ist es letztendlich am Budget.

Einen enormen Handlungsbedarf sehe ich vor allem in der Infrastruktur, speziell im niederrangigen Straßennetz. Da brennt der Hut. Landes- und alte Bundesstraßen sind in einem katastrophalen Zustand. Da ist es nur eine Frage der Zeit, bis es zu oberflächenbedingten Unfällen mit anschließenden Klagen gegen Bund, Länder und Gemeinden kommt.  Wenn schon nicht neu gebaut oder generalsaniert wird, früher hat man wenigs­tens den Oberflächenbelag regelmäßig erneuert. Aber selbst das passiert heute in deutlich geringerem Ausmaß. Aber je länger man mit den notwendigen Sanierungen wartet, desto teurer wird es.

(+) plus: Für viel Aufregung hat die rechtliche Angleichung von Arbeitern und Angestellten gesorgt. Welche Auswirkungen auf das heimische Baugewerbe sind zu erwarten?

Frömmel: Es ist uns zum Glück gelungen, kurz vor dem Beschluss im Plenum Verständnis bei den politischen Entscheidungsträgern zu erzielen. Deshalb bleiben die Kündigungsfristen auch nach 2021 weiter in der Verantwortung der Sozialpartner.

In Saisonbranchen wie Bau oder Tourismus darf sich hier auch nichts ändern, denn bei einer Kündigungsfrist von sechs Wochen müsste ich meine Mitarbeiter prophylaktisch schon Mitte September oder mitten in einem Projekt kündigen. Aber was macht ein Unternehmen, wenn sich eine Baustelle kurzfris­tig verzögert? Da würde bei einer Wiedereinstellung wieder die längere Kündigungsfrist greifen. So eine Regelung wäre bei saisonalen und witterungsabhängigen Branchen absolut realitätsfremd. Deshalb sind wir froh, dass es hier ein politisches Einsehen gab.

(+) plus: Im Rahmen der Koalitionsgespräche wurde auch immer wieder eine Schwächung der Sozialpartner in den Raum gestellt. Welche Argumente haben Sie für die Sozialpartnerschaft?

Frömmel: Ich kann nur für den Bau reden. Es sind alle gut beraten, diese Zusammenarbeit, wie wir sie pflegen, in Zukunft nicht nur weiter zuzulassen, sondern auch zu fördern. In den letzten zehn Jahren ist so etwas wie eine gemeinsame Bewegung entstanden. Das war auch in der Bauwirtschaft nicht immer so. Als ich vor 25 Jahren bei den ersten Kollektivvertragsverhandlungen dabei war, sind sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer wie Kampfhähne gegenübergestanden. Heute dauern die Kollektivvertragsverhandlungen zwei bis drei Stunden und bringen ein Ergebnis, das sowohl für Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer passt.

Wir haben schon oft den Nachweis gebracht, wie man durch eine gute und vertrauensvolle Gesprächsbasis zahlreiche Maßnahmen, Initiativen und rechtliche Vereinbarungen auf Schiene bringt, die für beide Seiten vertret- und verkraftbar sind. Der Gesetzgeber könnte niemals ähnliche Erfolge erzielen, weil er weder die Branche  an sich noch die Bedürfnisse der Arbeitgeber und Arbeitnehmer so gut kennt wie die Sozialpartner.   

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